Insolvenz beantragt:Möbelhersteller geht das Geld aus

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Mit mehr als 11.000 Mitarbeitern ist die Schieder-Gruppe der größte Produzent der Branche in Europa - doch die guten Zeiten sind vorbei.

Stefan Weber

Noch vor vier Wochen hatte Gründer und Firmenchef Rolf Demuth den Mitarbeitern in einem Brief versichert: "Die Schieder-Gruppe ist ein profitables Unternehmen. Es ist allerdings notwendig, die Finanzierungsstruktur im Hinblick auf eine Optimierung zu überarbeiten."

Sowohl in Steinheim als auch am Stammsitz der Firma in Schieder-Schwalenberg ruht nun Produktion. (Foto: Foto: Dpa)

So viel Zeit haben Kreditgeber und Investoren dem mit mehr als 11.000 Mitarbeitern größten europäischen Möbelhersteller nicht eingeräumt. Wie am Montag bekannt wurde, hat Geschäftsführer Franz-Josef Golücke bereits am Donnerstag vergangener Woche "vorsorglich" Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Schieder Möbel Holding mit Sitz in Herford gestellt. Tags darauf wurde der gleiche Antrag für das Schieder Werk PM Möbelwerk im westfälischen Steinheim gestellt.

Sowohl in Steinheim als auch am Stammsitz der Firma in Schieder-Schwalenberg mit zusammen 630 Mitarbeitern ruht seitdem die Produktion. Die Gelder, mit denen Lieferanten bezahlt werden, sind eingefroren. Insgesamt beschäftigt Schieder in Deutschland knapp 1700 Mitarbeiter.

Das Unternehmen ist vor allem als Hersteller preiswerter Standardmöbel bekannt. Etwa 60 Prozent des Umsatzes, der im Geschäftsjahr 2005/06 (zum 31. 3.) 950 Millionen Euro betrug, wird in Deutschland erwirtschaftet. Wichtigster Produktionsstandort für den Möbelhersteller ist Polen.

Polstermöbel-Produktion in China

Dort arbeiten für Schieder in mehr als einem Dutzend Werken etwa 9.000 Menschen. Seit Dezember vergangenen Jahres verfügt das Unternehmen auch über eine Polstermöbel-Produktion in China mit 250 Mitarbeitern.

Die Geschäftsführung arbeitet nach eigenen Angaben "mit Hochdruck an einer Brückenfinanzierung". Es gebe intensive Gespräche mit Kreditinstituten. Ein Abschluss der Verhandlungen stehe möglicherweise schon kurzfristig bevor. "Einen vorsorglichen Insolvenzantrag kann man zurücknehmen", betonte deshalb am Montag ein Firmensprecher. Zu den Ursachen der finanziellen Schieflage äußert sich das Unternehmen nicht.

In der Möbelbranche kursieren jedoch bereits seit Wochen Gerüchte, Schieder stehe enorm unter Druck. Ursache seien die hohen Kapitalkosten, die den Großteil des Ertrags aufzehrten. Die Finanzierungsstruktur des Unternehmens sei mangelhaft; seit Jahren werde "ein Loch mit dem nächsten gestopft", heißt es.

Der Ende vergangenen Jahres überraschend ausgeschiedene Geschäftsführer Samir Jajjawi hatte dieses Problem offensichtlich angehen wollen. Firmenkennern zufolge hatte er 2005 eine Anleihe über 145 Millionen Euro auf dem internationalen Kapitalmarkt aufgetan, dazu eine Schuldverschreibung von 95 Millionen Euro sowie Genussscheine im Umfang von 30 Millionen Euro.

Strittige Kreditvergabe

Zins und Tilgung dieser Darlehen hätten Schieder jedoch die Luft zum Atmen genommen, heißt es in der Branche. Nach dem Abschied von Jajjawi, der nach knapp sechs Jahren bei Schieder inzwischen bei der Unternehmensberatung DIC Group für das Beteiligungsgeschäft verantwortlich ist, hatte der 68-jährige Firmengründer Rolf Demuth wieder die Führung von Schieder übernommen.

Nach Informationen des Möbel-Informationsdienstes hartdran haben die Kreditversicherer vor wenigen Wochen ihre Linien nennenswert reduziert und Schieder damit in finanzielle Nöte gebracht. Die Neue Westfälische Zeitung berichtet, Hausbanken und Investoren hätten sich über die Finanzierung zerstritten.

Unklar ist, zu welchen Bedingungen die vornehmlich aus Großbritannien stammenden Geldgeber dem Unternehmen 2005 Kredit gewährt haben, und ob sie sich möglicherweise den Zugriff auf Geschäftsanteile gesichert haben.

Sollte es der Schieder-Geschäftsführung nicht gelingen, die finanzielle Lücke zu schließen, sehen Branchenkenner die Gefahr einer Zerschlagung. Für einzelne Werke von Schieder gebe es starkes Interesse in der Möbelbranche, heißt es.

© SZ vom 17.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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