Internet-Apotheken:Pillen per Post

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Wer Medikamente online bestellt, sollte vorher genau die Geschäftsbedingungen lesen.

Von Andrea Rungg

Seit Anfang des Jahres ist er nach ewigem Hickhack erlaubt: der Versandhandel mit Medikamenten. Lange hatte sich die niederländische Versandapotheke DocMorris mit den deutschen Apothekerverbänden gestritten und trotz des deutschen Versandhandelsverbots seit Juni 2000 Medikamente nach Deutschland geliefert.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenkassen verstößt DocMorris nun nicht mehr gegen deutsches Recht. Frei verkäufliche und rezeptpflichtige Arzneien dürfen jetzt per Post an die Patienten geliefert werden.

Die Apotheker konkurrieren damit nicht nur mit dem Wettbewerber drei Straßen weiter, sondern auch mit virtuellen Marktteilnehmern. Neben DocMorris wirbt eine steigende Zahl an Web-Apotheken um die Gunst der Patienten.

Zu den größten Anbietern zählen die niederländischen Apotheken DocMorris, Europa-Apotheek, Pharma-Kontor und die Apotheke für den Mann sowie die Schweizer Apo AG. In Deutschland gehören Sanicare und My Care zu den Hauptanbietern im Versandgeschäft.

Rabatt auf die Zuzahlung

Die Hälfte der knapp 21.400 zugelassenen deutschen Apotheken versucht zurzeit durch ihr Serviceangebot Aponet dem Druck der Konkurrenz aus dem Netz standzuhalten.

Bei Aponet können Patienten Medikamente online bestellen, die von der Apotheke vor Ort bereitgehalten werden beziehungsweise nach Hause geliefert werden.

Den Verbrauchern bieten die Internet-Apotheken Vorteile. Die virtuellen Arzneimittel-Händler werben damit, dass Patienten sich nicht nur den Weg in die Apotheke sparen können, sondern ein paar Euro dazu.

DocMorris etwa betont, dass es bei der Bestellung rezeptpflichtiger Präparate nur die Hälfte der Zuzahlung verlangt. Seit Jahresbeginn müssen die Apothekenbesucher auch hier tiefer ins Portemonnaie greifen.

Bei Medikamenten von 5 bis 50 Euro sind 5 Euro Zuzahlung fällig und für Arzneien von 50 bis 100 Euro bis zu zehn Prozent des Medikamentenpreises. Bei DocMorris wäre das je die Hälfte.

Die Patienten würden bei Bedarf für ihre Krankenkasse dennoch eine Quittung über die volle Zuzahlung erhalten, heißt es. Doch Vorsicht: Denn hier verlangt man dann eine Erstattung von Leistungen durch die Krankenkasse, die man eigentlich durch die günstigen Konditionen bei DocMorris gar nicht getätigt hat.

Die Europa-Apotheek zahlt ihren Kunden bei jeder Rezeptbestellung einen Bonus von drei Prozent für jedes Präparat bezogen auf den deutschen Medikamentenpreis, mindestens 2,50 Euro und maximal 15 Euro.

Andere bieten weitere Vergünstigungen - insgesamt reicht die Marge der Sparmöglichkeit den Angaben der Web-Apotheken zufolge bis zu 20 Prozent.

Die ausländischen Apotheken dürfen Arzneimittel aber nur an Kunden in Deutschland senden, sofern sie die deutschen Sicherheitsstandards erfüllen. So dürfen sie nur hier zu Lande zugelassene Medikamente versenden, der Beipackzettel muss in deutscher Sprache beiliegen und zudem müssen sie eine Beratung auf Deutsch sicherstellen.

Bevor Kunden bei Internet-Apotheken bestellen, sollten sie prüfen, ob die Krankenkasse mit der Internet-Apotheke abrechnet, rät Julia Nill von der Verbraucher Zentrale Baden Württemberg. Gibt die Kasse grünes Licht, müssen die Nutzer - so schreibt es das deutsche Arzneimittelgesetz vor - bei rezeptpflichtigen Medikamenten ihr Originalrezept bei der Internet-Apotheke einschicken.

