Ifa 2010:Anschluss verloren

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Zu ihrem 50. hat die Internationale Funkausstellung in Berlin den Anschluss verloren - dem digitalen Zeitalter läuft sie nur noch hinterher.

Varinia Bernau

Unter dem Berliner Funkturm wurde eine neue Welt greifbar: Ende der sechziger Jahre knipste Vizekanzler Willy Brandt hier das deutsche Farbfernsehen an. Legenden wie Hans Rosenthal oder Joachim Fuchsberger gingen auf Tuchfühlung mit den Zuschauern, und die Fernsehzeitschrift Hörzu war verzückt: "Die Telegötter steigen vom Bildschirm herab." Das Fernsehen musste Nähe vermitteln. Und die Internationale Funkausstellung (Ifa) in Berlin war der magische Moment, der den Widerspruch aufheben konnte. In dieser Woche findet sie zum 50. Mal statt. Doch von ihrer strahlenden Wirkung ist nichts mehr übrig.

Spielemesse Gamescom
:Move it!

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Bildern.

Die Welt ist digitaler geworden. Und mit der neuen Technik ist sie zusammengewachsen. Mit dem Internet überwinden die Menschen Tausende Kilometer. Ein einziger Klick reicht dazu aus. Der Widerspruch zwischen räumlicher Ferne und gefühlter Nähe hat sich so aufgelöst. Wem sind der Vizekanzler oder ein paar Fernsehsternchen schon noch einen Messebesuch wert, wenn er über soziale Netzwerke wie Facebook virtuelle Freundschaften mit ihnen knüpfen kann?

Einem Computerchip ist es einerlei, ob er eine Fernsehsendung speichert oder ein paar Spiele. Durch ein Übertragungsnetz geht die Seifenoper aus dem Nachmittagsprogramm ebenso hindurch wie ein Telefongespräch. Fernsehen ist längst nicht mehr das wichtigste Unterhaltungsmedium, und klassische Rundfunkfirmen wie Grundig oder Loewe sehen sich von der Computerindustrie bedrängt. Die Ifa hat versucht, mit dieser Entwicklung mitzuhalten - und ist dabei gescheitert: Neben Fernsehgeräten sind unter dem Funkturm nun auch Smartphones, Spiele und selbst Spülmaschinen zu bestaunen. Für Kunden mag es von Vorteil sein, dass sie immer mehr mit einem einzigen Gerät erledigen können, sie kaufen Rundumpakete, die ihren Alltag erleichtern. Eine Messe aber, auf der sich die Unterhaltungsindustrie zeigt, gerät so in die Beliebigkeit. Wer fährt noch zur Ifa, wenn er die neuesten Computer schon auf der Cebit, die neuesten Spiele schon auf Gamescom gesehen hat?

Präsentation wird virtuell

Die Digitalisierung hat auch das Kaufverhalten verändert. Um ein Produkt anzupreisen, braucht es kein Verkaufsgespräch am Messestand mehr. Zwar sind diejenigen, die einen neuen Fernseher oder DVD-Player im Internet kaufen, noch in der Minderheit. Aber ihr Anteil wächst - nicht nur unter den jungen Menschen, auch unter denen, für die der Einkauf bequem und klar nachvollziehbar sein soll. Namhafte Unternehmen haben sich auch deshalb in den vergangenen Jahren von der Ifa zurückgezogen oder sind allenfalls aus alter Verbundenheit geblieben, mit einem kleineren Stand.

Zwar jubelten die Veranstalter im vergangenen Jahr über einen neuen Besucherrekord. Aber mit 220.000 Gästen lag die Zahl noch immer deutlich unter dem langjährigen Schnitt von 300.000. Drei Milliarden Euro Umsatz seien in den Messetagen gemacht worden, triumphierte die Branche. Immer noch wenig, wenn man bedenkt, dass sich diese Summe fast 1200 Aussteller teilten. Apple beispielsweise ist auf keinen Messestand angewiesen. Der amerikanische Konzern hat dennoch wichtige Märkte der Unterhaltungsindustrie aufgemischt und in demselben Zeitraum umgerechnet eine Milliarde Euro umgesetzt - ganz allein.

Das liegt auch daran, dass Apple es geschafft hat, den Zauber, den einst das Fernsehen besaß, in die neue Zeit zu tragen: Der Konzern setzt bei der Vermarktung auf Inszenierung, auf Geheimnistuerei. Aus gutem Grund hat er seine Vorstellung eines neuen Produkts auf den heutigen Tag vorverlegt. Apple schlägt damit der Branche mitten im Ifa-Taumel ein Schnippchen: Mit minimalem Aufwand erzielt der Konzern maximale Aufmerksamkeit. Die wenigen von Apple verschickten Einladungen zu der Bekanntgabe enthielten nur ein Bild, mehr nicht. Seither spekulieren Blogger und Technikfreaks, was sie erwartet: Vielleicht trumpft Apple sogar mit einem eigenen Fernsehformat auf.

© SZ vom 01.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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