Immobilienboom:Die Spekulationsblase droht zu platzen

Lesezeit: 2 min

Die Immobilienpreise in den USA sind gewaltig gestiegen. Nun warnt US-Notenbankchef Alan Greenspan vor einem Ende des Häuserbooms. Droht ein ähnlicher Konjunkturabsturz wie beim Börsencrash 2001?

Andreas Oldag

Es herrscht Goldgräberstimmung am US-Immobilienmarkt. Innerhalb eines Jahres - von Juni 2004 bis Juni 2005 - sind die Preise im Durchschnitt um 14,7 Prozent gestiegen. Sie wuchsen damit dreimal so schnell wie das Bruttoinlandsprodukt.

Wer sich in den großen amerikanischen Metropolen eine Wohnung oder ein Haus leisten will, muss tief in die Tasche greifen.

Für eine 80 bis 90 Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung in mittlerer Lage im New Yorker Stadtteil Manhattan muss man derzeit etwa 1,3 Millionen Dollar hinblättern. Nicht anders sieht es in Großstädten wie San Francisco, Chicago und Las Vegas aus.

Angeheizt wird die Hausse durch das relativ billige Geld. Die Banken sind mit der Kreditvergabe nicht zimperlich: Sie bieten Kredite an, für die in den ersten Jahren keine Tilgung gezahlt werden muss. Bislang ging die Rechnung auf: Die Finanzinstitute verdienten dadurch prächtig.

Die Käufer konnten auf einen traumhaften Wertzuwachs ihrer Immobilien vertrauen. In Mode gekommen ist das so genannte "Flipping" in den USA: Der rasche Kauf und Verkauf, um Kasse zu machen oder mit dem Gewinn ein noch luxuriöseres Haus zu kaufen.

Viele Jobs im Immobilienbereich

Der Immobilienboom treibt die Konjunktur in den USA an. Experten schätzen, dass etwa 30 bis 35 Prozent des Anstiegs der Konsumausgaben im vergangenen Jahr auf das Konto von Immobilienverkäufen gingen. Die Bauindustrie freut sich über volle Auftragsbücher. Immobilienmakler sind Großverdiener. Aber auch Heimwerkermärkte profitieren vom Boom: Amerikaner renovieren ihre Häuser und Apartments, um sie noch teurer zu verkaufen.

Mark Zandi, Chef-Volkswirt bei der Immobilien-Consultingfirma Economy.Com schätzt, dass fast 40 Prozent der etwa vier Millionen Jobs, die in den vergangenen Jahren in den USA entstanden, unmittelbar oder mittelbar mit dem Immobilienboom zusammenhängen.

Doch nun werden unter Experten böse Erinnerungen an den Aktien- und Börsencrash 2001 wach. Was passiert, wenn die Käufer angesichts ihrer hohen Verschuldung kalte Füße bekommen und die Spekulationsblase platzt? Wie reagieren die Banken?

Volkswirte an der Wall Street sind sich uneins über die künftige Entwicklung. Sie weisen darauf hin, dass die Bedingungen im amerikanischen Markt von Region zu Region unterschiedlich sind. Auch in der Vergangenheit ist es nur selten zu einem abrupten Preisverfall im ganzen Land gekommen.

Die Notenbank steht vor einem Balanceakt

Richard DeKaser, Chefvolkswirt der Bank National City Corp. in Cleveland, US-Bundesstaat Ohio, hat die Entwicklung der Immobilienpreise in 299 US-Städten in den vergangenen 20 Jahren untersucht. Er fand heraus, dass es in nur 63 Fällen einen Preisverfall von zehn Prozent oder mehr gab.

Rekordhalter ist die Stadt Lafayette im Süden der USA, wo in den späten 80er Jahren die Immobilienpreise innerhalb kurzer Zeit um 39 Prozent sanken. Eine der Hauptursachen war eine Krise der dort beheimateten Ölindustrie. DeKaser zieht daraus den Schluss, dass Immobiliencrashs in Regionen mit gesunder Wirtschaftsstruktur und starkem Jobwachstum viel seltener sind.

Gleichwohl steht die US-Notenbank Fed vor einem Balanceakt: Erhöht sie künftig allzu forsch die Zinsen, könnte dies Verkaufs-Panik bei klammen Immobilienbesitzern auslösen. Hält die Notenbank an ihrer bisherigen Strategie der Zinserhöhungen in Trippelschritten fest, geht die Spekulation mit hoher Wahrscheinlichkeit munter weiter. Und niemand weiß, wann das Kartenhaus zusammenbricht.

© SZ vom 30.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: