Kieser-Kraftstudios:Der Muskelmann

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Werner Kieser ist eigensinnig - deshalb wurde er Europas bekanntester Kraftstudio-Betreiber.

Judith Raupp

So, was machen wir jetzt?", fragt Werner Kieser. Er schaut halb fragend, halb belustigt über seinen Glastisch hinweg. Fast alles ist schwarz im Büro des Schweizer Sportunternehmers: Stühle, Liege, Aktenordner. Auch sein T-Shirt und die Schuhe sind pechschwarz. Die Brillengläser stecken in einem runden Gestell aus dickem, schwarzem Horn. Modisch ist das alles wirklich nicht, aber um die Meinung anderer kümmerte sich Kieser noch nie.

Sein Stil kommt bei Frauen an: Werner Kieser. (Foto: Foto: Kieser Training AG)

Kieser weiß, dass er viel zu erzählen hat, was die Presse interessiert. Zum Beispiel, wie aus einem Schreiner Europas bekanntester Muskelmann wurde.

Es gebe zwei Möglichkeiten, eine Idee zu verbreiten, schreibt Kieser in seinem Buch "Die Seele der Muskeln". Entweder man gründe einen Verein, der dann auch eine Partei, eine Kirche oder eine Sekte sein kann. Oder man eröffne ein Geschäft. Der kleine Mann, rundum mit Muskeln bepackt, hat sich für Letzteres entschieden. Seine Kraftstudios laufen mittlerweile überall in Europa gut - vor allem in Deutschland.

Unfreiwilliger Start

Kiesers Karriere als Unternehmer hat mit Schmerzen begonnen. Der junge Werner liebte das Boxen. 1958 quetschte ihm ein Gegner das Rippenfell. Das bedeutete ein halbes Jahr Bewegungsentzug - zu lang, fand Kieser. Er trainierte seine Muskeln mit Hanteln. Sein Arzt schüttelte den Kopf. Doch Kieser boxte bald wieder. Seither ist er besessen von der Idee des Krafttrainings.

Der 66 Jahre alte Unternehmer hat diese Story schon oft erzählt. Trotzdem holt er seinen Laptop: "Mit meinen Folien ist es viel leichter, alles zusammenzubringen".

Auf dem Bildschirm erscheint ein Foto aus dem Jahr 1967. Es zeigt Hanteln und Gewichte. Die Geräte für das erste Studio in Zürich hat Kieser aus Eisen vom Schrottplatz im Keller der Eltern zusammengeschweißt. Als es ernst wurde, hat er sich Geld von der Oma geliehen.

23 Weltmeister und Olympiasieger

Für einen Moment scheint der ältere Herr mit den grauen Haaren wieder zum jungen Mann zu werden. "Der Schrottplatz ist da hinten", erzählt er und deutet am Kamin vorbei aus dem Fenster: "23 Weltmeister und Olympiasieger haben bei mir trainiert", sagt er. Kieser strahlt wie ein kleiner Junge, der gerade ein Autogramm von seinem Lieblingsstar bekommen hat.

Von 1995 an geht es steil nach oben. Es ist die Zeit, als Kieser in Deutschland einen Trainingsbetrieb nach dem anderen eröffnet. Zuerst liefen die Studios schlecht. Die Deutschen hatten das spartanische Konzept zunächst nicht kapiert.

Kieser stellt nur Geräte auf, die Muskeln produzieren. Alles was mit Ausdauertraining zu tun hat, verbannte er schon in den siebziger Jahren aus seinen Studios. Auch von Sauna oder Saftbar hält er nichts: "Das lenkt vom Training ab."

Kieser behauptet, acht von zehn Rückenpatienten würden ihre Schmerzen los, wenn sie nur ihre Muskeln trainierten: "Es ist eine Schande, dass die Orthopäden das nicht einsehen."

Der gebürtige Aargauer kann richtig stur sein. Die Diskrepanz zwischen der Expertenmeinung und seiner Erfahrung treibe ihn an, sagt er. Und das Kauderwelsch der Fachleute bringt ihn auf die Palme. Für seine Mitarbeiter hat er ein "Unwörterbuch" zusammengestellt. Wehe, er hört jemanden von "ganzheitlich" oder einer "komplexen Sache" reden.

Zu viele Unwörter

Andreas Georgiadis hat wohl zu viele Ausdrücke aus dem Unwörterbuch benutzt. Ein Jahr lang hat Kieser dem 41 Jahre alten Finanzfachmann die operative Leitung anvertraut. Vor kurzem hat er ihn gefeuert, jetzt ist er selbst wieder Chef: "Die Mentalität passte nicht".

Besonders gut kommt Kiesers Stil bei den Frauen an. Mehr als die Hälfte der 285.700 Kunden sind weiblich. Laut Statistik verdienen sie überdurchschnittlich viel und fahren teure Autos. "Die Frauen haben ein Gefühl für ihren Körper", sagt Kieser.

Überhaupt die Frauen: Ehefrau Nummer eins und zwei haben ihm längst verziehen, dass die Muskelmission wichtiger war als die Beziehung. Ehefrau Nummer drei hat dem Geschäft den entscheidenden Auftrieb gegeben.

Ein Arzt für jedes Studio

Die Ärztin richtete eine Praxis für medizinische Kräftigung ein. Klar, dass die Patienten bei ihrem Mann trainierten. Kieser engagierte für jedes Studio einen Arzt. Seither gilt er manchen in der Szene als Wunderheiler.

Nur die Arbeiter, die ihren Rücken beim Job so richtig schinden, erreicht Kieser nicht. "Das liegt nicht am Preis", sagt er. Ein Jahresabonnement für 450 Euro sei doch nicht teuer.

Kieser erzählt vom Pilotversuch bei DaimlerChrysler in Gaggenau. Die Mitarbeiter konnten während der Arbeit zum Training. Gekommen sind vor allem die Büroangestellten. Die Arbeiter mochten den Stress an der Rückenmaschine nicht.

© SZ vom 08.04.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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