Haucap im Chat:Leere Stadien? "Fifa trägt Mitschuld"

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Wie kann die Monopolstellung der Fifa eingedämmt werden? Und wer ist gefährlicher: Apple oder Google? Der Chat mit Justus Haucap, Chef der Monopolkommission, im Wortlaut.

Wer sind die wahren Mächtigen in der Wirtschaft? Und wie lässt sich Übermacht brechen? Mit solchen Fragen beschäftigt sich Justus Haucap, Chef der Monopolkommission. Ganz gleich, ob es um den Einfluss der Fifa oder Schnapsideen der Regierung geht - er haut gerne drauf, wenn andere lieber schweigen. Haucap leitet seit August 2009 das Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und ist seit 2008 Chef der Monopolkommission.

Justus Haucap: "Das sog. Hospitality Management, das die FIFA an eine Firma vergeben hat, deren Mitinhaber Philippe Blatter - ein Neffe von Josef Blatter - ist, scheint sehr schlecht gemanagt worden zu sein. Übernachtungen wurden zu völlig überteuerten Preisen angeboten mit dem Erfolg, dass statt der erwarteten 450.000 Besucher nicht einmal mehr 300.000 erwartet werden." (Foto: Tim Brakemeier/dpa)

Der Chat mit Justus Haucap im Wortlaut:

Moderator: Guten Morgen Herr Haucap! Schön, dass Sie heute mit uns chatten.

Moderator: Gleich mal eine Frage von mir vorweg: Deutschland galt lange als ein Land mit einer ebenso verkrusteten wie verfilzten Wirtschaftsstruktur. Hat sich das Ihrer Ansicht nach geändert? Und: Gleicht die Machtverteilung in der deutschen Wirtschaft denen in den europäischen Nachbarländern, oder gibt es da große Unterschiede?

Justus_Haucap: Guten Morgen, das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite!

Justus_Haucap: Na, das sind ja gleich zwei Fragen. Ich würde die Wirtschaftsstruktur nicht als verfilzt bezeichnen. Aber davon abgesehen: Die sog. Deutschland AG, also die personelle Verflechtung zwischen Unternehmen sowie auch die kapitalmäßige Verflechtung scheint eher zurückzugehen, das hat zumindest die Monopolkommission in den vergangenen Jahren festgestellt. Wir beobachten ja die Verflechtung der 100 größten Unternehmen in Deutschland recht genau.

Moderator: Vergleichbar mit dem Rest Europas?

Justus_Haucap: Ach so, die zweite Frage: Bei einigen europäischen Nachbarländern wie z.B. Frankreich scheint die persönliche Verflechtung in der "Wirtschaftselite" und auch zwischen Wirtschaft und Politik viel stärker ausgeprägt zu sein als bei uns. Deutschland ist ja viel stärker durch mittelständische Unternehmen geprägt als durch Großunternehmen. Das ist aus meiner Sicht auch einer der Gründe für den wirtschaftlichen Erfolg. Großunternehmen werden leicht behäbig und träge.

Stephan1985: Als Student der Wirtschaftswissenschaften an der Ruhr Uni Bochum, der bei Ihnen auch die Klausur zur Mikroökonomie geschrieben hat, frage ich sie: Wie kann überhaupt die Monopolstellung der Fifa eingedämmt werden? Die Fifa hat ja sogar mehr Mitgliedsländer als die UN. Welche Institution hätte dazu die Macht?

Justus_Haucap: Ah, ich hoffe Sie haben damals bestanden und waren halbwegs zufrieden mit der Vorlesung, es waren ja über 1000 Studenten dabei....zu Ihrer Frage: In der Tat hat die FIFA ein Monopol. Aber es ist eine Art von "natürlichem" Monopol, die meisten Fans und Zuschauer wollen wohl lieber eine einzige Weltmeisterschaft mit EINEM Weltmeister als konkurrierende Verbände wie im Boxen oder beim Wrestling. Aber auch wenn ein Monopol mehr oder minder zwangsläufig ist, sollte es nicht unkontrolliert bleiben. In Europa z.B. hat die Europäische Kommission, die als Europäische Wettbewerbsbehörde fungiert, der UEFA schon Auflagen gemacht, was die Vermarktung von Fußballspielen (damals UEFA-Cup) angeht. Im Prinzip kann die Europäische Kommission auch gegen die FIFA vorgehen, wenn die ihre Macht zum Schaden europäischer Verbraucher ausnutzt. Das ist heute schon möglich, sofern die FIFA "unternehmerisch" handelt (woran aus meiner Sicht kein Zweifel besteht).

