Inflations-Debatte in Frankreich:Streit um Statistik

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Der Chef des französischen Handelskonzerns Leclerc hat eine heftige Debatte über die Entwicklung der Kaufkraft der Franzosen losgetreten. In einer großen Werbekampagne werden die offiziellen Zahlen über die Inflations- und Kaufkraftentwicklung angezweifelt.

Außerdem kritisiert Michel-Edouard Leclerc den Staat dafür, dass seine Gesetze Preissenkungen zugunsten der Verbraucher verböten. Sowohl die Regierung, die ihm unterstellt, wissentlich nicht die Wahrheit zu sagen, als auch führende Wirtschaftsinstitute werfen Leclerc ihrerseits vor, mit falschen Zahlen zu operieren.

Gestützt auf Zahlen des Bipe-Instituts, wonach die Kaufkraft der Franzosen im vergangenen Jahr um 1,1 Prozent zurückging, stellt Leclerc die Statistiken des nationalen Statistikamtes Insee in Frage, denen zufolge die Inflationsrate 2003 bei 2,2 Prozent lag und die Kaufkraft um 1,2 Prozent zugenommen hat. Bipe bezieht sich auf die Kaufkraft der einzelnen Haushalte und berücksichtigt lediglich das den Bürgern "effektiv zur Verfügung stehende Einkommen", womit das definiert wird, was nach Abzug von Transportkosten und Miete zur Verfügung steht.

Zweifelhafte Methoden

Insee und renommierte Wirtschaftsinstitute wie das OFCE halten diese Methodologie nicht für zulässig. Insee, das monatlich tausende Posten untersucht, berücksichtigt dabei auch Qualitätsverbesserungen, etwa wenn Autos trotz besserer Ausstattung zum gleichen Preis angeboten werden. Dies wird als Preissenkung gewertet, wird aber von Verbrauchern nicht unbedingt als solche empfunden.

In der öffentlichen Wahrnehmung des Landes haben die massive Verteuerung der Zigaretten, von Autoversicherungen oder Restaurantrechnungen eher das Gefühl hoher Preissteigerungsraten erzeugt. Insee räumt ein, dass der eigene Index für viele Bürger schwer nachvollziehbar ist und will künftig einen weiteren Index vorlegen, der solche Faktoren stärker berücksichtigt.

Das wahre Ziel

Für Leclerc ist das sicher ein Teilsieg. Doch eigentlich geht es dem medienbewussten Unternehmer um etwas ganz anderes. Er will das so genannte "loi Galland" zu Fall bringen, das 1996 zum Schutz kleiner Geschäfte und kleiner Produzenten gegen die Marktmacht großer Handelsketten geschaffen wurde. Es untersagt dem Handel, unter Einkaufspreis oder zu "extrem niedrigen Preisen" zu verkaufen.

Das Gesetz erfüllte nur zeitweise seinen Zweck. Der Druck auf Lieferanten, Preisnachlässe zu gewähren hält an, doch die Rabatte blähen zum Teil die Gewinnmargen des Handels auf, weil sie nicht voll weitergegeben werden können. Untersuchungen zeigen, dass das Preisniveau vergleichbarer Produkte in Frankreich höher ist als in anderen europäischen Ländern.

(SZ vom 23.02.04)

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