Klagen gegen zu viel Fett:Ärger mit dem Erfolgskeks

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Amerika rückt von fettiger Kost ab - aus Angst vor Klagen. Künftig sollen einige Nahrungsmittel weniger Fett und weniger Zucker enthalten und in kleineren Portionen angeboten werden.

(SZ vom 4.7.2003) — Vor gut 40 Jahren, mitten im Kalten Krieg, schrieb ein junger Amerikaner namens John Crawford einen Artikel für die Zeitschrift Atlantic Monthly, den er "Ein Plädoyer für Fettleibigkeit" nannte.

Letztere, so Crawford, sei Ausweis von Erfolg und Wohlstand, und wenn es darum gehe, den Russen die Überlegenheit des amerikanischen Modells zu beweisen, dann gebe es kein besseres Mittel. "Fettleibigkeit ist das ultimative Symbol für Glück und Sicherheit für den Teil der Menschheit, der abends hungrig zu Bett gehen muss".

Es ist viel passiert, seit der Crawford seinen Artikel schrieb. Es hat Fitnesswellen gegeben, wie in den Achtzigern, als die drahtigen Japaner mit ihren billigen Autos und Stereoanlagen kamen, und man sich sorgte, die Leibesfülle der Amerikaner schade irgendwann auch dem Fortkommen der Nation.

Aber auch das ging vorbei. Es kam der Boom und mit ihm legten die Amerikaner wieder ordentlich zu. Die Fastfoodketten entwickelten Super-Maxi-Menüs und innerhalb weniger Jahre, das hat die Agentur Nielsen errechnet, war die Durchschnittsgröße von Hamburgern um 20 Prozent und die von Softdrinks wie Coca Cola um 50 Prozent gestiegen.

Die Quittung für den Burger-Boom

Die Quittung folgte postwendend: Im Jahr 2001 waren 37,2 Prozent der Amerikaner übergewichtig, 21 Prozent wurden als fettleibig eingestuft. Von da an machte die erschreckende Botschaft die Runde, 300.000 Amerikaner stürben jedes Jahr an den Folgen ihrer Fettleibigkeit.

Schnell hatten Gesundheitsexperten Kostenschätzungen parat für die Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes, Herzinfarkten und Krebs, den möglichen Folgen des Übergewichts. Es dauerte auch nicht lange, bis an der George Washington Universität in Washington das Interesse von Professor John Banzhaf geweckt wurde, der Vordenker der Schadenersatzklagen gegen die Tabakkonzerne.

Schadenersatzklagen gegen Big Fat

Ihm, den sie heute den "Gesetzesterroristen" nennen, haben geschädigte Raucher heute viele Millionen Dollar Schadenersatz zu verdanken. Gegen Big Fat, wie er Fastfoodketten und Lebensmittelkonzerne nennt, hat er mit seinen Studenten sieben Klagen auf den Weg gebracht, die bisher allerdings nur mäßig erfolgreich waren. Als er mit den Tabakklagen begann, sagt er, hätten ihn auch alle für verrückt erklärt.

Es bewegt sich was im Land. In Washington reden die Politiker von einer "Fettsteuer", die ungesundes Essen stärker besteuern soll. Und die Fastfood-Ketten haben begonnen, gesundes Essen wie Salate in ihr Programm aufzunehmen.

Im Trend liegen auch kleinere Portionen, nachdem Wissenschaftler herausfanden, dass die bisherigen Riesenportionen für die Fettleibigkeit vieler Amerikaner mitverantwortlich seien.

In dieser Woche hat auch der Lebensmittelkonzern Kraft, der wegen seines Erfolgskekses Oreo unter Beschuss steht, seine Firmenpolitik geändert. Künftig sollen seine Produkte, darunter Philadelphia Streichkäse und Suchard Schokolade, weniger Fett und weniger Zucker enthalten und zudem in kleineren Portionen angeboten werden.

Professor Banzhaf sagt, man sei in Amerika zwar noch weit von Erfolgen anderer Länder entfernt — von Frankreich zum Beispiel, wo McDonald's angeblich inzwischen selbst davor warne, dass ein Schnellrestaurant-Besuch mehr als einmal die Woche schädlich sein könnte. Das wünscht er sich auch für Amerika.

Und wenn man bedenke, dass es 20 Jahre gedauert habe, bis die Tabakklagen Früchte getragen hätten, sehe es gar nicht schlecht aus.

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