Initial Coin Offering.:Prinzip Hoffnung

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Warum Anleger einem Start-up ohne Produkt viele Millionen Euro geben. Zum Beispiel dem Frankfurter Unternehmen Savedroid. Es will mit Spar-Apps junge Nutzer ansprechen.

Von Nils Wischmeyer, Frankfurt

Yassin Hankir ist müde nach all den anstrengenden Tagen. Nun sitzt der Gründer des Finanz-Start-Ups Savedroid mit einem Dutzend Mitarbeitern in einer Fabrikhalle in einem Frankfurter Hinterhof. In den vergangenen Wochen haben er und seine Leute fast rund um die Uhr gearbeitet, jetzt ist es vollbracht: 35 Millionen Euro hat das Unternehmen eingesammelt, und zwar ohne Banken, ohne institutionelle Geldgeber, ohne Roadshow und ohne Börsengang. Stattdessen haben mehr als 30 000 Menschen aus der ganzen Welt ihm und seinem Team vertraut und in ein Produkt investiert, das es noch gar nicht gibt und auf das sie im Zweifelsfall auch keinen Anspruch haben.

Das Frankfurter Start-up ist eines der ersten deutschen Unternehmen, die Geld über einen ICO eingesammelt haben, ein "Initial Coin Offering." Das erinnert von der Bezeichnung her an einen Börsengang, der im englischen "Initial Public Offering", kurz IPO, heißt. Aber das war es dann auch mit den Gemeinsamkeiten. Denn diese neue Art des Investments ist im Gegensatz zu einem Börsengang nicht reguliert. Anleger bekommen keine Firmenanteile, auch keine Dividende. Im Prinzip bekommen sie die Anleger nur ein Versprechen auf ein Produkt, das es noch gar nicht gibt.

Gestartet ist das Unternehmen als Spar-App, der besonders junge Nutzer ansprechen soll. Sie können über Automatismen in der App kleine Geldbeträge zur Seite legen. Twittert etwa Donald Trump, zieht Savedroid einen kleinen Betrag vom Konto ab und legt es auf ein separates Sparkonto. Ähnliche "Smooves", so nennt das Start-up die Wenn-Dann-Regeln, gibt es, wenn der Nutzer zu lange auf Facebook oder Whatsapp aktiv ist oder sein Lieblingsverein gewinnt.

"Wir wollen, dass Menschen einfach mit Kryptowährungen sparen können."

Dieses Spar-Prinzip soll es künftig auch für Kryptowährungen geben. Dafür will Savedroid eine Plattform bauen, die möglichst einfach sein soll. Für Hankir sind die Digitalwährungen schon eine neue Anlageklasse wie etwa Gold oder Aktien. "Wir wollen, dass Menschen auf der ganzen Welt einfach mit Kryptowährungen sparen können." Geschrieben hat das Team dafür noch keine einzige Code-Zeile. "Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst", sagt Hankir.

Um den Bau der Plattform zu finanzieren hat Savedroid "Tokens" ausgegeben. Das sind quasi Gutscheine, die man für die Nutzung der Plattform einlösen kann. Wer künftig über Savedroid Krypto-Sparen will, bezahlt die Gebühren in Tokens. Die Gutscheine haben noch einen zweiten Aspekt, der für Anleger interessant sein dürfte. Denn ein Token kann wie eine Digitalwährung an jeder Krypto-Börse gehandelt werden. Weil die Zahl der Tokens begrenzt ist, steigt ihr Wert, wenn die Nachfrage steigt. Auch darauf wetten die Anleger.

Für die Firmen bringt diese neue Art Geld einzusammeln viele Vorteile. Sie sparen sich aufwendige Börsengänge oder die Suche nach Finanzinvestoren. Sie müssen nur die Privatanleger überzeugen. Hankir hat zusammen mit seinem Team für die Finanzierung im Internet getrommelt, in Foren, in Messenger-Gruppen geworben.

Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt warnen vor solchen Investments

Savedroid hat sogar eine eigene Threema-Gruppe mit etwa 50 000 Mitgliedern. Per Mail verschickte das Frankfurter Start-up regelmäßig Updates, auf der Seite lief über die Dauer des ICO ein Countdown, der die Sekunden bis zum Verkaufsschluss zählte. Es war eine große Marketingschlacht, an deren Ende das Unternehmen Tokens verschenkte. Die Masche hat gezogen. "Wir sind sehr glücklich darüber, wie der ICO gelaufen ist. Wir haben mehr Geld eingesammelt als ursprünglich gedacht", sagt Gründer Hankir. "Jetzt müssen wir unser neues Produkt aufbauen und wollen Mitte des Jahres Live gehen", sagt er.

Regulierungsbehörden auf der ganzen Welt warnen vor solchen Investments. Die europäische Finanzaufsicht ESMA ist besorgt, dass ICOs nicht mit den EU-Gesetzen vereinbar sind. Ihr deutsches Pendant, die Bafin, weist auf einen möglichen Totalverlust für Anleger hin. Einige ICOs hat die deutsche Finanzaufsicht sogar schon verboten, um die Anleger zu schützen. "Im Prinzip kann man das Geld auch in ein Casino bringen", sagt ein Anwalt, der auf ICOs spezialisiert ist.

Anders als viele ICOs operiere Savedroid aber nach deutschem Recht, betont Hankir. "Alle Verbraucherrechte, die für andere Produkte gelten, gelten bei uns auch", sagt er. Der ICO ist allerdings nicht von der Bafin reguliert. Das heißt: Geht Savedroid Pleite, bekommen die Investoren nichts zurück, eine Wette mit hohem Risiko.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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