Italien-Urlaub:Kanzler gilt nicht als höhere Gewalt

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Wer dem Vorbild Gerhard Schröders nacheifern möchte und den Italien-Urlaub storniert, muss damit rechnen, Stornogebühren zu bezahlen.

S. Haas/U. Sauer

(SZ vom 12.7.2003) — "Als Kanzler Kohl Urlaub am Wolfgangsee machte, da hat es dort keinen Massentourismus gegeben." Die Ironie des Sprechers des deutschen Reiseverbandes DRV trifft die Stimmung der deutschen Touristik-Manager ziemlich genau.

Sie rechnen umgekehrt nicht damit, dass die Deutschen dem jüngsten Beispiel ihres Bundeskanzlers folgen. Gerhard Schröder hat seinen Urlaub in Italien storniert, weil sich der italienische Staatssekretär für Tourismus abfällig über deutsche Feriengäste geäußert hat.

"Wer nun auch storniert, muss Stornogebühren zahlen, denn es handelt sich nicht um höhere Gewalt, wenn der Kanzler zuhause bleibt", schmunzelt der Sprecher.

Die Deutschen sind die wichtigsten Kunden der italienischen Tourismusindustrie. Im vorigen Jahr bereisten nach Angaben des italienischen Touristikverbands Enit 9,6 Millionen Deutsche das Land. In diesem Jahr rechnet Enit wegen der schlechten Konjunktur und der Branchenkrise mit einem Rückgang um fünf Prozent.

Auch die deutschen Reiseveranstalter TUI, Thomas Cook und das Deutsche Reisebüro melden Rückgänge. Sie begründen dies mit den hohen Preisen, im Vergleich zu anderen Urlaubsländern, so etwa Bulgarien.

Allerdings ist die Bedeutung der Italienurlauber für die Reiseveranstalter gering: Marktführer TUI macht im Sommer fünf Prozent seines Umsatzes mit deutschen Urlaubern in Italien, 40 bis 50 Prozent des Umsatzes ist das Pendant für Spanien. Dies erklärt sich damit, dass 65 bis 70 Prozent der deutschen Italienurlauber individuell, also ohne Veranstalter, reisen.

Nach Italien für 19 Euro

Derzeit jagt eine Marketing-Aktion die nächste. Unter dem Motto "Der Kanzler bleibt zuhause, Deutschland fliegt nach Italien" bietet die Fluggesellschaft Germanwings in einer 24-Stunden-Aktion 19.000 zusätzliche Flüge ab 19 Euro an im Internet an.

Die Aktion beginnt in der Nacht zum Sonntag um 23.59 Uhr. Die Bürger aus dem traditionsverbundenen Siena wurden am Freitag von der Hotelierlobby aufgerufen, deutsche Fahnen zum Zeichen der Freundschaft aus den Fenstern zu hängen. Vicenza, der Heimatort von Staatssekretär Stefani, will die Urlauber sogar mit Blumensträußen und Weinflaschen empfangen.

Die Tourismusbranche vom Gardasee bis zum Ätna bangt um ihre Kunden. Die Confturismo Veneto verlangt die Ablösung Stefanis. Die Region Marken, wo Kanzler Schröder ursprünglich in Pesaro Urlaub machen wollte, will die Regierung auffordern, den Krisenzustand für die Adria-Region auszurufen.

Die Provinz Pesaro verlangt von Rom bereits Schadensersatz. In den italienischen Urlaubsorten gibt es Krisensitzungen zuhauf. Im Adria-Badeort Bibione, in Venetien, sind die Hoteliers tief besorgt. Im Juni war die Präsenz deutscher Touristen — ganz entgegen dem negativen Trend — noch um 56 Prozent nach oben geschnellt.

Und nun diese Deutschen-Schmähungen des römischen Staatssekretärs. Noch hat keiner der Hoteliers eine Absage vermeldet. Nur ein paar ironische Briefe von Stammgästen waren in den Gasthäusern eingegangen mit dem Tenor: "Nehmt ihr mich denn noch auf?" Messbare Schäden sind auch aus der ganzen Region, die im vergangenen Jahr von zwei Millionen Deutschen besucht wurde, noch nicht bekannt. Doch für die zweite Hälfte des Sommers rechnet man mit dem Schlimmsten.

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