Zusatzkosten machen Preisvorteil häufig zunichte

Rezeptfreie Medikamente können dagegen online, am Telefon oder per Fax bestellt werden. Wer kurzfristig ein Medikament braucht, ist in einer Ortsapotheke schneller bedient, denn die Lieferzeiten betragen je nach Web-Apotheke ab dem Rezepteingang zwei Tage bis mehr als eine Woche.

Ähnlich ist es mit den Versandkosten und der Servicepauschale. Sie machen häufig den Preisvorteil der Arznei zunichte. Bei DocMorris muss ein Kunde mindestens zwei rezeptpflichtige Medikamente, rezeptfreie Präparate über 40 Euro oder Medikamente im Gesamtwert von 100 Euro bestellen, um die Servicepauschale in Höhe von 4,95 Euro erlassen zu bekommen.

Sanicare liefert bei einer Rezeptbestellung kostenfrei oder aber bei einem Bestellwert über 100 Euro. Ansonsten verlangt der Apothekenversand auch hier eine Pauschale von 4,50 Euro.

Die anderen Web-Apotheken verfahren ähnlich. Rezeptbestellungen sind in der Regel kostenfrei und bei den rezeptfreien Medikamenten bewegen sich alle im Bereich der von DocMorris oder Sanicare angewandten Praxis. Ein Mindestbestellwert von 40 bis 100 Euro ist demnach üblich. Bezahlt wird per Einzugsermächtigung, Kreditkarte, Vorkasse oder Nachnahme.

Bei der Beratungsleistung gibt es erhebliche Unterschiede. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass Apotheken Arzneien bereitstellen und beraten müssen. Dies gilt auch für die Internet-Apotheken.

Während beispielsweise Sanicare 24 Stunden täglich eine Telefonberatung bietet, suchen Kunden bei der Versandapotheke für den Mann vergeblich nach einer Beratungsnummer. DocMorris, My Care oder Pharma-Kontor haben die Telefonleitung von Montag bis Freitag zu bestimmten Zeiten geschaltet.

Spätestens bei der Beratung schlagen die Verbraucherschützer Alarm. "Zig-Tausende Menschen sterben jährlich durch Nebenwirkungen von Medikamenten", weiß Julia Nill. Da sei Vorsicht geboten, denn eine Bestellung von Arzneimitteln im Internet könne einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen, warnt die Gesundheitsexpertin.

Das gelte sowohl für verschreibungspflichtige als auch für rezeptfreie Arzneimittel, wie das häufig online bestellte Potenzmittel Viagra. Nill rät Patienten genau abzuwägen, ob das Medikament wirklich notwendig ist. Wenn ja, dann sollte möglichst im EU-Ausland bestellt werden, denn hier würden die europäischen Richtlinien gelten, die notfalls eingeklagt werden könnten. Allerdings weist Nill auch darauf hin, dass Klagen gegen ausländische Unternehmen mit größeren Schwierigkeiten verbunden sind als im Inland.

Anbieter prüfen

Kritik übt die Verbraucherschützerin an den Geschäftsbedingungen. "Fast alle Internet-Apotheken weisen nicht auf das gesetzlich verbriefte Widerrufs- und Rückgaberecht für bestellte Waren hin", so Nill.

Den Verbrauchern rät sie daher, per Nachnahme zu zahlen. Zudem sollten sie sich vorher erst bei ihrer Krankenkasse informieren, ob diese überhaupt mit der entsprechenden Internet-Apotheke abrechnet. Der Vorstandschef des Bundesverbandes der Versandapotheken Thomas Kerckhoff rät, dass die Verbraucher zunächst prüfen sollten, ob hinter der Internet-Apotheke wirklich eine Apotheke steckt.

Denn auch hier gebe es schwarze Schafe. "Ein qualifizierter Anbieter lässt sich dadurch erkennen, dass im Impressum der Name des Apothekers, die Adresse der Apotheke sowie der Name der zuständigen Aufsichtsbehörde (Gesundheitsamt oder Regierungspräsident) und der Apothekenkammer steht", sagt Kerckhoff.

© SZ vom 03.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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