Kampf ums Öl:Welcher Milliardär kommt als nächstes ins Gefängnis?

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Prominente Namen werden bereits gehandelt: Der nächste Ölbaron, der im Gefängnis landen werde, sei Roman Abramowitsch.

(SZ vom 03.11.03) - Zwar gibt es bisher keine offizielle Erklärung der Staatsanwälte, dass gegen den Milliardär und Gouverneur der abgelegenen Region Tschukotka ermittelt wird, wie dies die britische Zeitung Observer berichtet.

Andererseits ist Abramowitsch aufs Engste mit Yukos und dem bereits einsitzenden Yukos-Chef Michail Chodorkowskij verbunden. Denn Abramowitsch hat seinen eigenen Ölkonzern Sibneft erst vor wenigen Monaten an Yukos verkauft. Im Gegenzug hatte er ein Aktienpaket erhalten. International Aufsehen erregt hatte, dass der Oligarch kurz darauf dann den Londoner Fußballklub Chelsea erworben hatte samt millionenteurer neuer Spieler. Möglicherweise wollte Abramowitsch sich damit den Schutz der britischen Regierung erkaufen.

Der öffentliche Wirbel um seine Fußballleidenschaft mag dem Oligarchen die Verehrung britischer Fans eingetragen haben - in Russland hat er sich damit keine Freunde gemacht.

Ein russischer Parlamentarier wandte sich jüngst an die Staatsanwaltschaft und forderte Ermittlungen gegen Abramowitsch. Nachdenklich stimmen sollte den Ölbaron, dass eben dieser Abgeordnete vor wenigen Monaten mit einer ähnlichen Anfrage den offiziellen Anstoß gegeben hatte für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Chodorkowskij und Yukos.

Krieg gegen die Oligarchen

Ob Abramowitsch nun hinter Gittern landet oder nicht: Immer klarer zeichnet sich im "Kreml-Krieg gegen die Oligarchen" ab, dass Präsident Wladimir Putin mit Hilfe der Generalstaatsanwaltschaft strategische Ziele verfolgt.

Ganz offensichtlich will der Staat die Kontrolle über den Ölreichtum des Landes zurückgewinnen. Die Erdölvorkommen Russlands, die mindestes fünf Prozent der gesamten Weltreserven ausmachen, sind unter Putins Vorgänger Boris Jelzin privatisiert worden. Sie gelangten für billiges Geld in die Hände von "Oligarchen" wie Abramowitsch und Chodorkowskij. Die aber verwenden den Reichtum nur zum eigenen Nutzen und nicht zum politischen und wirtschaftlichen Vorteil Russlands.

"Patriotische Aufgabe"

Die russische Soziologin Olga Chryschtanowskaja, Kennerin der Geheimdienste, sagt: "Putin und die Leute aus den Diensten wollen die Kontrolle über das Öl zurückgewinnen." Da Russlands Wirtschaft vom Rohstoffexport lebe, sei dies eine "patriotische Aufgabe". Instrument dazu sei die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen gegen die Oligarchen.

Die Soziologin sieht den aus dem KGB stammenden Kremlchef als treibende Kraft hinter der Anti-Oligarchen-Kampagne der Strafverfolger: "All dies geschieht auf Anweisung von ganz oben", sagte sie der Süddeutschen Zeitung unter Berufung auf Kontakte in die Dienste und in die Staatsanwaltschaft.

Doch für diese Politik stehe nicht Putin allein. Die Soziologin hatte in einer Aufsehen erregenden Untersuchung dargestellt, dass unter Putin russlandweit fast 40 Prozent aller Verwaltungsposten mit Leuten aus den Geheimdiensten besetzt seien. Bei den Spitzenpositionen seien sogar 58 Prozent von Ex-Agenten besetzt.

Längst infiltrierten sie auch Wirtschaft und Medien. Entscheidend sei, dass inzwischen alle "Uniformierten" des Landes als Einheit hinter dem Kremlchef stünden: Armee, Geheimdienste, Innenministerium und Staatsanwaltschaft (die in Russland nicht dem Justizminister untersteht).

Furcht vor Russland schüren

"Diese Leute handeln als vereinte Kraft", sagt Olga Chryschtanowskaja. "Sie sind stolz, zu Putins Mannschaft zu zählen. Man kann sie nicht mehr kaufen wie früher, sie sind nicht mehr bestechlich." Ebenso wie der Kremlchef selbst wollten diese Offiziere nach außen und innen ein "starkes Russland und einen starken Staat". Und: "Diese Leute wollen, dass Russland wieder gefürchtet wird."

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