Moderator: Falls bestanden, dann auch von unserer Seite herzlichen Glückwunsch. Und die nächste Frage, nochmals zum Thema Fifa.

dierussenkommen: Die meisten Stadien in Südafrika sind nicht ausverkauft. Wie viel Schuld hat Ihrer Meinung nach die Fifa daran?

Justus_Haucap: Daran trägt die FIFA auch eine Mitschuld. Das sog. Hospitality Management, das die FIFA an eine Firma vergeben hat, deren Mitinhaber Philippe Blatter - ein Neffe von Josef Blatter - ist, scheint sehr schlecht gemanagt worden zu sein. Übernachtungen wurden zu völlig überteuerten Preisen angeboten mit dem Erfolg, dass statt der erwarteten 450.000 Besucher nicht einmal mehr 300.000 erwartet werden. Weniger Touristen heißt dann auch weniger Tickets und weniger volle Stadien.

dierussenkommen: Noch eine Frage zum Fußball und zur Fifa: Wenn es darum geht, eine WM ins eigene Land zu bekommen, sind nationale Regierungen schnell zu Zugeständnissen bereit (bspw. Steuerbefreiung vor der WM 2006). Sind also nationale Staaten nicht auch Mitschuld am großen Einfluss der Fifa?

Justus_Haucap: Noch etwas dazu: Man könnte - gerade in Südafrika - jetzt auch mehr Tickets an bedürftige Personen abgeben, das läge in der Hand der FIFA, dann würde man diesen Menschen eine Freude machen und die Stadien wären voll. Die FIFA guckt aber als Monopolist zu sehr auf den geschäftlichen Erfolg.

Moderator: Das ist die Frage zur möglichen Mitschuld der Staaten noch dazwischengekommen

Justus_Haucap: Zu der zweiten Frage: Ja, die Staaten sind auch mitschuldig. In der Ökonomie spricht man bei manchen "Auktionen" vom "Fluch des Gewinnens". Derjenig gewinnt eine Ausscheibung oder einen Wettbewerb, der den Nutzen am meisten überschätzt. Um das Monopol der FIFA zu mildern, könnten sich z.B. die europäischen Staaten vorher absprechen (also eine Art Gegenkartell bilden), sodass nur einer sich bewirbt, wenn die WM wieder in Europa stattfinden soll. Dann könnte auf Augenhöhe verhandelt werden.

Stephan1985: Ja, ich habe damals die Klausur bestanden :-) Durch die Videoaufzeichnung auf DVD, konnte man sich ja optimal vorbereiten. Dass die Fifa unternehmerisch handelt steht für mich auper Frage. Der lokale heimatverein, bei dem ich gleich Deutschland gucken werde, hätte bei öffentlicher Werbung für die Übertragung in einer Scheune mit maximal 50 Zuschauern Gebühren an die Fifa zahlen müssen. Wenn die Fifa so tiefgehende Kontrollmöglichkeiten hat, geht das meiner Meinung nach zu weit. Sollte sich dann ein Heimatverein bei der EU Kommission beschweren oder wie könnte man sich wehren?

Justus_Haucap: Nochmal eine Nachbemerkung zu @dierussenkommen: Ich finde es auch bedenklich, dass ein Staat wie Südafrika über 3 Mrd. $ in infrastruktur investiert, die nur begrentz später nutzbar ist, während die FIFA einen Gewinn von 2 Mrd. $ erwartet.

Justus_Haucap: @Stephan1985: Dann bin ich beruhigt....Ihr Verein könnte sich in der Tat bei der Europäischen Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, oder beim Bundeskartellamt beschweren.

Solitaire100: Es wird immer wieder behauptet, dass massenweise Korruption in den Vorstandsetagen der Fifa herrscht. Wie hat Blatter das organisiert, dass praktisch keine Aufklärung erfolgt?

Justus_Haucap: Das weiß ich auch nicht so genau, aber die FIFA verteilt natürlich viel Geld, gerade auch an die kleinen Mitgliedsverbände, die Josef Blatter sicher sehr dankbar sind und diese Dankbarkeit auch zeigen werden.....

Moderator: Jetzt kommen wir mal zu einer anderen Branche: Software

triptrap: Wenn ich an Macht in der Wirtschaft denke, fiel mir früher Microsoft ein. Mittlerweile macht Microsoft keinem mehr Angst. Hat sich der Monopolist Microsoft selbst erledigt?

Justus_Haucap: Die Software-Branche ist in der Tat zum einen sehr dynamisch, sodass immer wieder neue Unternehmen mit guten Ideen kommen. Zum anderen gibt es die Besonderheit von Open-Source, also entgeltfrei angebotene Produkte. Und letztlich konkurriert Microsoft ja auch gegen sich selbst, nämlich gegen die alten Versionen - ich muss ja nicht sofort jedes Upgrade kaufen. Die Marktmacht von Microsoft scheint in der Tat abzunehmen, dann kommt ggf. der nächste Monopolist, aber oft sind diese Monopole nur temporär und verschwinden dann wieder.

triptrap: Wer bereitet Ihnen als möglicher Monopolist mehr Sorge - Google oder Apple?

