KarstadtQuelle:Nach 100 Tagen kam die Wende

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Neue Manager machen bei Europas größtem Warenhaus- und Versandhandelskonzern Schluss mit Verzettelung und Lethargie. Mit einem harten Sanierungsplan soll der schlingernde Handelsriese wieder auf Kurs gebracht werden.

Von Karl-Heinz Büschemann

Wenn das keine Revolution ist: Die deutschen Versandhäuser Quelle und Neckermann werden im nächsten Jahr keine dicken Gesamtkataloge mehr herausschicken.

Das große Aufräumen bei KarstadtQuelle hat begonnen. (Foto: Foto: dpa)

Diese symbolträchtige Entscheidung ist eine der rigiden Maßnahmen, mit denen das Management den schlingernden Handelsriesen KarstadtQuelle wieder auf Kurs bringen will.

Bei Europas größtem Handelskonzern, so sieht es der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Middelhoff, geht es "ums Überleben". Die KarstadtQuelle-Gruppe, zu der die Kaufhäuser von Hertie, das Berliner KaDeWe, das Alsterhaus in Hamburg oder die Warenhauskette Wertheim gehören, steht vor der größten Herausforderung seit 70 Jahren.

Seit am 1. Juni der Vorstandsvorsitzende Christoph Achenbach und der Aufsichtsratschef Thomas Middelhoff im Amt sind, häuften sich in Essen die Krisensitzungen.

Am Montagabend hat das Kontrollgremium ein Sanierungsprogramm genehmigt. Demnach sollen 77 Karstadt-Warenhäuser vom Unternehmen getrennt und später verkauft werden.

Tochtergesellschaften wie die Textilkette SinnLeffers oder der Musik-Anbieter World of Music (WOM) werden verkauft. Von den Versandhäusern Quelle und Neckermann heißt es noch undeutlich, sie würden "neu ausgerichtet".

Die Gewerkschaft Verdi spricht von "Kahlschlag." Sie vermutet, dass 10000 der 96000 Mitarbeiter ihren Job verlieren.

Ungestüme Expansion

Es hat lange gedauert, bis sich etwas tat, bei dem schon lange kriselnden Handelsriesen mit Sitz in Essen.

Seit Jahren sind die Schlagzeilen immer die gleichen: Darin ist von Krise die Rede, von Konsumflaute, mangelnder internationaler Ausrichtung der Gruppe und davon, dass die Konkurrenz besser ist.

Zum Beispiel der Kölner Handelsriese Metro, zu dem die Warenhauskette Kaufhof gehört. Dagegen muss die Gruppe rund um den 1881 entstandenen Karstadt-Konzern jetzt die größte Krise hinter sich bringen, seit sie in den 30er Jahren schon einmal ein Sanierungsprogramm brauchte.

Nach dem ersten Weltkrieg war das Unternehmen zu stürmisch gewachsen und durch die Weltwirtschaftskrise an den Rand der Pleite geraten.

Die jüngste Krise von KarstadtQuelle ist weniger eine Folge von ungestümer Expansion. Eher ist sie eine Spätfolge des Dauer-Regiments von Walter Deuss, der von 1982 bis zum Jahr 2000 an der Unternehmensspitze stand und einen verhaltenen Kurs fuhr, der offenbar vor allem keine Probleme mit den Belegschaftsvertretern bringen sollte.

Wie kaum ein anderer Manager hat Deuss, der im Unternehmen "Papa" genannt wurde, Karstadt seinen Stempel aufgedrückt. Der Name Deuss stand aber eher für Verzettelung als für Dynamik und Entschlossenheit.

Deuss sorgte mit dafür, dass der gestrauchelte Versender Neckermann zu Karstadt kam. Damit war der Schritt ins Reisegeschäft getan, der heute unter dem Namen Thomas Cook einer der schlimmsten Verlustbringer ist.

Deuss fusionierte Karstadt 1994 mit dem angeschlagenen Wettbewerber Hertie und holte neue Probleme ins Haus. 1997 kam der Zusammenschluss mit dem Großversandhaus Quelle. Die Umbenennung in KarstadtQuelle kam zwei Jahre später.

Doch der Name Deuss steht nicht für eine Erfolgsgeschichte. Die Familie Schickedanz (Quelle), die inzwischen Großaktionär bei Karstadt geworden war, fand die Leistung des Managers nicht überzeugend und drängte ihn aus der Führungsetage.

Doch auch mit Nachfolger Wolfgang Urban wurde es nicht besser.Während sich der Konkurrent Metro vor allem in Osteuropa erfolgreich engagierte und von der schwachen Inlandskonjunktur stärker fern halten konnte, folgte Karstadt der alten Deuss-Vorgabe und blieb im Lande und in den Innenstädten.

KarstadtQuelle macht noch heute 90 Prozent des Umsatzes in Deutschland. Nachfolger Urban stellte die Weichen nicht neu, sondern kaufte weitere Firmen hinzu - so zum Beispiel das Deutsche Sportfernsehen DSF, eine Fitnessstudio-Kette und die US-Kaffee-Kette Starbucks. Es half nichts.

Ziele verfehlt

Anfang 2002 begann der Aktienkurs abzustürzen. Richtig schlecht wurde es 2003. Der Konzernumsatz war um 3,4Prozent auf 15,3 Milliarden zurückgegangen, der Konzerngewinn vor Steuern war um 33 Prozent auf 107 Millionen Euro geschrumpft.

Im Firmensammelsurium machte nur noch die relativ kleine Immobiliengesellschaft gute Gewinne. Sie verdiente 242 Millionen Euro. Die Warenhäuser steckten tief in den operativen Verlusten. Der Dienstleistungssektor wird von der Reisetochter Thomas Cook, die 2003 allein 77 Millionen Euro Betriebsverlust machte, tief ins Minus gezogen.

Die Versandhäuser erlitten einen drastischen Gewinneinbruch. Urban hatte alle seine Ziele verfehlt. Im ersten Halbjahr von 2004 entstand ein operativer Verlust von 440 Millionen Euro. Dunkel sprach der Karstadt-Chef von "unsicheren Rahmenbedingungen", und von "neu zu bewertenden Terrorrisiken", die die Geschäfte gefährdeten.

Urban musste zum 1. Juni gehen und wurde durch den tüchtigen Quelle-Chef Achenbach ersetzt, der schon viel Sanierungserfahrung hat. Im Aufsichtsrat beerbte der ehrgeizige Thomas Middelhoff den früheren Linde-Chef Hans Meinhardt auf dem Chefposten und nahm dort das Ruder entschieden in die Hand. Im Jahr 2007 wollen die beiden Neuen den alten Konzern wieder in den schwarzen Zahlen haben.

© SZ vom 29.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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