"Keine freie Bahn mehr":Verdi will die Münchener Rück aufmischen

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Die Gewerkschaft Verdi setzt bei dem Versicherungskonzern einen konzernweiten Betriebsrat durch - und könnte sogar schon bald in den Aufsichtsrat der Münchener Rück einziehen.

Martin Reim

Die Gewerkschaft Verdi bekommt erstmals direkten Einfluss bei der Münchener Rück. Die Gründung eines konzernweiten Betriebsrates bei dem Versicherer stehe unmittelbar bevor, sagte Richard Sommer, Leiter der Berufsfachgruppe Versicherungen bei Verdi, der Süddeutschen Zeitung.

Richard Sommer wirft der Konkurrenz-Gewerkschaft vor, sie habe die Gründung eines Konzernbetriebsrates lange "hintertrieben'', um ihren Einfluss zu wahren. (Foto: Foto: dpa)

Zudem sei zu erwarten, dass erstmals Vertreter der Dienstleistungsgewerkschaft in den Aufsichtsrat des Konzerns einrücken, wenn 2009 Neuwahlen für das Gremium stattfinden. Eine Sprecherin von Deutschlands zweitgrößter Versicherungsgruppe bestätigte die Informationen.

Nach Angaben Sommers soll sich der Konzernbetriebsrat am 26. Juli in München konstituieren. Ziel sei es, das Management besser kontrollieren zu können. "Die Münchener Rück hat ab jetzt keine freie Bahn mehr, wenn sie jetzt etwas beschließt, das über den Rückversicherer hinaus Bedeutung hat'', sagt Sommer. "Wir wollen bei allen Themen Einfluss nehmen, die wirtschaftlich und vor allem sozial relevant sind.''

DHV "zu arbeitgeberfreundlich''

Bislang dominiert bei der Münchener Rück AG, der Dachgesellschaft der Gruppe, der DHV, der zu den christlichen Gewerkschaften gehört. Sommer bezeichnet den DHV als "zu arbeitgeberfreundlich''.

Verdi hatte beispielsweise bei der Allianz heftige Auseinandersetzungen mit dem Management, weil dieser Versicherer insgesamt 5.700 Stellen im Inland streicht.

Derzeit gibt es bei der Münchener Rück nur Betriebsräte für einzelne Konzernteile. Mittlerweile sind laut Sommer aber die gesetzlichen Auflagen erfüllt, um einen Betriebsrat für die gesamte Gruppe zu bilden: Arbeitnehmervertreter, die mindestens die Hälfte der Konzernbeschäftigten repräsentieren, haben Sommer zufolge der Bildung eines solchen Gremiums zugestimmt.

Damit bestehe der Konzernbetriebsrat bereits aus rechtlicher Sicht und müsse sich nur noch konstituieren - beispielsweise Vorsitzende wählen und die Arbeitsorganisation festlegen. Ein Konzernbetriebsrat verhandelt direkt mit dem Management.

Dominanz des DHV

Bislang kann Verdi, die zum Deutschen Gewerkschafts-Bund (DGB) gehört, nur indirekt Einfluss nehmen. Grund ist die Dominanz des DHV bei der Dachgesellschaft Münchener Rück AG. Die AG betreibt das Rückversicherungs-Geschäft und hat in Deutschland gut 3.000 Beschäftigte.

Fast komplett zur Münchener Rück gehört die Ergo-Holding, zu der die Hamburg-Mannheimer, Victoria, DKV und DAS zählen. Diese Firmen haben insgesamt etwa 25.000 Beschäftigte in der Bundesrepublik, darunter viele Verdi-Mitglieder. Deren Einfluss endet allerdings im Ergo-Aufsichtsrat, wo Verdi vertreten ist.

Nun könnten bald Verdi-Vertreter auch in das Aufsichtsgremium der Münchener Rück einziehen. 2009 stehen Betriebsratswahlen an. Nach Angaben Sommers wird durch die Gründung eines Konzernbetriebsrates erstmals eine gruppenweite Abstimmung geben.

Es werde wahrscheinlich getrennte Listen für Verdi und DHV geben. Ein zahlenmäßiger Sieg von Verdi scheint absehbar: Der DHV hat nach eigenen Angaben kaum Mitglieder bei Ergo und nur etwa 100 bei der Münchener Rück - wesentlich weniger als Verdi in der gesamten Gruppe.

Sommer wirft der Konkurrenz-Gewerkschaft vor, sie habe die Gründung eines Konzernbetriebsrates lange "hintertrieben'', um ihren Einfluss zu wahren. Diese Darstellung weist ein Vertreter des DHV zurück und sagt, man unterstütze die Initiative.

Es gebe immer mehr gemeinsame Aktivitäten von Erst- und Rückversicherung, sodass solche Themen in einem übergreifendem Gremium besprochen werden müssten.

Der DHV-Vertreter erklärt, man werde sich am 26. Juli davon überzeugen, ob das 50-Prozent-Quorum der Betriebsräte tatsächlich erfüllt sei. Sei dies der Fall, werde man "zeitnah'' den Konzernbetriebsrat konstituieren. Die Einladung zu einem solchen Treffen obliege dem Betriebsrat der Muttergesellschaft, also dem DHV.

Verdi-Vertreter Sommer begründet den Vorstoß auch damit, dass Konzernchef Nikolaus von Bomhard gegenüber Ergo eine härtere Gangart eingeschlagen habe als sein Vorgänger Hans-Jürgen Schinzler, der Ergo Ende der neunziger Jahre gegründet hatte.

"Changing Gear'' soll Gewinn und Börsenkurs erhöhen

Zwar gab es keine betriebsbedingten Kündigungen, doch einen Stellenabbau und weitgehende Umstrukturierungen. Weiterhin sei zu befürchten, dass das Programm "Changing Gear'' (zu deutsch etwa: die Gangart wechseln), das derzeit beim Rückversicherer anläuft, auf Ergo ausgeweitet werde.

"Changing Gear'' soll Gewinn und Börsenkurs erhöhen, Bomhard hatte dabei betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Die Gründung des Konzernbetriebsrates sei jedoch schon vor "Changing Gear'' geplant gewesen, sagt der Gewerkschaftsvertreter.

Eine Sprecherin der Münchener Rück sagte, ein Konzernbetriebsrat könne "durchaus hilfreich'' sein - als alleiniger Partner zum Abschluss konzernweit einheitlicher Regelungen.

Der Einzug von Verdi-Vertretern in den Aufsichtsrat sei "wahrscheinlich'', man sehe keine Hindernisse für eine gute Zusammenarbeit. "Wir freuen uns auf spannende Diskussionen'', fügte die Sprecherin an.

Neben der Münchener Rück gibt es noch andere Mitglieder des Deutschen Aktienindex (Dax), die bislang keinen Konzernbetriebsrat haben. So existiert beim Energiekonzern RWE lediglich eine Arbeitsgruppe der Betriebsräte aus den Einzelgesellschaften.

© SZ vom 24.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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