Justus_Haucap: Momentan noch Google, aber auch da bin ich mir nicht sicher, von welcher Dauer die Dominanz sein wird. Es gabt auch mal yahoo! und altavista als Suchmaschinen, jetzt versucht es Microsof mit bing. Das ganze Internet und die Software-Märkte sind doch sehr dynamisch und ändern sich schnell, da bin ich skeptisch, was eine staatliche Regulierung o.ä. angeht, die wie der Hase den Igeln hinterherläuft - immer einen Schritt zu spät

Andreas_Wiese: Lieber Herr Haucap, wie würde der Markt aussehen, würde es keine Monopolkommission geben? Würden viele Bereiche tatsächlich monopolisiert werden oder würden der Markt das selber regulieren?

Justus_Haucap: Die Monopolkommission selbst berät ja zunächst einmal nur die Bundesregierung und den Bundestag, wir können also Monopole nicht selbst "knacken". Viele unserer Anregungen werden aber aufgegriffen - sei es der Vorschlag, in Deutschland endlich einen Fernlinienbusverkehr zuzulassen oder zahlreiche Detailvorschläge, wie wir zu mehr Wettbewerb in der Energiewirtschaft kommen, die sich jetzt auch im Koalitionsvertrag wiederfinden und hoffentlich bald umgesetzt werden. Ohne Bundeskartellamt und Europäische Wettbewerbsaufsicht würden doch viele Kartelle und Monopolstellungen viel länger analten als jetzt. Manchmal regelt der Markt das selbst, aber längst nicht immer. Ein Kartell deutscher Stromkabelhersteller z.B. hat fast 100 Jahre gehalten, das ist schon ziemlich lange - vielleicht hätte der Markt das auch irgendwann selbst geregelt, aber wann? nach 200 Jahen?

waidmannstochter: Lieber Herr Haucap, sie lieben einfache Vergleiche wie den der Abwrackprämie mit dem Taschengeld ihrer Kinder. Wären die Deutschen weniger politikmüde, wenn Politiker so deutlich reden würden wie Sie? Oder machen Sie es sich ein bisschen zu einfach?

Justus_Haucap: Manchmal muss man - gerade in den Medien - etwas zuspitzen, um eine Botschaft erst einmal prinzipiell zu transportieren. Wenn Sie dann aber die Gutachten der Monopolkommission lesen, werden Sie sehen, dass wir dort sehr, sehr viel differenzierter argumentieren und Pro und Contra, Kosten und Nutzen, sehr viel "akademischer" abwägen. Eine differenzierte Betrachtungsweise lässt sich oft zunächst schwer transportieren, ist aber ganz wichtig, wenn es wirklich daran geht, Gesetze, Verordnungen etc. in den Fachgremien (z.B. den Ausschüssen des Bundestages) zu diskutieren. Die Zuspitzung hilft jedoch, die Aufmerksamkeit erst einmal auf ein Thema zu lenken. (denke ich).

bluemerant: Was mich immer wieder aufregt: An den Tankstellen werden die Preise nach Belieben gesetzt. Teilweise schwanken die Preise an einem Tag um fünf Cent. Das ist doch Gutsherrenart. Was können Sie dagegen tun?

Justus_Haucap: @waidmannstochter: PS: ich bin mir gar nicht sicher, ob die Deutschen politikmüde sind oder nur politikermüde bzw parteienmüde. Politik an sich scheint viele zu interessieren, auch viele Nichtwähler.

Justus_Haucap: @bluemerant: Das Bundeskartellamt führt momentan eine sehr groß angelegte Sektoruntersuchung des deutschen Minerölmarktes durch. Im Mai 2009 ist dazu ein Zwischenbericht vorgelegt worden, der endgültige Bericht müsste auch bald kommen. Wenn dort Absprachen o.ä. nachgewiesen werden können, kann das Kartellamt dagegen vorgehen. Aber solche Absprachen müssen in einem Rechtsstaat natürlich - zurecht - bewiesen werden. Der Bundeswirtschaftsminister möchte ja zudem die Möglichkeit schaffen, Unternehmen entflechten zu können, also durch das Aufbrechen von Monopolen und Oligopolen für mehr Wettbewerb zu sorgen. Die Monopolkommission begrüßt dieses Vorhaben. Das könnte dann - ganz prinzipiell - auch auf Tankstellenketten angewendet werden.

kitekat: Ich will nochmals auf Apple kommen: Der Konzern baut sich eine so ungeheuerer Machtbasis auf und wie von Sinnen kaufen die Leute Apple-Produkte. Gibt es Beispiele in der Geschichte, wie solche Konzerne an ihrer eigenen Arroganz und Selbstüberschätzung scheitern. Mal abgesehen von Microsoft.

Justus_Haucap: Ja, IBM war auch so ein Beispiel. Es gab in den USA sehr ernsthafte Bestrebungen, das Unternehmen zu entflechten, war dann aber nicht mehr nötig, da es bei Großrechnern und PCs ja inzwischen doch Wettbewerb gibt. Auch Xerox bei Kopiergeräten und Kodak bei Filmen hatten mal sehr starke Marktstellungen, sind aber von der technologischen Entwicklung doch mehr oder minder überholt worden.

Moderator: Es gibt noch weitere Fragen von Lesern, doch wir wollen die Zeit auf eine Stunde begrenzen. Darum hier die letzte Frage.

stellal: Lieber Herr Haucap, wieso brauchen wir 200 Krankenkassen mit nahezu identischen Leistungen bei nahezu gleichen Beitragssätzen? Ist das nicht wettbewerbswidrig? Kann es auf dem Gesundheitsmarkt überhaupt einen Wettbewerb geben?

Justus_Haucap: Eine Nachbemerkung noch an @kitekat: Gegen alle diese Unternehmen haben auch die Kartellbehörden ermittelt und bestimmte Verhaltensweisen abgestellt.

Justus_Haucap: @stellal: Auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung könnte es Wettbewerb geben, aber unter den momentanen Rahmenbedingungen geht das kaum. Man müsste den Versicherten selbst mehr Wahlmöglichkeiten geben, welche Leistungen (die über die "Grundversorgung" hinausgehen) sie wirklich beziehen (und indirekt bezahlen) wollen. Die Monopolkommission befasst sich übrigens momentan mit diesem Thema und wird dazu auch noch in diesem Jahr Vorschläge unterbreiten, wie man auch bei den Gesetzlichen Krankenkassen Wettbewerb ermöglichen kann ohne das Solidaritätsprinzip über Bord zu werfen. In anderen Bereichen gibt es im Übrigen zum Teil schon intensiven Wettbewerb z.B. in manchen Bereichen des Krankenhausmarktes.

Moderator: Weil bluemerant noch eine Frage zu einer Antwort hatte, schieben wir die noch nach.

bluemerant: Reicht es denn überhaupt noch, die Beweislast beim Staat und bei den Konsumenten zu lassen? Das heißt doch nur, dass Mineralökonzerne trickreich genug sein müssen, ihre Absprachen ordentlich zu verstecken. Und: was ist ein Beweis? So dumm, Schrifststücke über Illegales auszutauschen, werden die ja nicht sein. Hat der Staat den überhaupt genug Mittel, um Beweise zu finden?

Justus_Haucap: Die Kartellbekämpfung ist seit 2005 ziemlich erfolgreich. Seit dem gibt es z.B. einen Kronzeugenregel - das Unternehmen, das zuerst aussteiegt und dem Kartellamt Beweise für Kartellrechtsverstöße liefert oder zur Aufklärung wesentlich beiträgt, geht straffrei aus. Dadurch will dann jeder lieber der erste sein, der aus einem Kartell ausstiegt, denn die Strafbefreiung gibt es nur für den ersten, für den zweiten schon nicht mehr. Das zeigt mittlerweile große Wirkung. Auch hat das Kartellamt seit 2005 massiv ausfgerüstet und eine zweite Beschlusskammer eingerichtet, die sich nur mit Kartellen befasst und eine Sonderkommission Kartellbekämpfung eingerichtet. Natürlich kann man nie 100% der Kartelle entdecken, aber gerade in jüngster Zeit hat sich da viel getan. Zudem hat man die Bußgelder drastisch erhöht, um die abschreckende Wirkung zu erhöhen. In den Niederlanden und den USA gibt es darüber hinaus sogar Haftstrafen für die verantwortlichen Manager bei besonders schlimmen Fällen (den sog. "Hardcore-Kartellen"). Darüber kann man bei uns sicher auch noch nachdenken.

Moderator: Lieber Herr Haucap. Vielen Dank. Ein schwierigeres Thema, trotzdem gute Fragen. Wir hoffen, wir hören noch viel von Ihnen.

Justus_Haucap: Vielen Dank für die spannenden Fragen, die Gutachten der Monopolkommission sind übrigens öffentlich unter www.monopolkommission.de abrufbar. Viel Spaß beim Fußballspiel gleich (mein Tipp: 2:1 für unsere Jungs) und ein schönes Wochenende.

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