Jürgen Schrempp:Der Harte mit dem Adlerblick

Lesezeit: 2 min

Der DaimlerChrysler-Chef duldet keine Kritik.

Von Dagmar Deckstein

Kaum dass er 1995 Einzug gehalten hatte in Bullshit Castle, wie er früher als Chef der Konzerntochter Dasa die Zentrale in Stuttgart-Möhringen gerne zu etikettieren pflegte, nahm der neue Hausherr Jürgen Schrempp erneut kein Blatt vor den Mund: "Daimler braucht mich mehr, als ich Daimler brauche", wies er Kritiker seines neuen Kurses zurecht.

Das sagte ausgerechnet einer, der schon in den späten fünfziger Jahren als Lehrling "beim Daimler" begonnen hatte und seit 1967 die Karriereleiter im Konzern ständig nach oben geklettert war. Gegenüber Herbert Riehl-Heyse, der vor einem Jahr gestorben ist, hatte Schrempp 1996 bedauert, dass ihm dieser Satz entwischt sei.

Und Riehl-Heyse hatte damals auf der Seite Drei der Süddeutschen Zeitung geschrieben: "Möglicherweise ist die Reue ja nicht einmal nur gespielt, weil es ja auch mit Schrempp so ist wie oft mit den Erfolgsverwöhnten. Solche Leute möchten gerne alles gleichzeitig sein, Haudegen und Herr, Troupier und Menschenfreund, Respektsperson und Kumpel."

Das trifft zweifellos auf den Steuermann des Global Player DaimlerChrysler zu, der allen Widersprüchlichkeiten des Manageralltags ausgesetzt ist und damit leben muss, dass ihn zum Beispiel das US-Magazin Business Week vor fünf Jahren zum "Manager des Jahres" kürte und ihn kürzlich erst zum schlechtesten Manager des Jahres 2003 niederschrieb.

Ob mal oben oder mal unten, selbst Kritiker erkennen neidlos an, dass Schrempp den Konzern fest im Griff hat: Vorstand, Führungskräfte und Aufsichtsrat, mit dessen Vorsitzendem, seinem Duzfreund Hilmar Kopper, der DaimlerChrysler-Chef seine Globalisierungsstrategie in eingeschworenem Teamwork vorantreibt. Beide sind vom gleichen Typus des hemdsärmeligen Machers, und so lange Kopper Chef seines Kontrollorgans ist, muss Schrempp um seine Macht nicht bange sein.

"Unerbittlicher Perfektionist"

Bei aller Robustheit gibt Schrempp aber nicht den Kumpel. "Er ist ein Perfektionist und unerbittlich", lässt sich einer seiner Mit-Manager über den Chef aus, in Diskussionen sei er impulsiv, direkt und brutal.

Im Vorstand bestimmen nicht Mehrheiten, sondern der Vorsitzende: "Es wird diskutiert, aber zum Schluss macht Schrempp den Sack zu." Den Chef von einer einmal getroffenen Entscheidung abzubringen, sei nahezu unmöglich.

In seinen mehr als 30 Daimler-Jahren hat sich Schrempp ein riesiges Netzwerk an persönlichen Kontakten geschaffen, über die er oft auch an den Bereichsvorständen vorbei Fakten und Informationen herausfiltert.

Mit diesem Herrschaftswissen lässt sich hervorragend Druck auf die Verantwortlichen ausüben. Nicht von ungefähr ist es Schrempp gelungen, nach und nach Widersacher im Management zum Abgang zu bewegen und einen ihm ergebenem Führungsnachwuchs zu installieren.

Seine allerengste Vertraute und langjährige Assistentin Lydia Deininger hat er nicht nur auf die Topebene "E2" gehievt, sondern nach der Scheidung von seiner Frau Renate vor vier Jahren kurz darauf geheiratet.

Unvergessen für das wirtschaftlich weniger interessierte Publikum bleibt Lydia Deiningers 30.Geburtstag vor sieben Jahren in Rom, als sie, Schrempp und dessen oberster Öffentlichkeitsarbeiter Hartmut Schick nächtens auf der spanischen Treppe von Polizisten nach dem Woher und Wohin gefragt wurden, worauf es zu lautstärkeren Auseinandersetzungen gekommen sein soll.

Kritik schätzt der Konzernherr weder von Großen noch von Kleinen. Die ehemalige Frau seines älteren Bruders Günter, Gerlinde Schrempp, sagt: "Jürgen besitzt einen brutalen Adlerblick: Den bekommt er dann, wenn ihn jemand kritisiert."

Damals, 1989, hatte er ihn bei der Goldenen Hochzeit seiner Eltern im Gasthaus Löwen in Freiburg bekommen, als er Volkslieder zum Besten gab und ihm die Musiker der Kapelle wegen allzu schräger Intonierung das Mikrophon wegnahmen.

© SZ vom 24.04.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: