Investor:"Die besseren Entertainer"

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Warum deutsche Gründer nicht groß genug denken und was es mit hoch bewerteten Start-ups auf sich hat, erklärt Christian Miele.

Interview von Elisabeth Dostert

SZ: Herr Miele: Welchen ersten Satz darf ein Gründer beim ersten Treffen nie sagen, wenn er von Eventures Geld haben will?

Christian Miele: Sorry für die Verspätung.

Sie legen Wert auf traditionelle Tugenden wie Pünktlichkeit?

Ich finde Pünktlichkeit großartig. Viele der guten deutschen mittelständischen Werte sind für Gründer wichtig. Ehrlichkeit, Bodenhaftung und Pünktlichkeit sind tolle Werte, die ich jedem Gründer wünsche.

Wie viele von zehn Gründern erfüllen Ihre Wünsche?

Immer mehr. Die Gründer werden professioneller, auch weil in den Medien immer stärker über Gründer, Kapitalgeber und Unternehmertum berichtet wird.

Die Träumer sterben aus!

Träumen ist etwas Schönes.

Dürfen Gründer heute noch träumen?

Ehrlichkeit, Bodenhaftung und Pünktlichkeit schließen Träumen nicht aus. Gründer müssen groß denken können. Das fehlt den Deutschen häufig. Das haben die Amis uns voraus.

Sind die deutschen Gründer zu ängstlich oder zu bescheiden?

Angst und Bescheidenheit sind vielleicht zwei Gründe, weshalb deutsche Gründer ihre Firma oft zu früh verkaufen. Als Facebook für 200 Millionen Dollar übernommen werden sollte, hat Mark Zuckerberg Nein gesagt. Er dachte eben sehr groß. Diesen Mut möchte ich öfters auch bei deutschen Gründern sehen. Aber diese Art groß zu denken, ist nicht typisch deutsch.

Wie meinen Sie das?

Die Deutschen können schon groß denken, das sieht man ja im Mittelstand, aber sehr, sehr groß zu denken, so gigantisch zu denken wie Gründer in den USA, das liegt uns nicht. Das heißt nicht, dass ich das amerikanische Modell generell für das bessere halte. Die Amis sind im Zweifelsfall die besseren Entertainer, die Deutschen zurückhaltender und bodenständig. Das ideale Modell liegt irgendwo in der Mitte.

Gibt es eine Altersgrenze für Gründer, denen Sie Geld geben?

Nein, Gründer kann jeder sein.

Wie oft darf ein Gründer scheitern?

Auch da gibt es keine Grenze. Scheitern ist nichts Schlimmes. Das darf kein Stigma sein. In Deutschland ist das leider immer noch so.

Welche Renditeerwartungen haben Ihre Investoren?

Genaue Zahlen veröffentlichen wir nicht. Was ich sagen kann, ist, dass wir unseren Investoren über nunmehr bald zwei Jahrzehnte und fünf Fondsgenerationen mehrere hundert Prozent des investierten Kapitals zurückgebracht haben.

Was ist das bislang erfolgreichste Investment von Eventures?

Da gibt es einige. Das Rabatt-Portal Groupon, das Lautsprechersystem Sonos und Fartech gehören sicher dazu. Fartech ist ein Online-Marktplatz für Designerartikel und eher in Großbritannien bekannt. Alle drei genannten sind sogenannte Unicorns, also Start-ups mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Eventures mal ein Super-Einhorn wie Facebook entdeckt?

Mein Team und ich schauen uns jedes Jahr viele tausend Start-ups an. Davon bekommen pro Jahr im Schnitt sechs Firmen Geld von uns. Eine Milliardenbewertung bekommen ganz, ganz wenige. Aber das darf auch gar nicht die Denkweise sein. Ich halte es für ungesund, immer nur auf die hohe Bewertung zu starren. Der Maßstab für den Erfolg darf nicht sein, möglichst schnell eine Milliardenbewertung zu bekommen und die Firma künstlich mit Risikokapital aufzublasen. Wichtig ist es, möglichst schnell positive Deckungsbeiträge zu erwirtschaften, also an jedem Produkt etwas zu verdienen. Jede Bestellung muss profitabel sein. Und dann kommt auch die Milliardenbewertung. Vielleicht.

2013 haben Sie den Eintrittskarten-Vermarkter Todaytickets mitgegründet; Anfang 2015 haben Sie ihn schon wieder verkauft - an den spanischen Wettbewerber Ticketea. Waren Sie auch zu ängstlich?

Nein. Aber heute bin ich mit all meiner Erfahrung ein besserer Investor, als ich ein Unternehmer wäre.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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