Josef Ackermann:Der mysteriöse Banker

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Der Chef der Deutschen Bank gibt Beobachtern immer noch Rätsel auf.

Von Lothar Gries

Die schlimmste Zeit ist für Josef Ackermann nun vorbei. Ein gutes halbes Jahr lang musste der Chef der Deutschen Bank an zwei Tagen pro Woche nach Düsseldorf reisen, wo er wegen Verdachts auf schwere Untreue auf der Anklagebank saß.

Nachdem er dort zunächst die Öffentlichkeit schockierte, in dem er sich im Verhandlungssaal mit einem Victory-Zeichen ablichten ließ und Sätze sagte wie diesen: "Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen", gibt sich Ackermann inzwischen deutlich konzilianter, ja geradezu deutschfreundlich.

Lob auf die Tradition

Natürlich stehe das Land noch vor großen Herausforderungen, sagte er vor kurzem, doch gebe es in Deutschland hoch qualifizierte Beschäftigte und eine ausgezeichnete Infrastruktur. Das Bildungssystem funktioniere und das Land sei stabil.

Vielleicht sind diese Äußerungen nur Teil einer breit angelegten PR-Strategie, um das arg ramponierte Image des Bankers wieder aufzupolieren. Seinen Beobachtern gibt Ackermann immer wieder Rätsel auf.

Woran der 56jährige Schweizer glaubt und - vor allem - wohin er die Deutsche Bank steuern will, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Vielleicht werden die nächsten Wochen, wenn sich der Banker nach Abschluss des Verfahrens in Düsseldorf wieder mehr seinem eigentlichen Auftrag widmen kann, darüber Aufschluss geben.

Bei den wenigen öffentlichen Auftritten hat Ackermann gern auf die Bedeutung des Bankgeschäfts in Deutschland verwiesen. "Das Geschäft in Deutschland ist eine der tragenden Säulen unseres Konzerns, hier haben wir unsere Wurzeln", beruhigte er die überwiegend deutschen Privatanleger auf der letzten Hauptversammlung im Juni.

Ein Ausverkauf der Deutschen Bank ins Ausland, so die Botschaft, stehe nicht auf dem Programm. Dass die Aktien der Deutschen Bank mehrheitlich längst im Besitz ausländischer Investoren sind, verschweigt der Konzern jedoch auch nicht.

Jüngst hatte Ackermann auch jene überrascht, die ihn für einen Bewunderer der Angelsachsen und ihres liberalen Wirtschaftssystems hielten. Zwar hat er die Führungsspitze des Geldhauses nach amerikanischem Vorbild umgebaut und agiert quasi als allmächtiger Chief Executive Officer.

Als Vorbild für marktwirtschaftliche Verhältnisse dient Ackermann das angelsächsische Modell aber offenbar nicht. Es sei "mit unserer Tradition und auch mit unserer Geschichte nur bedingt vereinbar", sagte er Anfang Juli dem verdutzten Berliner Tagesspiegel.

Unternehmer, Politiker und Wissenschaftler sollten beginnen, "einen europäischen Weg in der Weltwirtschaft zu entwickeln". Wie der aussehen könnte, sagte Ackermann freilich nicht. Der Banker will sich aber künftig mehr Zeit nehmen, um gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Fragen zu erörtern.

Entscheidungen sind wohl auch bei der Deutschen Bank zu erwarten. Der Umbau des Geldhauses ist inzwischen zwar weitgehend abgeschlossen. Auch die Ertragskrise hat die Bank unter Ackermanns Führung überwunden. Doch ein nationaler Champion ist das Institut noch nicht.

Zwar ist das Institut die mit Abstand größte Bank in Deutschland, doch mangelt es ihm im Privatkundengeschäft noch ganz erheblich an Größe. Ackermann hat deshalb den Ausbau des Privatkundensegments zu seinem vordringlichen strategischen Ziel erklärt. Ob dies auch ohne Zukäufe erreichbar sein wird, bleibt abzuwarten. Vorerst steht das Wachstum aus eigener Kraft im Vordergrund der Überlegungen.

© SZ vom 20.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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