Im Gespräch:Selbstdisziplin ist nötig

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Anuschka Krichbaum und Christiane Heidrich arbeiten in leitenden Positionen im Stark-Verlag in Hallbergmoos. Ein Frauen-Team, das gut funktioniert.

Interview von Juliane von Wedemeyer

Der Stark-Verlag in Hallbergmoos stellt seit 40 Jahren Lernhilfen für Schüler und Unterrichtsmaterialien für Lehrer her. Das Besondere: 44 Prozent der Vorgesetzten im 200 Mitarbeiter zählenden Unternehmen sind Frauen - wie die Redaktionsleiterin Anuschka Krichbaum und Verlagsleiterin Christiane Heidrich. Die SZ sprach mit beiden über weiblichen Führungsstil.

SZ: Frau Krichbaum, seit zwei Jahren haben Sie mit Frau Heidrich eine Chefin. Was hat sich seitdem geändert?

Anuschka Krichbaum: Einiges - in der Atmosphäre, in der Arbeitsweise. Das war schon eine Umstellung.

Zum Positiven?

Krichbaum: Ich glaube schon, dass Frauen anders führen. Christiane kennt zum Beispiel unsere familiäre Situation. Unser Chef vorher wusste, ob wir Kinder haben und das war's.

Frau Heidrich, haben Sie denn auch Verständnis für die familiäre Situation Ihrer Mitarbeiter?

Christiane Heidrich: Als mein Kind zwei Monate alt war, habe ich begonnen, wieder zu arbeiten. Damals war ich gemeinsam mit Anuschka Redaktionsleiterin. Weil es nicht anders ging, habe ich meinen Sohn oft mit zur Arbeit genommen.

Krichbaum: Da kamen von den Vorgesetzten schon Bemerkungen über die Krabbeldecke im Büro. Aber als Frau weiß man einfach, wie es einem in dieser Situation geht.

Heidrich: Mittlerweile gibt es auch viele Männer, die sagen: Mein Kind ist krank. Ich bleibe heute zu Hause. Mein Mann auch. Bei uns ist jeder mal dran. Jedenfalls war es für mich damals toll, dass wir in der Redaktionsleitung zu zweit waren. Für Anuschka weniger, es ist nämlich ganz schön viel an ihr hängen geblieben.

Krichbaum: Das war doch Ehrensache!

Es gibt aber auch Frauen, die weder als Kollegin noch als Chefin so verständnisvoll reagiert hätten.

Heidrich: Beruf und Kinder zu vereinen, erfordert jede Menge Selbstdisziplin und auch Verzicht. Manche Chefin setzt das bei ihren Mitarbeitern als selbstverständlich voraus. Darin liegt auch Konfliktpotenzial. Uns hat man beiden die Tür offengehalten und uns unterstützt. Der Kern ist auf jeder Seite Flexibilität. Berufstätige Mütter müssen sich darauf verlassen können, dass das im Unternehmen auch gelebt wird, wenn es weniger passt. Wir könnten auch gar nicht auf sie verzichten. Sie sind viel zu gute und erfahrene Mitarbeiter.

Krichbaum: Ich habe das Gefühl, dass sich die Diskussionsweise geändert hat. Wir können alles offen ansprechen. Ich glaube, die Mitarbeiter fühlen sich freier.

I nwiefern arbeiten weibliche Führungskräfte anders als männliche Kollegen?

Heidrich: Frauen reflektieren mehr, prüfen, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Männer gehen nach meiner Erfahrung schon mal davon aus, dass sie die Position, in der sie sind, automatisch ausüben können. Nach dem Motto: Jetzt habe ich die Stelle, jetzt kann ich das auch.

Krichbaum: Tatsächlich arbeite ich auch als Redaktionsleiterin sehr viel enger am Produkt. Ich bin kein Dirigent, der darübersteht. Ich begleite den Prozess und ich glaube, dass die Kollegen das schätzen.

Heidrich: Anuschka und ich arbeiten immer noch eng zusammen. Arbeitsteilig.

Glauben Sie, dass das typisch weiblich ist, Arbeit zu teilen und auch den Erfolg?

Heidrich: Möglicherweise. Wir kennen unsere Stärken und Schwächen und sehen sie je als Bereicherung. Die unterschiedlichen Persönlichkeiten zu berücksichtigen, halte ich für weiblichen Stil. Manche Männer dagegen würden die Schwächen ihrer Kollegen vielleicht eher nutzen.

Krichbaum: Als Frau kann man ohnehin leichter zugeben, dass man etwas nicht kann. Diese Freiheit macht die Arbeit angenehm.

Heidrich: Fehler müssen ja angesprochen werden. Und da sehe ich am ehesten einen Unterschied zu den männlichen Kollegen: Wir hinterfragen uns kritischer, suchen den Fehler erst einmal bei uns, statt ihn anderen anzuheften.

Glauben Sie, dass Frauen auch anders zu einer Entscheidung gelangen?

Heidrich: Also bei mir ist der Entscheidungsprozess eher länger. Ich will alles abklopfen, Risiken vermeiden. Anuschka ist da schneller, sie kommt manchmal zu mir und sagt: So, jetzt müssen wir aber!

In Ihrem Verlag gibt es viele weibliche Vorgesetzte. Gibt es männliche Mitarbeiter, die damit Probleme haben?

Heidrich: Nein. Allen ist ein starkes Miteinander wichtig. Es geht mehr ums Produkt als um die Karriere. In anderen Unternehmen müssen Frauen teils schon schauen, wo sie bleiben. Da trommeln sich die Männer bei den Konferenzen auf die Brust.

Wie haben denn männliche Führungskräfte auf Sie reagiert?

Heidrich: Grundsätzlich waren sie offen und positiv. Einige haben sich natürlich ganz genau angeschaut, wie ich auftrete. Was vielleicht manchmal unausgesprochen im Raum steht, ist die Frage: Ist die tough genug?

Und die externen Geschäftspartner?

Heidrich: Zu meinen Stärken gehört es sicherlich, dass ich die Firma gut präsentieren kann. Und wenn zwei Parteien verhandeln, ist es oft gut, wenn jemand erst einmal das Eis bricht. Das ist wahrscheinlich auch eine eher weibliche Rolle.

Krichbaum: Da macht ihr keiner was vor!

Heidrich: Das ist nicht negativ gemeint. In härteren Diskussionen kann eine Frau vielleicht besser vermitteln. Frauen sind es gewohnt, das Verbindende zu finden.

Hat Ihr neuer Job Sie privat verändert?

Heidrich: Also mein Mann sagt ja. Ich neige dazu, alles zu einem Projekt zu machen und die Abläufe zu kontrollieren. Da heißt es zu Hause dann: Ich soll den Chef-Ton bitte in Hallbergmoos lassen.

Und wie reagieren andere Menschen?

Heidrich: Es gibt Anerkennung. Aber man hört auch: Das ist nicht gut für die Kinder.

Krichbaum: Ja, komischerweise sind andere Mütter oft schwierig. Da steht man schnell als Rabenmutter da. Natürlich hatte ich auch mal ein schlechtes Gewissen, etwa wenn mein Kind das letzte im Kindergarten war, das abgeholt wurde. Aber das wird einem auch von außen vorgemacht. Darum haben wir Zeiträume, die nur den Kindern gehören.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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