Kicker, Kerner, Bild:Die Resozialisierung-Show des Robert Hoyzer

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Ungestört philosophiert der junge Schiedsrichter über Schrott und die Welt — die ihm jetzt bitte unbedingt zuhören soll.

Von Hans Leyendecker

Für den Journalisten Günter Stampf ist manchmal der Abort des Lebens zugleich das Speisezimmer. Als Geschäftsführer der Hamburger Produktionsfirma Stampfwerk hat sich der 35-Jährige im vorigen Jahr die Medienrechte am Fall des "Kannibalen von Rotenburg" gesichert.

Die Lebensgeschichte eines leibhaftigen deutschen Menschenfressers soll nachgezeichnet werden. Als Gelegenheits-Autor von Bild hat der aus Österreich stammende Journalist beim Schreiben auch den Charme eines Skilehrers. "Die beiden schauen sich mit gespielt strafenden Blicken an. Es wirkt in diesem Augenblick wie eine kleine Liebeserklärung", dichtete er im Mai 1999 über eine Begegnung des Ehepaars Susanne und Harald Juhnke in Kapstadt.

Jetzt schrammelt er wieder. Gemeinsam mit einem Kollegen von Bild schreibt Stampf in diesen Tagen die Erzählungen des "Betrüger-Schiri Robert Hoyzer" auf und wenige Einblicke bleiben der Welt erspart.

Dass Mutter Hoyzer bei der Nachricht über die verpfiffenen Spiele "ohnmächtig" wurde, der Vater sich "stundenlang übergeben" hat und die Freundin Antje wütend die Handtasche nach ihm warf - das alles wurde jetzt exklusiv enthüllt. Ungestört philosophiert der 25-jährige Hoyzer über Schrott und die Welt, die ihm jetzt bitte unbedingt zuhören soll: "Meine Geld-Gier hat alles kaputtgemacht. Ich schäme mich so sehr".

Die Selbstbespiegelung eines eitlen jungen Mannes, der angeblich Angst vor dem Gefängnis hat, füllt die Spalten des Boulevard-Blattes, dessen Postillon Franz Josef Wagner den Bekenner Hoyzer am Tag zuvor ein "grünschnabeliges Miststück" und einen "Bescheiß-Schiedsrichter" genannt hat.

Hoyzer bekennt bei Bild, Hoyzer redete im Kicker, Hoyzer war Gast bei Johannes B. Kerner. Die Show zur Show.

Eine Frage der Sendezeit

Was in diesen Tagen abläuft, ist nicht die übliche multimediale Inzucht. Das Publikum kann eine perfekte Prozessführung über die Medien erleben. Bevor die Berliner Strafverfolger mit den Ermittlungen richtig begonnen haben, scheint Hoyzers Resozialisierung nur noch eine Frage der Sendezeit.

Der Betrüger spielt die Rolle des Verführten. Der Begriff Mafia, der im Wettskandal schon abgelegt war, taucht wieder auf. "Ich war mitten in der Fußball-Mafia", sagt der Täter, der zu gern auch Opfer sein möchte. Personenschutz hat er schon. "Ich weiß auch, dass die Kroaten gefährlich sind", sagt er in Bild. Muss sich die Nation um den 1,98 Meter großen Hoyzer sorgen?

Bei Kerner mimte er den Schwiegersohn, der mal ganz schön über die Stränge geschlagen hat. Obwohl er gut geschminkt war, stand ihm die Schamröte im Gesicht. Eine perfekte Inszenierung.

Während die wirklich Mächtigen wie Josef Ackermann von der Deutschen Bank im Gerichtssaal das Victory-Zeichen machen und derart Überheblichkeit zelebrieren, akzeptierte Hoyzer seine Rolle vor dem Fernsehgericht als kleiner, reuiger Sünder. "Ich habe mich gern wichtig gemacht". Ein Darsteller seiner selbst.

Auffällig oft redete Hoyzer von eigener Schuld und erklärte dann, dass bei ihm keine Wiederholungsgefahr bestehe, dass er nicht verdunkeln wolle, dass es keine Fluchtgefahr gebe.

Also keinerlei Grund, ihn wie die drei Kroaten vom Cafe King in Untersuchungshaft zu stecken. Moderator Kerner ließ seinen Gast treiben, griff dann aber wieder herzhaft ein. Auch wenn Kerner abgeklärt dreinschauen wollte, konnte man in seinem Gesicht doch zuweilen Stolz erkennen, diesen Hoyzer vor der Kamera zu haben.

Andererseits ist er Fußballfan und fühlt sich von Hoyzer reingelegt. Kicker, Kerner, Bild - es steht nicht zu erwarten, dass die Selbstbespiegelung dem jungen Ex-Schiedsrichters schadet. Für die Strafverfolger und die Sonderkommission des Landeskriminalamts, die sich strafrechtlich mit der Wettaffäre beschäftigen, wird der Fall durch die allgegenwärtige Medien-Präsenz des Beschuldigten Hoyzer nicht einfacher.

Die Staatsanwälte fragten bei seinem Essener Anwalt Thomas Hermes an, ob Medien-Auftritte nun täglich zu erwarten seien. Hermes: "Das wär's jetzt - aber es gibt einen riesigen Markt. Wir wollten keine Pressekonferenz, auch wegen der Gefährdungslage. Wir haben ausgewählt."

Die drei inhaftierten Kroaten schweigen. Nur manchmal dringt durch die Gefängnismauern, dass Hoyzer doch immer selbst angerufen habe, um zu sagen, welches Spiel er jetzt wieder pfeife. Vieles, was Hoyzer öffentlich sagt, kennt er nur vom Hörensagen. Er habe auch "von entscheidenden Personen" etwas über Manipulationen erfahren, vertraute er dem Fachblatt Kicker an.

In einem Schriftsatz seiner Anwälte vom 1. Februar an die Berliner Staatsanwaltschaft liest sich das so: Zwei Cottbuser Spieler hätten "ab und an was gemacht". Das habe ihm Filip S. gesagt. Was bedeutet "ab und an" und was meint "gemacht?" Vieles bleibt vage.

Der Verdacht, dass es auch andernorts in der Republik Netze von betrügerischen Zockern nebst Anhang gibt, besteht, und die unter anderem in dem Fall ermittelnde Berliner Staatsanwältin Petra Leister will sich unbedingt bundesweit einen Überblick verschaffen. Doch Fußball ist auch für eine sehr taffe Ermittlerin manchmal eine andere Welt.Das merkt man, wenn sie in den Vernehmungsprotokollen "Münchengladbach" schreibt, wenn sie "Mönchengladbach" meint.

Hoyzer wird in dem Straffall kaum Nachahmer unter den anderen Beschuldigten finden. Der nächste, der auspacken würde, könnte nur wie ein Schurke erscheinen, selbst bei RTL 2. Andererseits: Da kennt sich Hoyzers Beichtvater Stampf auch aus. Die Serie Beauty-Klinik von RTL 2 hat er produziert. "Die Gefühle" der Patientinnen, erklärte er einer Reporterin, "sind echt". So echt wie bei Hoyzer.

© SZ vom 10.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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