Kanada:Wenn das Öl im Sande verlaufen ist

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Der Ölpreis von knapp 30 Dollar je Barrel macht ein aufwendiges Vorhaben profitabel: Die Gewinnung von Öl aus Ölsanden.

Eines der weltgrößten Bauprojekte, das Athabasca-Ölsandprojekt AOSP (Athabasca Oil Sands Project), hat in der kanadischen Provinz Alberta nach fünfjähriger Bautätigkeit und Investitionen von 5,7 Milliarden kanadischen Dollar in diesen Tagen die Rohölproduktion aufgenommen.

Es gehört der Shell Canada zu 60 Prozent. Chevron Canada und die kanadische Bergwerksfirma Western Oil Sands sind zu jeweils 20 Prozent beteiligt. AOSP wird bei voller Produktion 155 000 Barrel Bitumen pro Tag produzieren. Die Anlagen werden nach Darstellung von Paul Skinner, dem geschäftsführenden Direktor der Royal Dutch/Shell Group, vier Prozent zur weltweiten Ölproduktion des Mineralölriesen beisteuern.

Schwarzes Erz

Das riesige Projekt verfügt über eine Ölsand-Mine. Der als "Erz" bezeichnete teerartige Rohstoff wird in der Muskeg-River-Mine 75 Kilometer nördlich von Fort McMurray ähnlich wie in einem Braunkohlebergwerk mit riesigen Schaufelladern und Kippern mit einer Tragfähigkeit von 400 Tonnen abgebaut. Seit Erschließungsbeginn im Jahr 1999 waren zeitweise 14.000 Arbeiter am Ausbau des Projekts beteiligt. AOSP wird im laufenden Betrieb 850 Mitarbeiter beschäftigen.

Ölsand ist eine teerartige Substanz, die ähnlich aussieht wie klebriger Asphalt. Er lagert in riesigen Mengen im Athabasca-Gebiet unter Erdschichten von etwa 30 Metern. Das stark ölhaltige Produkt wird im Übertagebau abgebaut, zerkleinert, von Sand befreit und dann mit heißem Wasser und anderen Hilfsmitteln verflüssigt.

Es wird dann in einer fast 500 Kilometer langen Pipeline zu einer Aufbereitungsanlage in der Nähe von Fort Saskatchewan transportiert und dort weiter behandelt. Dieses "synthetische Rohöl" wird anschließend zur benachbarten Scotford-Raffinerie von Shell und zu anderen nordamerikanischen Raffinerien geliefert. Dort wird es zu Benzin und anderen Mineralölprodukten weiter verarbeitet. Die Verflüssigungsmittel gehen per Pipeline zurück an das Bergwerk.

Neun Milliarden Barrel Öl

Im AOSP-Lizenzgebiet befinden sich nach Shell-Angaben rund neun Milliarden Barrel Öl in Form von Ölsand. Die Betreiber prüfen Erweiterungsvorhaben, die die Tagesproduktion über viele Jahre auf 525 000 Barrel erhöhen könnte. AOSP ist das erste neue Ölsandprojekt seit 25 Jahren. Es gibt im Athabasca-Ölsandgebiet außerdem die viel älteren Syncrude- und Suncor-Projekte. Diese produzieren bereits seit den siebziger beziehungsweise achtziger Jahren.

AOSP werde zehn Prozent des kanadischen Ölbedarfs decken und möglicherweise mehr, betonte Tim Faithfull, der Präsident der Shell Canada. Er bezeichnete das Projekt als "neue, umfangreiche und sichere Lieferquelle für den nordamerikanischen Markt".

Die kanadischen Ölsandvorkommen in Alberta sind so groß, dass Kanada im vergangenen Jahr plötzlich in einer Rangliste der Länder mit den größten Ölreserven aus dem Mittelfeld vor den Irak auf Platz zwei vorstieß. Die kanadischen Ölreserven waren auf einen Schlag von fünf Milliarden Barrel auf 180 Milliarden Barrel erhöht worden. Die Ölsandvorkommen waren nach einer Studie der Provinzbehörde Alberta Energy and Utilities Board aus dem Jahr 1999 erstmals als "Reserven" eingestuft worden. Die Schätzung werde nach einer strikteren Untersuchung revidiert, berichtete die New York Times.

Die Produktionskosten im AOSP-Projekt werden von Fachleuten auf etwa zwölf bis 13 Dollar je Barrel geschätzt, was bei derzeitigen Ölpreisen von mehr als 28 Dollar je Barrel trotz der Milliarden- Investitionskosten sicher ein gutes Geschäft für Shell und seine Partner ist. Eine Vervielfachung der Produktion im Athabasca-Gebiet dürfte jedoch Jahrzehnte dauern und entsprechende Investitionen erfordern.

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