Internet-Apotheken:Halbe Leistung - zum vollen Preis

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Die meisten Versandapotheken informieren ihre Kunden schlecht - sagt die Stiftung Warentest. Obendrein sind die Medikamente oft nicht billiger als in der klassischen Apotheke um die Ecke - wenn sie überhaupt ankommen.

Jede zweite Versandapotheke ist in einer Untersuchung der Stiftung Warentest mit "mangelhaft" durchgefallen.

Tabletten aus dem Internet: Sie kommen mit schlechter Beratung oder auch gar nicht an - und sind oft noch nicht einmal billiger. (Foto: Foto: dpa)

Beim Test von 20 Anbietern im In- und Ausland zeigten sich zum Teil deutliche Mängel bei der Beratung, der Information über Nebenwirkungen und den Lieferzeiten, wie die Stiftung am Donnerstag in Berlin mitteilte.

Auch prominente Anbieter wie der Versandhändler DocMorris, der deutsche Kunden seit fast fünf Jahren aus Holland beliefert, bestanden den Test nicht.

"Desaströse Beratungsleistungen"

Einige waren dabei noch nicht einmal billiger als die Apotheke um die Ecke. Immerhin neun Versandanbieter bekamen aber das Qualitätsurteil "gut".

Die Mängelliste der Tester ist lang. Vor allem die teils "desaströsen Beratungsleistungen" seien nicht akzeptabel, erklärte Hubertus Primus, Bereichsleiter Publikationen der Stiftung Warentest.

So fehlten in vielen Fällen Informationen zu Neben- und Wechselwirkungen von Arzneien oder sie waren unzureichend.

Auf die Nachfrage, ob etwa ein mit Betablockern behandelter Herzpatient gleichzeitig ein Grippemittel schlucken kann, äußerten sieben Anbieter keine Bedenken. Dabei kann die gleichzeitige Einnahme den Blutdruck stark in die Höhe treiben.

DocMorris "mangelhaft"

Auch in anderen Fällen wurde gängiges Apothekerwissen nicht vermittelt. DocMorris, laut Eigenwerbung Europas größte Versandapotheke, patzte bei der Beratung und wurde deshalb mit "mangelhaft" bewertet.

Bei Pharmacontor.com waren Nachfragen zu Medikamentenwirkungen erst gar nicht möglich, weil die Hotline direkt ins Lager führte.

Der Service ließ nach Ansicht der Tester gleichfalls oft viel zu wünschen übrig. So wurden in fünf Fällen Rezepte schlicht vergessen oder nicht bearbeitet. Dies betraf vor allem klassische Apotheken, die einen Internetversand betreiben.

Bei einigen Anbietern mussten Patienten zudem viele Tage bis Wochen auf ihre bestellten Tabletten warten; die meisten lieferten in der Regel aber schnell.

Oft kein Preisnachlass

Es gab zudem kaum ein Versandapotheke, die mit der Päckchenaufschrift "Nicht an Kinder ausliefern" arbeitete. Oft landete das Packet beim Nachbarn oder gelegentlich sogar vor der Tür.

Auch bei den Preisen sollten Verbraucher genau hinsehen. Zwar gibt es bei rezeptfreien Mitteln im Versandhandel Preisabschläge bis zu 30 Prozent und mehr. Allerdings orientieren sich manche Versandapotheken laut Stiftung Warentest noch am offiziellen Preisverzeichnis für Apotheken und gewähren keinen Nachlass.

Vereinzelt wurden sogar weit höhere Preise verlangt als in herkömmlichen Apotheken. Beim Preischeck schnitt die Versandapotheke apo-rot am besten ab. Wer Versandapotheken mit wirklich günstigen Preisen herausfinden will, wird über die Internetportale medizinfuchs.de und medipreis.de fündig. Anbieter im Ausland geben auch auf Rezepte Rabatt.

Zu den neun mit "gut" bewerteten Versandapotheken gehören Mycare, Pharma 24, Sanicare, Versandapo, Apo-rot, Shop-Apotheke, Europa-Apotheek, Vfg und Apo Ag. Zehn Anbieter erhielten nur ein "mangelhaft" und einer ein "befriedigend". Immerhin wurde die Rezeptpflicht beim Versand in allen Fällen eingehalten.

Spezialanbieter für bestimmte Krankheiten

Der Bundesverband deutscher Versandapotheker (BVDVA) sieht den Arzneimittelversandhandel in Deutschland unterdessen weiter auf dem Vormarsch.

Derzeit werde bis zu 1,5 Prozent des deutschen Arzneimittelumsatzes, der im vergangenen Jahr 32 Milliarden Euro betrug, über die mehr als 1000 zugelassenen Versandapotheken abgewickelt, erklärte Verbandschef Thomas Kerckhoff in Köln.

Nach seiner Einschätzung wird der Umsatzanteil in den kommenden fünf Jahren auf bis zu acht Prozent steigen. Kerckhoff rechnet damit, dass auch die Krankenkassen die Kooperation mit Versandhändlern weiter ausbauen, auch weil sich inzwischen Spezialanbieter etwa für Multiple-Sklerose-Patienten oder Diabetiker etabliert hätten.

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