Internet-Dialer und 0190-Dienste:Fiese Nummer

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Bescheid wissen, Nachteile vermeiden: Betrüger schleichen sich im Internet ein. Ein neues Gesetz gegen Rufnummern-Missbrauch schützt Verbraucher nur bedingt.

Von Gerald Drißner

(SZ-Artikel vom 16.10.2003)—Ungläubig schaut Michael Olbrich (Name geändert) auf das graue Stück Papier. Starrt auf die eine Zahl, fett gedruckt, die genau in der Mitte steht. Immer und immer wieder. Auf diese Summe, die er einfach nicht glauben kann. 193,77 Euro soll der Verwaltungsangestellte aus München für Gesprächsgebühren im August bezahlen, steht auf seiner Telefonrechnung.

Unglauben beim Verbraucher

Michael Olbrich hatte mit 40 bis 50 Euro gerechnet. Ein Diensteanbieter möchte nun 145,90 Euro von ihm. Fünf Mal soll er eine 0190-Nummer angerufen haben. Dabei habe er noch nie in seinem Leben so eine Nummer gewählt. "Das kann einfach nicht stimmen", sagt Michael Olbrich und irrt.

Michael Olbrich surft gern im Internet und hat sich dabei einen so genannten Dialer eingefangen. Ein Dialer ist ein Anwählprogramm. Er ersetzt die installierte Internet-Verbindung durch eine teure Mehrwert-Nummer. Damit kann der Benutzer kostenpflichtige Inhalte im Internet abrufen.

Angeboten wird fast alles, Verbrauchertipps sind ebenso dabei wie Sex-Fotos. Der Internet-Kunde bezahlt diese Dienste mit einer höherer Telefongebühr. Das ist ein legitimes Zahlungssystem, so lange der Benutzer weiß, worauf er sich einlässt. Allerdings mischen sich unter die seriösen Anbieter immer mehr Betrüger.

Die Ernüchterung folgt später

Ihr Ziel: Sie wollen den ahnungslosen Internet-Surfer zur Kasse bitten. "Der Benutzer merkt oft gar nicht, dass sich ein teurer Dialer auf seinem Rechner installiert hat", sagt Markus Saller von der Verbraucherzentrale in Bayern. Die Ernüchterung folgt meist Wochen später, spätestens beim Öffnen der Telefonrechnung.

Pro Monat melden sich bundesweit rund 400 Geschädigte bei den Konsumentenschützern. Tendenz steigend. Früher sorgten 0190-Nummern mit Telefonsex für Schlagzeilen; heute sind es die Internet-Betrüger mit illegalen Dialern.

Obligatorische Sendepause

Seit 15. August bietet ein neues Missbrauchsgesetz Hilfe gegen Telefon-Abzocker. Die Regeln gelten sowohl für die bekannten Mehrwertnummern 0190 und 0900. Einige Paragrafen sollen auch illegalen Dialern das Handwerk legen. Im Gesetz wurde eine Preisobergrenze für 0190- und 0900-Dienste festgelegt.

"Eine Minute darf nicht mehr als zwei Euro kosten", sagt ein Sprecher der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) in Bonn.

Zudem muss der Anbieter den Preis pro Minute kostenlos ansagen - für Mobilfunkbetreiber gilt diese Vorschrift erst von August 2004 an. Nach einer Stunde muss eine Mehrwert-Verbindung automatisch getrennt werden. Wer mehr als 60 Minuten benötigt, kann dies beim Anbieter anmelden und erhält eine Geheim-Nummer (PIN). Mit diesem Zahlen-Code kann die Verbindung bei Bedarf verlängert werden.

Wichtige Neuerungen

Die wichtigste Neuerung betrifft das Internet. Dialer-Programme müssen bei der Regulierungsbehörde registriert werden. Nicht gemeldete Dienste dürfen nicht eingesetzt werden. Anders gesagt: Bei einem Streit vor Gericht hat der illegale 0190- oder 0900-Anbieter keine Aussicht auf Erfolg. Und selbstständig auf dem Rechner installieren dürfen sich Dialer auch nicht mehr.

