Internationale Programme:Globaler Drahtseilakt

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Arbeiter säubern die Fenster eines Wolkenkratzers in Shanghai: Eine länderübergreifende Absicherung ist gerade für weltweit tätige Unternehmen wichtig. (Foto: Aly Song/Reuters)

Für Firmen wäre es attraktiv, überall im Ausland den gleichen Versicherungsschutz zu bekommen.

Von Patrick Hagen

Brennt es in einem der Lager oder Werke der Würth-Gruppe, weiß Matthias Beck schnell Bescheid. Er weiß, wie hoch der Schaden ist und welcher Versicherer dafür aufkommen wird. Beck ist Risikomanager bei Würth, einem der weltweit größten Händler von Schrauben und anderem Befestigungsmaterial. Damit ist er auch verantwortlich für den Einkauf der Versicherungspolicen, mit denen sich der Schraubengigant mit Sitz in Künzelsau im Nordosten Baden-Württembergs weltweit gegen Großrisiken absichert.

Während die Nachricht über eine abgebrannte Lagerhalle oder einen auf See verlorenen Container mit Schrauben schon immer auf Becks Schreibtisch landet, hatte er mit einem anderen Risiko bislang deutlich weniger zu tun: Die Gefahr, dass ein Abnehmer nicht zahlen kann und Würth auf der Rechnung sitzen bleibt, wurde nicht zentral gemanagt. Um sich gegen den Zahlungsausfall abzusichern, kaufen Unternehmen sogenannte Kreditversicherungen. Auch Würth hatte solche Deckungen abgeschlossen, allerdings waren dafür die einzelnen Tochtergesellschaften jeweils selbst verantwortlich. "Als ich bei Würth im Bereich Versicherungen angefangen habe, hatte die Zentrale kaum einen Überblick über die weltweit bestehenden Kreditversicherungsdeckungen", sagt Beck. Das hat sich geändert. Mittlerweile hat er für Würth ein internationales Programm für die Kreditversicherung mit verschiedenen Versicherern aufgebaut.

Am liebsten hätten die Firmen einen weltweit gültigen Vertrag

Internationale Versicherungsprogramme sind für global tätige Unternehmen ein Muss. Damit versuchen die Konzerne, für alle ihre Niederlassungen und Töchter weltweit einheitlichen Versicherungsschutz zu organisieren. Das klingt einfach, hat aber Tücken. Am liebsten wäre es den Unternehmen, sie könnten einen weltweit gültigen Vertrag mit einem Versicherer abschließen, der alle Tochtergesellschaften abdeckt. Das ist in vielen Ländern allerdings nicht erlaubt. Sie verlangen, dass Firmen den Versicherungsschutz bei lokalen Anbietern einkaufen. So wollen sie die örtlichen Vorschriften durchsetzen - und die jeweils geltende Versicherungssteuer kassieren.

Das macht es den Industrieunternehmen schwer, Versicherungsschutz in gleicher Höhe und zu den gleichen Bedingungen zu organisieren. Außerdem unterscheiden sich die Regeln der Aufsichtsbehörden je nach Land stark, eine Angleichung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: "Die regulatorischen Vorschriften verschärfen sich weltweit in vielen Ländern und werden nicht zuletzt aus steuerlichen Gründen durch die Aufseher stringenter kontrolliert", sagt Winfried Rommel von Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS), dem Industrieversicherer der Allianz-Gruppe.

Für seine Feuer- und Haftpflichtrisiken hatte Würth schon lange internationale Versicherungsprogramme. Der Aufbau eines Programms für die Kreditversicherung war dennoch kein einfacher Schritt. Das liegt auch an den Besonderheiten des Unternehmens. Würth ist mit 400 Gesellschaften in 80 Ländern weltweit aktiv und beliefert mehr als 3,5 Millionen Abnehmer. Entsprechend verstreut sind die Risiken. Dazu kommt, dass die Firmenphilosophie vorsieht, möglichst wenig Steuerung aus der Zentrale vorzugeben. "Wir wollen die Gesellschaften, soweit es geht, und dort, wo es Sinn macht, eigenständig handeln lassen", sagt Beck.

Ein Konzern bekommt bessere Konditionen als seine Tochtergesellschaften

Er hat deshalb zunächst einmal recherchiert, welche Kreditversicherungsverträge es konzernweit gibt. "Dabei haben wir gesehen, dass wir ein nicht unerhebliches Volumen an Verträgen bei den drei großen Kreditversicherern hatten, aber mit stark abweichenden Preisen und Bedingungen", so Beck.

Im nächsten Schritt hat er Verhandlungen mit den drei großen Kreditversicherern aufgenommen, Atradius, Euler Hermes und Coface. "Als Konzern bekamen wir deutlich bessere Konditionen", sagt er. Zuerst musste er allerdings auch interne Widerstände überwinden. "Die Finanzabteilungen, die sich bislang am Ort selbständig um den Einkauf gekümmert hatten, waren anfangs schon skeptisch, da der lokale Service der Versicherer für die Finanzleiter extrem wichtig ist", sagt Beck. Sie ließen sich allerdings überzeugen, nachdem sie die Verbesserungen bei den Bedingungen und Preisen gesehen haben.

Internationale Programme für Kreditversicherungen sind im Markt bislang seltener als solche für Feuer- oder Haftpflichtrisiken, die bei international tätigen Großunternehmen zum Standard gehören. Auch kleinere Unternehmen mit Auslandstöchtern wollen ihren Versicherungsschutz stärker vereinheitlichen. "Die Nachfrage wird größer, auch bei kleineren Unternehmen", sagt Rommel von AGCS. Bei Würth hatte die Einführung des Kreditversicherungsprogramms außer den Kosteneinsparungen noch weitere Vorteile. Durch die zentrale Steuerung könne der Konzern Ausfallrisiken bei den Kunden besser überwachen, sagt Beck.

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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