Internetversorgung:Aufrüstung im Netz

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Kupferdraht oder Glasfaser? Deutschland streitet über sein Netz und droht dabei, die Internetversorgung eher zu blockieren.

Von Varinia Bernau und Guido Bohsem, Berlin/München

Die Bundesnetzagentur hat es sich nicht leicht gemacht: Es ging ja nicht nur um die Frage, wie segensreich Wettbewerb beim Netzausbau wirklich ist. Es ging auch um die Frage, welches die beste Technologie für eine Zukunft ist, in der die Menschen nicht mehr nur im Internet surfen, sondern eben auch auf digitale Gesundheitsdienste, selbstfahrende Autos oder Filme über das Netz zugreifen - und deshalb immer größere Datenmengen durchgeschleust werden müssen.

Am Ende steht nun ein Kompromiss. Und wie das so ist bei Kompromissen: Glücklich ist am Ende niemand. Schon gar nicht die Deutsche Telekom, die am meisten auf diese Entscheidung gesetzt hatte.

Am Montag machte die Bundesnetzagentur den Weg dafür frei, dass der Bonner Konzern seine alten Kupferkabel aufrüsten kann. Mit Hilfe der sogenannten Vectoring-Technologie können die Anschlüsse auf eine Download-Geschwindigkeit von 100 Megabit pro Sekunde (MBit/s) beschleunigt werden. Doch die dazu notwendige Hoheit über wichtige Verteilstationen im Netz gesteht die Behörde der Telekom nicht ausnahmslos zu. Konkurrenten, die Anfang des Monats sogar in einem Brandbrief an das Bundeskanzleramt vor einer Re-Monopolisierung gewarnt hatten, können den Ausbau selbst in die Hand nehmen und Vectoring einsetzen. Dafür müssen sie sich aber bei der Erschließung des Gebietes bereits flächendeckender als die Telekom engagiert haben.

Mit der Vectoring-Technologie lassen sich die in den Sechzigerjahren verlegten Kupferleitungen aufrüsten. Das ist billiger, als Gräben zu buddeln und neue Glasfaserkabel zu verlegen - aber dennoch umstritten: Einige Experten sehen das Verfahren allenfalls als eine Brückentechnologie. Langfristig, so argumentieren sie, müssten die Haushalte an ein schnelleres und stabileres Netz aus Glasfaser- oder Fernsehkabeln gebracht werden.

Die Opposition fürchtet bereits um die digitale Zukunft des Landes

"Dass wir ausgerechnet über die Vectoring-Technologie so streiten, erscheint mir absurd. Denn die ist völlig überholt", sagte der SPD-Digitalpolitiker Lars Klingbeil. "Wir bräuchten stattdessen eine moderne Glasfaserstrategie." Auf dem Bundesparteitag der SPD soll Anfang Dezember beschlossen werden, stärker auf Glasfaser zu setzen. Im Antragsentwurf für ein "Grundsatzprogramm für die digitale Wirtschaft" fordert die SPD, der von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vorgeschlagene Vectoring-Ansatz müsse durch eine Glasfaserstrategie ergänzt werden. "Wir brauchen moderne, intelligente, leistungsstarke Netze, die vor allem auf Glasfaser beruhen", heißt es in dem Papier. Auch aus der Opposition kam Kritik: Nach Ansicht der Grünen wird die Entscheidung der Bundesnetzagentur den Wettbewerb im deutschen Telekommunikationsmarkt dauerhaft stören, ohne den Breitbandausbau voranzutreiben. "Wenn nun die Telekom viel Geld in das Vectoring steckt und dafür den Glasfaserausbau vernachlässigt, hätte die Entscheidung der Bundesnetzagentur einen großen Verlierer: Die digitale Zukunft dieses Landes."

68 Prozent der deutschen Haushalte haben Zugang zum Internet mit einer Download-Geschwindigkeit von 50 MBit/s. Bis 2018, so hat es die Bundesregierung versprochen, soll jeder Haushalt versorgt sein. Mit Glasfaserkabeln, die über weite Strecken des Landes erst noch für viel Geld verlegt werden müsste, ist dieses Ziel nicht zu erreichen. Deshalb klang das Versprechen, das die Telekom im Februar gab, in den Ohren vieler Politiker verlockend: Der Konzern stellte in Aussicht, mit der Vectoring-Technologie weitere 5,9 Millionen Haushalte ans Netz mit Download-Geschwindigkeiten von bis zu 100 MBit/s zu bringen. Und zwar auch jenseits der großen Städte: am Ammersee und im Schwarzwald, in der Eifel und im Spreewald. Dafür wollte die Telekom eine Milliarde Euro in die Hand nehmen - und im Gegenzug die absolute Hoheit über die sogenannten Hauptverteiler, das Herzstück der Netze.

Nun aber, so machte ein Telekom-Sprecher deutlich, liegen diese Investitionen erst einmal auf Eis. "Wie stark die Wettbewerber tatsächlich ausbauen und was das für die Kalkulation der Telekom bedeutet, bleibt abzuwarten", sagte er. Die Bundesnetzagentur hat den Wettbewerbern eine Frist bis Ende Mai 2016 gesetzt. Bis dahin müssen sie, falls sie in bestimmten Regionen ihrerseits mittels Vectoring die Kupferleitungen aufrüsten wollen, "eine verbindliche Ausbauzusage vorlegen", wie die Behörde mitteilte.

Zudem muss die Telekom, so die Auflage der Bundesnetzagentur, die per Vectoring aufgerüsteten Leitungen auch anderen Anbietern gegen Gebühr zur Verfügung stellen. Damit "bleibt den Wettbewerbern ein Sprungbrett für einen eigenen Breitbandausbau erhalten", betont Jochen Homann, Präsident der Regulierungsbehörde.

Doch auch die Wettbewerber, die die Bundesnetzagentur besänftigen wollte, sind mit dem nun getroffenen Kompromiss unglücklich: Der Entwurf "schützt das Technologiemonopol der Telekom sehr weitgehend", sagt etwa Jürgen Grützen vom Verband VATM, in dem sich die meisten Wettbewerber zusammengeschlossen haben. "So wird weiter in erste Linie auf das kupferbasierte Netz und nicht die zukunftsorientierte Glasfaser gesetzt."

Kleinere Unternehmen stocken Investitionen auf, um der Telekom nicht allein das Feld zu überlassen

Der Streit tobt vor allem um Regionen, in denen kleinere Anbieter, darunter auch Stadtwerke, bereits die schnelleren und stabileren Glasfaserleitungen verlegt haben. Diese Investitionen, so hatte zuletzt etwa der Bundesverband Breitbandkommunikation betont, müssten geschützt werden. Um die Bundesregierung davon zu überzeugen, dass nicht nur die mächtige Telekom, sondern auch kleinere Unternehmen einen Beitrag zum Netzausbau leisten können, hat beispielsweise die Deutsche Glasfaser gegenüber Dobrindt, Minister für die digitale Infrastruktur, Investitionen über 1,5 Milliarden Euro zugesichert. Mit dem Geld soll eine Million Haushalte unter anderem im Münster- und im Emsland mit schnellen Glasfaseranschlüssen versorgt werden.

Am schnellsten kommt das Internet über feine Fasern aus Quarzglas zu den Menschen. Doch diese zu verlegen, ist aufwendig und teuer. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)
© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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