Kampf gegen Plagiate:Auf der Spur der drei Streifen

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Adidas-Schuhe für 20 Euro, eine Levi's 501 - Jeans für 15 Euro: Natürlich gefälscht, aber viele Konsumenten stört das nicht. Die Firmen schon - sie greifen zur Selbsthilfe.

Paul Trummer

Als sich der Hamburger Zoll im September 2006 im Hafengelände auf die Suche nach geschmuggelten Zigaretten machte, ahnten die Beamten noch nicht, dass sie bald darauf einen Schmuggelware im Rekordwert von 383 Millionen Euro präsentieren sollten.

Drei Streifen, die den Unterschied machen. Doch sind sich auch echt? (Foto: Foto: ddp)

In insgesamt 117 Containern fanden sie jedoch keine Zigaretten, sondern 945.000 Paar Sportschuh-Plagiate von Nike, 72.000 gefälschte Schuhpaare von Adidas und noch Einiges mehr. Die Behörden sprachen vom "weltweit größten Aufgriff von Plagiaten" und jubelten über einen Fund, der dennoch nur als Tropfen auf dem heißen Stein gesehen werden kann.

OECD-Schätzungen sprechen von 176 Milliarden Dollar, die jährlich mit Fälschungen umgesetzt werden. Dies entspräche rund zwei Prozent des gesamten Welthandels, andere Schätzungen gehen sogar bis neun Prozent. Für die Bundesregierung ist das Thema derart wichtig, dass sie den Schutz geistigen Eigentums in das Programm der EU-Ratspräsidentschaft aufnahm, und in Genf startete Ende Januar der dritte Weltkongress zum Thema Markt- und Produktpiraterie.

Mit Detektiven auf Plagiatsjagd

Für betroffene Unternehmen könnte es jedoch teilweise existenzbedrohend sein, auf Lösungen der Politik zu warten, und so greifen viele zur Selbsthilfe. "Immer wieder wenden sich Firmen mit einem konkreten Verdacht an uns", sagt Ralph Wirths von der Detektei Contecta aus Hamburg. Neben Nachforschungen in Verdachtsfällen von Betriebsspionage oder Diebstählen offeriert seine Firma unter anderem auch Recherchen bezüglich Produktpiraterie.

Die könnten auch schon mal in exotische Länder führen, so Wirths: "Üblicherweise recherchieren wir zunächst aus Hamburg, aber bei größeren Fällen fahren wir auch vor Ort. Dort versuchen wir den Umfang der Fälschungen zu klären und Hintermänner ausfindig zu machen." Alle weiteren Schritte würden dann den Rechtsanwälten der Firmen obliegen.

Beliebt bei Fälschern: Adidas

Diese haben beispielsweise beim deutschen Sportausrüster Adidas alle Hände voll zu tun. "2006 wurden über sechs Millionen gefälschte Adidas-Produkte beschlagnahmt", so Adidas-Sprecherin Kirsten Keck zu sueddeutsche.de. Das Erkennen von Plagiaten sei aber nicht so einfach, daher setze Adidas verstärkt auf Schulungen des Zollpersonals.

Stoßen die Beamten auf Verdachtsfälle, wird meist ein Grenzbeschlagnahmeverfahren eingeleitet. Keck dazu: "Dabei wird versucht, den Absender festzustellen, was meist schwierig ist, da es sich oftmals um Scheinfirmen handelt." Würde man doch einmal auf einen exotischen Hersteller stoßen, läge die Sache bei den Rechtsanwälten. Die Plagiate hingegen würden vernichtet.

Der Zoll wird durch die zunehmende Flut an Plagiaten vor einige Herausforderungen gestellt. Die Beamten kämpfen mit immer geschickteren Fälschern und einem rasanten Anstieg der Verdachtsfälle. Doch auch die Summe der Zollerfolge stieg stark: 1995 meldete der deutsche Zoll 506 Fälle von beschlagnahmten Plagiaten, zehn Jahre später lag die Zahl fünfzehnmal so hoch bei 7217.

Bei den Fälschern besonders beliebt sind Konsumgüter: Rund ein Viertel aller aufgegriffenen Plagiate ist laut Zoll Freizeitbekleidung, die Kategorien Uhren und Schmuck sowie Accessoires (insbesondere Taschen) machen jeweils rund 20 Prozent der gefälschten Ware aus.

Fälscherparadies China

Ein Großteil der Fälscherware stammt aus Asien: Mehr als ein Drittel aller beschlagnahmten Waren kommt aus China; Hongkong und Thailand sind für jeweils ein Zehntel der Plagiate verantwortlich. Auch in den USA sitzen die Fälscher: Jedes zehnte beim Zoll aufgegriffene Plagiat kommt aus den Staaten.

Doch Unternehmen wehren sich nicht nur gegen Plagiate, sondern auch gegen den Ideenklau. Zeitungsberichten zufolge beschäftigt die Firma Levi Strauss weltweit 40 Detektive, die besonders wachsam durch Boutiquen und Kaufhäuser streifen. Sie sind auf der Suche nach Jeansmodellen, die die Markenrechte von Levi verletzen könnten - und auch sie haben alle Hände voll zu tun.

Der Kampf um die Naht

Besonders beliebt bei namhaften wie namenlosen Jeans-Herstellern ist die Imitation der charakteristischen Naht auf den hinteren Hosentaschen. Die beiden Bögen, die entfernt einem M gleichen, wurden schon unzählige Male variiert: als V, als Haken, oder einfach als ein um wenige Millimeter verschobenes M - Hauptsache, die Ähnlichkeit mit Levi's Jeans leidet nicht zu sehr darunter.

Doch Levi Strauss wehrt sich dagegen: Auf Anfrage von sueddeutsche.de bestätigte die Europazentrale in Brüssel die Existenz der Markendetektive, bei Levi Strauss "Markenschutzkoordinatoren" genannt. In erster Linie setze man aber auf die guten Beziehungen zu den Händlern - und darauf, dass diese nur echte Levi's Jeans in ihr Programm nehmen würden.

Fälschern hingegen wird mit Klagen gedroht, und offenbar ist man mit juristischen Schritten nicht zimperlich: Seit 2001 soll die Firma rund 100 Klagen gegen Mitbewerber eingebracht haben. Diese allerdings werfen Levi's Rechtsanwälten vor, besonders aggressive Töne anzuschlagen, und glauben den wahren Grund zu wissen: Die ehemalige Kultmarke habe den Trend zu schicken Designerjeans heillos verschlafen und versuche nun verzweifelt, verlorene Marktanteile aufzuholen.

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