Kabel-TV:In die Röhre

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Wer den Kabelanschluss ohnehin mit der Miete zahlt, bucht kaum Alternativen wie Internetfernsehen. (Foto: Getty Images/Cavan Images RF)

Millionen Deutsche zahlen ihren Anschluss über die Nebenkosten mit. Der Bund will diese Regelung abschaffen. Und dann?

Von Benedikt Müller-Arnold

Für die einen ist es ein praktisches Schnäppchen, für die anderen sind es unnötige Kosten: Gut zwölf Millionen Mieterhaushalte in Deutschland zahlen ihren TV-Anschluss nicht selbst, sondern über ihre Nebenkosten mit - wie andere Mieter etwa den Hausmeister oder die Treppenreinigung. Denn viele Vermieter haben Sammelverträge geschlossen, um ganze Häuser mit Fernsehsignalen zu versorgen; zumeist geht es um Kabel-TV. Mieter können dann vergleichsweise günstig fernsehen, in der Regel für sieben bis zehn Euro je Monat.

Doch das Bundeswirtschaftsministerium plant, diese Umlagefähigkeit abzuschaffen, nach einer Übergangszeit von fünf Jahren. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, den das Ministerium zwar offiziell noch nicht veröffentlicht hat. Doch Telekommunikations- und Wohnungsunternehmen diskutieren lebhaft über Vor- und Nachteile der Reform. Was Verbraucher dazu wissen sollten.

Warum sollen die Anschlussgebühren raus aus den Nebenkosten?

Wer seinen Kabelanschluss ohnehin mit der Miete zahlt, hat kaum einen Anreiz, etwa auf Satellit oder Internet-TV auszuweichen. Verbraucher sollen aber frei wählen, welche Technologien sie nutzen - so schreibt es auch die EU vor. Und wer beispielsweise "nur" auf Mediatheken und Streamingdienste zugreift, der soll nicht gegen seinen Willen Anschlussgebühren zahlen müssen. Daher spricht sich die Monopolkommission, ein Beratungsgremium der Bundesregierung, schon lange dafür aus, die Nebenkostenregel abzuschaffen. Als Vorbild dient der Strommarkt: Dort können die meisten Mieter ihren Versorger bereits seit Jahren frei wählen.

Was hieße das für betroffene Mieter?

Wer den bisherigen Anschluss auch nach der geplanten Übergangszeit nutzen möchte, müsste einen eigenen Vertrag abschließen, zum Beispiel mit dem Kabelanbieter. Doch einzelnen Kunden könne man wohl nicht denselben Mengenrabatt gewähren wie ganzen Hausgemeinschaften, heißt es vom Breitbandverband Anga, auch die Verwaltungskosten wären höher. Daher prognostizieren Wohnungsunternehmen den Mietern "deutlich höhere Kosten" von bis zu 200 Euro pro Jahr. "Fällt die Umlagefähigkeit weg, so steigen die Lebenshaltungskosten der Menschen", sagt Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses (Zia).

Besonders teuer könnte die Reform für Wohngeldberechtigte und Hartz-IV-Empfänger werden. Für sie übernimmt bislang die Sozialkasse die Anschlussgebühren, als Teil der Unterkunftskosten. Die Umlage abzuschaffen, wäre daher "in hohem Maße unsozial", kritisiert der Anga.

Gibt es denn keine Alternativen?

Doch. Neben Mediatheken und Streamingdiensten bleibt eine Satellitenschüssel samt entsprechendem Empfangsgerät als Alternative. Deren Anschaffung kostet allerdings zunächst. Eine weitere, vergleichsweise günstige Möglichkeit bietet das Antennenfernsehen (DVB-T2), freilich mit weniger Senderauswahl. Wer ohnehin Festnetz-Internet nutzt, etwa von der Deutschen Telekom, kann deren Internet-TV-Angebot aufsatteln. Die Zusatztarife beginnen bei fünf bis acht Euro monatlich.

Warum gibt es die Regelung überhaupt?

Die Umlagefähigkeit gibt es in Deutschland seit den Achtzigerjahren. So hatten Anbieter des damals neuen Kabelfernsehens einen Anreiz, ganze Mehrfamilienhäuser anzuschließen. Die Sammelverträge mit Wohnungsunternehmen laufen bis zu zehn Jahre lang. Daher können sich Telekommunikationsfirmen ziemlich sicher sein, dass sie ihre Investitionen zurückverdienen werden.

Allerdings ist die Regel nicht auf Kabel-TV beschränkt. Vermieter können beispielsweise auch die Kosten für einen Sat-TV-Anschluss umlegen - oder die Grundgebühren für einen Glasfaseranschluss bis ins Haus, über den Mieter dann auch fernsehen können. Im Wettbewerb um solche Verträge können sämtliche Infrastrukturanbieter gegeneinander antreten, erläutert Stephan Korehnke, Regulierungschef von Vodafone in Deutschland. "Wer sich auf alter Technik ausruht, verliert." So wichtig die Umlagefähigkeit früher für den Bau von Fernsehkabelnetzen gewesen sei, sagt Anga-Präsident Thomas Braun, "so wichtig ist sie heute für Glasfaser- und Gigabitnetze".

Das heißt, die Reform gefährdet den Glasfaserausbau?

Da gehen die Meinungen auseinander. Fest steht: Die schnellen Internetleitungen bis ins Haus oder bis in jede Wohnung zu legen, kostet mehrere Hundert Euro pro Anschluss. Da sind einige regionale Glasfaseranbieter froh, wenn sie ganze Mehrfamilienhäuser verkabeln können und dafür planbare Einnahmen erhalten. Richtig ausgestaltet, sei die Umlagefähigkeit also "kein Relikt der Vergangenheit", heißt es vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), sondern ein Motor für das schnelle Netz. Auch der Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas) spricht sich dafür aus, die bestehende Regel weiter zu erhalten.

Andererseits lässt sich über TV-Kabel nicht nur fernsehen, sondern längst auch surfen und telefonieren. Und wer die TV-Grundgebühr ohnehin mit seiner Miete zahlt, kann sich zumindest Anschlusskosten sparen, wenn er auch Internet und Telefon beim Kabelanbieter bucht - und eben nicht bei einem Glasfaseranbieter. "Das Nebenkostenprivileg ist eines der größten Hindernisse für den Glasfaserausbau", heißt es daher von der Telekom. Falle die Regel, würde der Ausbau der schnellen Leitungen bis in Häuser und Wohnungen attraktiver.

Welche Kompromisse wären denkbar?

Der Bundesverband Breko schlägt vor, TV-Kabelgebühren künftig nicht mehr umzulegen, aber die Regel für Glasfaseranschlüsse bis ins Haus zu belassen. Nicht unendlich, fordert der Verband, aber wenigstens "für einen Zeitraum, der dem Wert der Investitionen hinreichend Rechnung trägt". Das Problem ist aber, dass sich das geltende Recht absichtlich nicht auf einzelne Technologien beschränkt.

Ein anderer Kompromiss wäre, dass Vermieter die Anschlussgebühren immer nur einige Jahre lang umlegen dürften: Wer jahrelang nichts mehr erneuert, fiele dann aus der Regelung. Oder aber: Alle betroffenen Vermieter müssten ihre Mieter - einmalig oder mehrmals - entscheiden lassen, ob sie den gemeinsamen Hausanschluss weiterhin nutzen und auch mitbezahlen möchten. Oder ob sich künftig jeder selbst um seinen TV-Empfang kümmern möchte.

© SZ vom 12.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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