IG Metall fordert VW heraus:Jobgarantie und vier Prozent mehr Lohn

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Mit weit auseinander liegenden Positionen gehen Volkswagen und IG Metall in die Tarifverhandlungen. Die Stimmung bei VW ist aufgeheizt.

Von Meite Thiede

Einen Tag vor Beginn der Tarifverhandlungen hat die IG Metall am Dienstag ihre Forderungen auf den Punkt gebracht. Die Gewerkschaft erwartet, dass Volkswagen für die 103.000 in den sechs westdeutschen Werken Beschäftigten eine konkrete und rechtsverbindliche Arbeitsplatzgarantie abgibt.

Eine verbale Zusage des Vorstands reiche nicht aus, sagte ein Sprecher. Die Gewerkschaft stellt sich vielmehr vor, dass VW für jedes Werk konkrete Investitionszusagen gibt und festschreibt, welche künftigen Modelle wo gebaut werden. Außerdem fordert die IG Metall vier Prozent mehr Lohn.

Garantie mit Unbekannten

Während sie allerdings vor wenigen Wochen die Lohnerhöhung als ihre wesentliche Forderung dargestellt hatte, ist nun die Jobgarantie in den Vordergrund gerückt.

Die VW-Führung denkt bei den Einkommen hingegen an eine Nullrunde für zwei Jahre. Personalvorstand Peter Hartz will zudem die "Arbeitskosten" bis zum Jahr 2011 um 30 Prozent oder zwei Milliarden Euro senken. 2011 ist der Zielhorizont, weil der Arbeitsmarkt in der erweiterten EU bis dahin vollständig liberalisiert sein soll.

Auch Hartz hat zwar eine Arbeitsplatzgarantie angeboten, allerdings in anderer Form. Er bietet Sicherheit für sämtliche der 176.544 in Deutschland Beschäftigten VWler, ohne einen konkreten Zeitraum zu nennen.

Das wiederum irritiert die Gewerkschaft, denn dem zur Verhandlung anstehenden Haustarif unterliegen nur 103.000 VW-Mitarbeiter. Für die Audi-Mitarbeiter zum Beispiel wie auch für die in Ostdeutschland Beschäftigten gelten die jeweiligen Flächentarifverträge.

Nach Ansicht der IG Metall beginnen die Verhandlungen diesmal in einem deutlich schärferen Klima als in früheren Jahren. Der "mediale Schlagabtausch" im Vorfeld sei für VW-Verhältnisse ungewöhnlich heftig ausgefallen, sagte der Gewerkschaftssprecher.

Kein Sanierungsfall

Es sei auch verwunderlich, dass sich bereits drei Vorstände zu dem Thema geäußert hätten. Neben Hartz hatte Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch vor wenigen Tagen das Klima angeheizt, als er sagte, 30.000 Arbeitsplätze stünden zur Disposition, falls es keine Nullrunde gebe.

Auch Konzernchef Bernd Pischetsrieder hat sich bereits mit eigenen Forderungen zu Wort gemeldet, was die IG Metall "eher störend als hilfreich" findet. Pischetsrieder hatte gesagt, VW lebe derzeit über seine Verhältnisse und investiere mehr, als verdient werde; der Spielraum sei nun ausgeschöpft.

Der IG-Metall-Sprecher räumte ein, dass VW zwar ernst zunehmende Ertragsprobleme habe, aber kein Sanierungsfall sei. "Wir verschließen uns nicht den Forderungen", sagte er, aber die bestehenden Probleme könnten nicht sämtlichst durch Lohnverzicht gelöst werden. Vom deutschen Markt hat der VW-Konzern auch im August keinen Rückenwind bekommen.

Nach den Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes wurden in dem Monat 150000 VW-Fahrzeuge neu zugelassen, das waren acht Prozent weniger als vor einem Jahr. Der Gesamtmarkt schrumpfte in dieser Zeit nur um drei Prozent.

Auch im Betriebsrat wächst offenbar der Unmut über die VW-Führung. Das Verhältnis sei hochgradig gestört und von Misstrauen geprägt, heißt es in Gewerkschaftskreisen. Neben dem externen Problem der Marktschwäche habe auch das Management zur derzeitigen Ertragsschwäche beigetragen.

Vor allem Marketing-Fehler - ein zu teurer Golf, ein falsches Modell für China - kreidet die Gewerkschaft der VW-Spitze an. Die Stimmung sei so gereizt, dass Warnstreiks nicht ausgeschlossen werden. Die Friedenspflicht endet Ende Oktober.

Die Unternehmensverbände Niedersachsen haben die VW-Forderung nach einer Nullrunde am Dienstag begrüßt. "In einer Situation, in der die Zulassungszahlen zurückgehen, wird VW aus meiner Sicht an einer Nullrunde nicht vorbeikommen", sagte deren Hauptgeschäftsführer Volker Müller der dpa.

Er könne keine besondere Härte erkennen, wenn die VW-Beschäftigten auf Einkommenserhöhungen verzichten müssten, da sie mehr verdienten als ihre Kollegen in mittelständischen Unternehmen.

© SZ vom 15.09.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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