Inflation:Von wegen Teuro

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In der Statistik findet sich vom Teuro keine Spur: Deutschland hatte im Jahr 2003 die niedrigste Inflation seit vier Jahren.

Von Nikolaus Piper

Die Deutschen sorgen sich schnell wegen steigender Preise. Deshalb ist die Europäische Währungsunion gleichbleibend unpopulär. Und weil einige Wirte und Ladeninhaber die Bargeldumstellung auf den Euro vor zwei Jahren zum Anlass übertriebener Preiserhöhungen genommen hatten, bekam die Gemeinschaftswährung schnell den Schimpfnamen "Teuro".

In Euroland ist die Teuerung nur Österreich niedriger als in Deutschland. (Foto: Grafik: Süddeutsche Zeitung)

In der Statistik findet sich allerdings vom Teuro keine Spur. Nach der endgültigen Berechnung des Statistischen Bundesamtes sind die Verbraucherpreise 2003 um 1,1 Prozent gestiegen. Das ist die geringste Teuerung seit 1999; vor einem Jahr lag die Rate bei 1,4 Prozent, vor zwei Jahren bei 2,0 Prozent.

Da die Statistiker aus systematischen Gründen die Inflation immer leicht überschätzen (niemand weiß genau zu sagen, inwieweit hinter einer Preissteigerung auch eine Verbesserung der Produktqualität steht), ist der Befund eindeutig: In Deutschland herrscht Preisstabilität.

Deutlich unter dem Schnitt

Auch im Vergleich zu anderen Ländern der Europäischen Währungsunion ist Deutschlands Inflationsrate ungewöhnlich niedrig. Im vergangenen August, dem letzten Monat, für den aus allen Mitgliedsländern verlässliche Daten veröffentlicht wurden, hatte nur Österreich ein stabileres Preisniveau als Deutschland. Im Durchschnitt der Währungsunion liegt die Teuerung um einen Prozentpunkt höher.

Das Statistische Bundesamt führt die niedrigere Inflation unter anderem auf einen Rückgang der Preise für alle mit dem Computer verbundenen Produkte um 20,4 Prozent zurück; auch Haushaltsgeräte (-0,7 Prozent) und Nahrungsmittel (-0,1 Prozent) wurden billiger. Relativ Preisdämpfend wirkte schließlich das Hotel- und Gaststättengewerbe (+0,9 Prozent).

Dagegen wurden Mineralölprodukte um 4,4 Prozent teurer; wenn man Heizöl und Benzin herausrechnet, liegt die Teuerungsrate bei nur noch 1,0 Prozent.

Spannender noch als die Betrachtung einzelner Sektoren ist die gesamtwirtschaftliche Deutung der Zahlen. Die niedrige Teuerung ist auch ein Ergebnis der zurückhaltenden Lohnpolitik der Gewerkschaften, sagt der Würzburger Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger, der am 1. März in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage nachrückt.

Niedrige Lohnstückkosten

Das sorgte für niedrige Lohnstückkosten. Nach dem letzten Herbstgutachten der sechs großen deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute stiegen diese Kosten 2003 um 0,9 Prozent, in diesem Jahr sollen sie sogar um 0,1 Prozent sinken.

Entsprechend stieg und steigt die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands besonders im Euro-Raum, wohin 43 Prozent der deutschen Ausfuhren gehen. Der Effekt der Euro-Aufwertung, durch die Exporte tendenziell teurer werden, könnte damit zum Teil ausgeglichen werden.

Der Unterschied in den Preissteigerungsraten zeigt im übrigen, dass auch in einer Währungsunion die Anpassung an Unterschiede in der Wirtschaftsentwicklung möglich ist.

Die höchste Inflationsrate (3,9 Prozent) verzeichnet Irland, wo die Wirtschaft zuletzt besonders schnell gewachsen ist. Das Wachstums-Schlusslicht Deutschland liegt auch bei der Inflation hinten; damit hat die Bundesrepublik, in der Sprache der Ökonomen, "real abgewertet".

"D-Mark-Raum hat abgewertet"

Die Preisunterschiede bewirken so genau das, was in einem Idealmodell die Funktion flexibler Wechselkurse ist. "Seit 1999 hat der D-Mark-Raum um insgesamt fünf Prozent abgewertet", sagt Martin Hüfner, Chefvolkswirt der HypoVereinsbank. Nach Meinung anderer Forscher wurde damit die Tatsache ausgeglichen, dass die D-Mark 1999 zu einem überhöhten Kurs in den Euro eingegangen ist.

Die Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit hat aber auch einen Preis: Geld ist in Deutschland teurer als anderswo in Euro-Land. Genauer: Die Realzinsen, also die Kreditzinsen nach Abzug der Geldentwertung, liegen um etwa einen Prozentpunkt höher als im Durchschnitt der Währungsunion und um nicht weniger als 2,8 Prozent höher als in Irland.

Das erschwert die Finanzierung neuer Investitionen. Welcher der beiden Faktoren sich wie stark auswirkt, darüber streiten die Gelehrten.

© SZ vom 15.01.03 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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