IKB: geheimer Prüfbericht:Das Milliardendesaster

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Tag der Abrechnung: Die IKB-Aktionäre nehmen die Verantwortlichen der Katastrophenbank ins Kreuzverhör. Großes Thema: Eine unveröffentlichte Sonderuntersuchung.

H. Leyendecker u. K. Ott

Seit eineinhalb Jahren hält die IKB, die in der globalen Finanzkrise als erste deutsche Bank beinahe pleite ging, einen brisanten Untersuchungsbericht unter Verschluss. Die Wirtschaftsprüfgesellschaft PwC listet auf 431 Seiten viele Mängel und Pannen vor allem bei Engagements im US-Immobilienmarkt auf, dessen Zusammenbruch die IKB und andere Kreditinstitute in Bedrängnis brachte. Eine Dokumentation.

Hauptversammlung bei der IKB - und eine Tüte voller Überraschungen für die Aktionäre. (Foto: Foto: AP)

22. Januar 2004

Die Konzernrevision der IKB verweist im Entwurf für einen internen Prüfbericht auf die Möglichkeit nicht unerheblicher Risiken aus Beratungsleistungen bei bestimmten Finanzgeschäften im US-Immobilienmarkt. Der Berichtsentwurf geht auch an mehrere IKB-Vorstände und wird von der Revision später wieder zurückgezogen. Die Revision ist nach eigener Auskunft gegenüber PwC nicht dazu bereit, dem Wunsch nach umfangreichen Änderungen an dem Entwurf nachzugeben. Ein Vorstandsmitglied wird über diesen Vorgang informiert und hat keine Einwände.

2005

Von 2005 an trifft die Konzernrevision eine "Vielzahl von Einzelfeststellungen", die ausweislich interner Berichte über nachfolgende Prüfungen der Revision "nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung von den betroffenen Fachbereichen geheilt" werden. Die PwC listet 13 Versäumnisse auf, die als "wesentliche Mängel im Risikomanagement der Bank" einzustufen seien. Zum Beispiel das "Fehlen einer 'Watchlist' zur laufenden und systematischen Überwachung besonders risikobehafteter Investments".

24. Januar 2006

Der Vorstand beschließt, zahlreiche Geschäftstätigkeiten im Zusammenhang mit Finanzanlagen in eine neue Tochtergesellschaft auszulagern, die Credit Asset Management GmbH (CAM). Einer der Gründe: "Erschließung weiterer Wachstumspotentiale für den Provisionsertrag", also höhere Profite. Im weiteren Verlauf des Jahres trifft der IKB-Vorstand weitere wesentliche Entscheidungen zur CAM.

1.September 2006

Die CAM nimmt ihre Tätigkeit auf. Dem Beirat der CAM gehören IKB-Vorstandschef Stefan Ortseifen und drei weitere damalige Vorstände an. Die mit acht Millionen Euro Eigenkapital ausgestattete CAM betreut im Laufe der Zeit heikle Finanzengagements bis zum einem Umfang von 17,9 Milliarden Euro.

26. Oktober 2006

Erste Sitzung des CAM-Beirats. Die Erkenntnis des Beirats: "Der Häusermarkt in den USA kühlt sich schneller ab, als allgemein erwartet." Bestimmte Papiere seien "am meisten gefährdet". Es wird darauf hingewiesen, dass sich "die Wahrscheinlichkeit eines Worst-Case-Szenarios erhöht hat".

2006/2007

Nach Darstellung der Geschäftsführung und von Mitarbeitern der CAM werden wegen der Arbeitsbelastung durch das "forcierte Neugeschäft" und wegen personeller Engpässe bestimmte Vorlagen nicht fristgerecht oder gar nicht erstellt.

PwC bemängelt auch, dass der IKB-Vorstand bei der CAM lediglich durch die "Vorgabe grober Leitlinien" und über den Beirat tätig sei, obwohl es sich unter "Risiko- und Ertragsgesichtspunkten" um ein bedeutendes Geschäftsfeld der Bank handele. Auch sei der Vorstand, weil Entscheidungsbefugnisse delegiert worden seien, "nicht mehr operativ in die Entscheidungsbefugnisse über Einzelinvestments eingebunden". PwC rügt: "Dieses halten wir im Hinblick auf Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäfte nicht für sachgerecht."

Die Konzernrevision der IKB stellt laut PwC "schwerwiegende Mängel in der Aufbau- und Ablauforganisation" der CAM und dem dortigen "Bestandsmanagement" fest. Daraus resultieren "nicht unerhebliche Risiken für die IKB-Gruppe".

5. Februar 2007

Bis dahin hat die CAM nur einen Geschäftsführer. Die PwC hält das "im Hinblick auf Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der von der CAM getätigten Geschäfte sowie der Tatsache, dass sich die Gesellschaft in organisatorischer Hinsicht noch im Aufbau befand, nicht für angemessen".

Die Stelle eines Chief Risk Officers bei der CAM ist entgegen ursprünglichen Planungen nicht geschaffen worden. PwC hält die Bestellung eines solchen Managers aber für erforderlich.

Zweite Sitzung des CAM-Beirats an diesem Tag. Die Erkenntnis: "Der Häusermarkt schwächt sich, wie von der IKB erwartet, ab." Es zeigten sich aktuelle und aufkommende Kreditrisiken. Aus derzeitiger Sicht sei ein Worst-Case-Szenario am UWS-Immobilienmarkt aber nicht zu erwarten.

15. März 2007

Ein Bereichsleiter verweist in einer E-Mail, die auch an ein Vorstandsmitglied geht, auf die dramatische Entwicklung am US-Hypothekenmarkt.

28. März 2007

Die Bundesbank bittet in Absprache mit der Bankenaufsichtsbehörde Bafin die IKB um eine aktuelle Risikoeinschätzung bei Engagements im US-Immobilienmarkt. Anlass sind akute Probleme einiger Hypothekenfinanzierer in den USA.

13. April 2008

Zwei Vorstände der IKB antworten der Bundesbank (die übrigen Vorstände erhalten das Antwortschreiben drei Tage später). Ein risikobehaftetes Gesamtengagement von 2,5 Milliarden Euro im US-Immobilienmarkt wird im Detail beschrieben. Der Aufsichtsrat der IKB wird laut PwC über dieses Schreiben nicht informiert.

19. Juli 2007

Der Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, warnt vor Kreditausfällen zwischen 50 und 100 Milliarden US-Dollar.

20. Juli 2007

Die IKB veröffentlicht das vorläufige Ergebnis des zweiten Quartals 2007 und nennt positive Zahlen. Der Vorstand erwähnt auch "Unsicherheiten im US-Hypothekenmarkt" und beruhigt die Anleger. Man sei nur in geringem Umfang betroffen. PwC bezeichnet in ihrem Prüfbericht diese Veröffentlichung und das Antwortschreiben der IKB an die Bundesbank vom 13. April 2007 als "widersprüchlich". An anderer Stelle heißt es sogar: Die PwC halte, "ohne eine juristische Würdigung vornehmen zu wollen, die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 vor dem Hintergrund des Inhaltes des Antwortschreibens vom 13. April 2007 an die Deutsche Bundesbank für bedenklich".

Die IKB hat bei Schadenersatzklagen von Aktionären vor Gericht vorgetragen, die Veröffentlichung vom 20. Juli 2007 sei korrekt gewesen. Man habe "unzutreffende Gerüchte" ausräumen wollen. Die Anmerkungen von PwC hat die IKB dabei nicht erwähnt.

25. bis 27. Juli 2007

Die Krise schlägt voll auf die IKB durch. Die Deutsche Bank kündigt Kreditlinien.

29. Juli 2007

Ein Vorstandsmitglied sagt laut PwC bei einer Krisensitzung des Aufsichtsrats: "Möglicherweise habe man... Struktur-, Handels- und Liquiditätsrisiken vernachlässigt." Die PwC betrachtet das als "bemerkenswert".

Dieses Vorstandsmitglied berichtet, die IKB sei Vertragspartner von 33 Vertragsgesellschaften, die in den USA und Europa 19 Milliarden Dollar vor allem in Unternehmens- und Immobilienkredite investiert hätten. Die Sorge um den privaten US-Häusermarkt im sogenannten Subprime-Segment (minderklassiger Bereich) "war seit einiger Zeit bekannt und kam nicht überraschend". Die IKB habe darauf reagiert.

Bafin-Präsident Jochen Sanio beschreibt schonungslos die Lage: "Die IKB ist klinisch tot." Ohne Rettungsaktion müsse die Bank am nächsten Tag geschlossen werden. Vor allem die Staatsbank KfW als Haupteigner der IKB und andere Kreditinstitute verhindert mit Hilfen in Milliardenhöhe die Pleite.

7. August 2007

Der Aufsichtsrat bespricht den Prüfauftrag an PwC.

16. Oktober 2007

Die IKB informiert in einer Pressemitteilung kurz und knapp über den nun vorliegenden PwC-Bericht. Die meisten Erkenntnisse werden verschwiegen.

Nachtrag

Auf Anfrage der SZ erklärt die IKB, es liege nicht in ihrem Interesse, den PwC-Bericht zu veröffentlichen. Es gebe neben den Aktionären, die auf Schadenersatz klagten, weitere mögliche Antragsteller, die Ansprüche geltend machen könnten. Das könne ein "erhebliches Risiko für die Bank" darstellen. Solche Antragsteller würden interne Prüfergebnisse womöglich für ihre Forderungen nutzen. Selbst unbegründete Forderungen belasteten die Bank und beeinträchtigten den Sanierungserfolg.

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