Jahresgutachten:Schröder will 2005 Stabilitätspakt wieder einhalten

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Der Sachverständigenrat geht davon aus, dass Deutschland 2005 erneut die EU-Defizitgrenze nicht einhalten kann. Bundeskanzler Schröder ist da zuversichtlicher.

Die so genannten "Fünf Weisen" überreichten am Mittwoch Bundeskanzler Gerhard Schröder ihr gut 850 Seiten starkes Jahresgutachten. Darin loben sie Schröders Bemühungen zur Modernisierung Deutschlands.

Gleichzeitig fordern die Wirtschaftsweisen aber weitere drastische Reformen im Sozial-, Bildungs- und Steuersystem. Für Deutschland erwartet der Sachverständigenrat dieses Jahr 1,8 Prozent Wachstum, im nächsten 1,4 Prozent.

Kein Krisenszenario

Dies sei "kein Abschwung" und "auf keinen Fall" der Beginn einer neuen Stagnation, sagte der Gremiumsvorsitzende Wolfgang Wiegard. Er verwies auf die unterschiedlichen Arbeitstage in beiden Jahren. Werde dieser Effekt herausgerechnet, betrage das Konjunkturplus 1,3 beziehungsweise 1,6 Prozent.

Die Gefahren - der Ölpreis und der hohe Euro-Kurs - seien so gering, dass auf ein Krisenszenario verzichtet worden sei. Schröder nannte es "richtig und wichtig", nicht von einer Wachstumsschwäche zu sprechen.

Als Besorgnis erregend bezeichneten die Wirtschaftsweisen die Lage der öffentlichen Finanzen. Deutschland werde wohl den EU-Stabilitätspakt 2005 das vierte Jahr in Folge brechen. Sie bezifferten das Staatsdefizit auf 3,5 Prozent - erlaubt sind 3,0 Prozent.

Wiegard gestand aber ein, dass Eichels jüngstes Sparpaket in der Berechnung nicht enthalten sei. Die Defizitvorgabe könne geschafft werden. Die Regierung müsse alles tun, die Vorgaben zu halten. Schröder sagte dies zu, erklärte aber, "es wird nicht einfach sein".

Der Bund werde aber für 2005 einen Haushalt vorlegen, mit dem sowohl das Verfassungsgebot von mehr Investitionen als Neuschulden als auch die Defizitgrenze in Europa von maximal drei Prozent BIP eingehalten werde.

Wichtig sei aber, dass der Bund nur gemeinsam mit den Ländern handeln könne. Da gebe es bislang Probleme, etwa bei Abbau von Steuersubventionen, wegen der Zustimmungsnotwendigkeit des unionsgeführten Bundesrates. "Das kann, wie ich glaube, nicht so bleiben".

Wiegard forderte einen nationalen Stabilitätspakt, der eine Beteiligung der Länder an Sanktionszahlungen an die EU beinhalte. Die Länder müssten beim Subventionsabbau mitmachen.

Zudem sollten die neuen Ländern Geld aus dem Solidarpakt II zur Schuldentilgung nutzen. Bis zu 70 Prozent der Milliarden für den Aufbau Ost würden nicht für den gedachten Zweck eingesetzt.

"Sehr einverstanden"

Schröder erklärte sich mit "vielen Feststellungen" der Gutachter "sehr einverstanden". Mit der Kritik "müssen und können wir uns auseinander setzen".

Er begrüßte, dass der Rat in seinem Bericht "erstmals den institutionellen Rahmen" berücksichtige, in dem sich die Regierung bewege. Die Blockadehaltung der Union im Bundesrat beim Subventionsabbau "kann nicht so bleiben".

Die Arbeitslosenzahl wird dem Gutachten zufolge im Winter auf über fünf Millionen steigen. Da dies auf statistischen Effekten basiere, könne keinesfalls von einer Verschärfung der Lage gesprochen werden.

Die Wirtschaftsweisen lobten die rot-grüne Arbeitsmarktreform als "mutig und zielführend". Sie rieten von Mindestlöhnen ab und schlugen alternativ eine Regelung vor, die ein bestimmtes Einkommen sichert.

Beim Umbau der Finanzierung des Gesundheitswesens lehnen die Experten sowohl das Unionsmodell als auch die von Rot-Grün geforderte Bürgerversicherung ab. Sie plädieren für einen Mix aus beiden Konzepten ("Bürgerpauschale").

Bei einer Steuerreform "kommt es nicht darauf an, dass die Steuererklärung auf einen Bierdeckel passt", sagte Wiegard. Entscheidend sei eine vernünftige Unternehmensbesteuerung.

Im Bildungssystem fordern die Wirtschaftsweisen mehr Geld für Kindergärten und Schulen zu Lasten der Hochschulen, die zum Teil aus Studiengebühren finanziert werden sollen.

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