Karstadt:Tante Emma wohnt in Giesing

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Der Karstadt an der Tegernseer Landstraße in München gehört zu den Standorten mit weniger als 8000 Quadratmetern, denen der Verkauf droht. Doch ein Verlustbringer ist die kleine Filiale nicht — in Giesing hat man ein eigenes Erfolgsrezept.

Von Petra Blum

Geschäftig geht es zu auf der Tegernseer Landstraße, rund um die U-Bahn-Station Silberhornstraße tummeln sich Menschen, kaufen ein, betrachten Schaufenster oder warten auf die Tram.

Der Giesinger Karstadt: Angebotsdschungel zwischen Tante Emma Laden und türkischen Basar. (Foto: Foto: Petra Blum)

Ein kubusartiges Gebäude überragt alle anderen Häuser an dieser Kreuzung. Es sticht hervor mit in der Sonne blitzenden Fensterreihen und markentreuem Karstadt-Blau. Das Giesinger Karstadt-Warenhaus ist Herzstück der Tegernseer Landstrasse und Publikumsmagnet zugleich.

Den Eingang zieren leere Bierflaschen, an der Ecke bettelt ein blinder Mann um Kleingeld. Es ist Alltag in Giesing.

Schokoriegel und Damenunterwäsche

Bereits beim ersten Schritt durch die automatische Schiebetür schlägt das "Alles-unter-einem Dach"-Konzept des größten europäischen Warenhauskonzerns zu.

Der Kunde wird hineingeschoben in einen riesigen Bauchladen, der, vollgestopft bis unter das drückend niedrige Dach, alles feil bietet was der Bestellkatalog hergibt.

Schokoriegel und Damenunterwäsche, nur eine Armlänge voneinander entfernt, tummeln sich neben einem Kiosk für Tabakwaren und dem neuesten DVD-Ego-Shooter. Es gibt kaum etwas, was man hier nicht kaufen kann.

Im Untergeschoss residiert neben der Tchibo-Welt ein Mister Minit, unweit der obligatorischen Lebensmittelabteilung. Es ist, als sei auf diesen zwei Stockwerken mit ihren 1991 Quadratmetern die Zeit stehen geblieben.

Und voll ist es im Haus. Nicht jeder, der sich der Reizüberflutung des Warenangebotes hingibt, scheint etwas Bestimmtes zu suchen. Manch Giesinger schlägt lediglich die Zeit tot oder sucht den freundlichen Kontakt zu anderen Kunden.

Die Mitarbeiterinnen haben alle Hände voll zu tun: Kein Kunde wird allein gelassen im Angebotsdschungel, dessen atmosphärisches Gemisch aus Tante Emma Laden und türkischem Basar gar nicht untypisch ist für die Tegernseer Landstraße.

Eine junge Dame am Eingang erregt Aufmerksamkeit. Beherzt spricht sie die Kunden an, die an ihr vorbeischlendern. "Darf ich sie fragen, wie oft sie hier einkaufen? Haben sie schon mal etwas im Internet gekauft? Wie zufrieden sind sie mit der Atmosphäre? Und den Preisen?" Eine 73-jährige Kundin, von der Fragestellung sichtlich überrollt, ist sich sicher, dass sie noch nie etwas im Internet gekauft hat. Und mit der Atmosphäre ist sie zufrieden: "Wenn man was braucht, geht man zum Karstadt".

Lukrativer Nahversorgerstandort

Die Giesinger Filiale gehört zu den Standorten unter 8000 Quadratmeter die von dem Sanierungsplan des Konzerns direkt betroffen sind. "Wir sind ein lukratives Warenhaus mit positivem Ergebnis", erklärt Filialleiterin Sonja Büscher.

Das Haus hat zu 80 Prozent Stammkunden und ist somit ein typischer Nahversorger. "Die Leute kaufen hier ihr täglich Brot", erklärt Büscher. Sie spricht selbstbewusst über die Zukunftsperspektiven des Standorts.

"Wir haben uns bereits von unprofitablen Teilsortimenten getrennt und unser Angebot optimiert. Damit sind wir den Großen Filialen vielleicht schon einen Schritt voraus." Die Giesinger müssten sich keine Sorgen um ihren Karstadt machen, glaubt sie. "Es gibt kein Bestreben, das alles hier aufzulösen."

"Da drin gibt es eine Menge "Kruscht" und ich geh auch nicht gern rein", erzählt Tanja Stöckl, Verkäuferin in der benachbarten Bäckerei Wildenauer. "Aber es ist eben das größte Kaufhaus hier." Und es bringt Kundschaft für viele Lebensmittel- und Einzelhändler, die an der Tegernseer angesiedelt sind.

"Die Leute denken sich, jetzt geh ich mal zum Karstadt und dann zum Bäcker oder umgedreht. Ich glaube schon, dass ohne das Kaufhaus viel weniger Kunden in die umliegenden Geschäfte kommen würden", sagt sie. Sorgen, dass es das kubusartige Kaufhaus in unverkennbarem Dunkelblau bald nicht mehr geben könnte, macht sie sich keine.

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