Geschieht dies doch, drohen Konsequenzen: Die Regulierungsbehörde kann gegen die Abzocker Geldbußen bis zu 100.000 Euro verhängen und ihre Rufnummer sperren lassen. Für den Geschädigten gilt der einfache Tipp: nicht zahlen.

"Der Telefon-Anbieter hat bei Verstößen gegen die neuen Regelungen nicht mehr das Recht, die Gebühren vom Kunden einzufordern", sagt Carola Elbrecht, Expertin für Telekommunikation bei der Bundes-Verbraucherzentrale in Berlin.

Aussichten auf Erfolg

Der Kunde muss den strittigen Geldbetrag nicht bezahlen und kann ihn von der Gesamtsumme abziehen. "Der Geschädigte muss in so einem Fall unverzüglich einen schriftlichen Einspruch gegen den Rechnungsersteller tätigen und diesen begründen", erklärt die Expertin weiter. Ähnliches gilt bei einer Einzugsermächtigung: Zur Bank gehen, der Kontobelastung widersprechen und nur den korrekten Rechnungsbetrag überweisen.

Manche Anbieter haben allerdings ihren Sitz im Ausland. Bisweilen ist es dann schwierig, den Sündern habhaft zu werden. Was viele nicht wissen: Die Beweislast liegt bei einem Rufnummern-Missbrauch beim Geschädigten. Soll ein Einspruch Erfolg haben, ist ein detaillierter Einzelverbindungsnachweis notwendig.

Wichtig: Einzelverbindungsnachweis

Auf den meisten Telefonrechnungen finden sich nach der Vorwahl viele "x"-Folgen wegen des Datenschutzes, doch kann sich diese Geheimhaltung bei einem Nummern-Missbrauch fatal auswirken. "Oft ist die genaue Rufnummer nicht mehr zu ermitteln, weil die Daten beim Telefonanbieter automatisch gelöscht werden", warnt Konsumentenschützer Markus Saller.

Ein detaillierter Nachweis der Einzelverbindungen ist kostenlos und kann beim Netzbetreiber beantragt werden.

650.000 Dialer sind in Deutschland bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post eingetragen. In der Datenbank im Internet unter der Adresse http://www.regtp.de kann sich jeder über einen Anbieter kostenlos informieren. "Die Registrierung ist kein Gütezeichen. Sie sagt nichts über die angebotenen Inhalte aus", stellt ein Sprecher der Regulierungsbehörde klar.

Der Experte warnt: "Augen auf, Kauf ist Kauf!" Wer einen registrierten Dialer installiert, der alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt, muss die anfallenden Gebühren zahlen.

Stichtag 15. August

Eine einfache Möglichkeit, sich vor Internet-Betrügern zu schützen, bietet die Deutsche Telekom. Sie sperrt gegen eine einmalige Gebühr von 7,73 Euro sämtliche 0190- und 0900-Nummern. Diese können dann auch über einen privaten Netzbetreiber nicht mehr angewählt werden.

Der Nachteil: Seriöse Anbieter wie Rechtsberatungen und Informationsdienste funktionieren nach einer Sperre auch nicht mehr. Das neue Gesetz hat Lücken. "Für Nummern mit einem erhöhten Tarif wie 118 oder 0137 (Tabelle) gelten die Vorschriften leider nicht", warnt Carola Elbrecht von der Bundes-Verbraucherzentrale.

Wer vor dem 15. August dieses Jahres auf einen Rufnummern-Trickser reingefallen ist, hat Pech gehabt. Das Gesetz gilt nicht rückwirkend. "In solchen Fällen bleibt dem Geschädigten nur noch ein Zivilprozess", bedauert der RegTP-Sprecher.

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