IBM will Sun:6,5 Milliarden Dollar - für einen Traum

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Wenn IBM tatsächlich Sun Microsystems kauft, dann verabschiedet sich unsere digitale Gegenwart von einem Stück Pioniergeschichte des Computerzeitalters.

B. Graff

Wir sehen, dass sich Sun wie die erste Treibstufe einer interstellaren Rakete ablöst und absinkt in die Geschichte.

Filigranes Denken statt Blue Screen of Death in der Arbeitszelle: Sun Microsystems (Foto: Fotomontage: Ildiko Cseh)

Das ist bedeutsam, denn das Unternehmen mit Sitz im kalifornischen Santa Clara ist seit den frühen 80er-Jahren tatsächlich eine der großen Antriebskräfte der Computer- und Netzentwicklung gewesen.

Wenn auch von der Masse der PC-Anwender wenig bemerkt. Denn Sun hat zwar - wie viele glauben - die besten (und teils recht kostspieligen) Rechner und Software der Welt hergestellt, doch die bevölkerten weniger die Büros als vielmehr die Rechenzentren der IT-Welt.

Nicht nur für die Avantgarde

Sun stand für das Unix-basierte Betriebssystem mit dem wunderschönen Namen Solaris und für Rechnerfamilien, Workstations und Server, die von Sun-eigenen Prozessoren-Herzen angetrieben wurden (immer schneller natürlich als die grauen Kisten der PC-Welt!), die ebenfalls einen poetischen Namen trugen: Sparc - Funke.

Doch Sun war immer mehr als eine Technik-Klitsche für die Avantgarde der Nerds und Wissenschaftler, die ihren Rechnern tatsächlich jede Leistung abverlangen, um die Vernetzung der Welt voranzutreiben oder das Wissen der Welt zu mehren.

Sun betrieb Computerpolitik, mischte sich ein in gesellschaftlich relevante Prozesse der Verteilung und folglich Demokratisierung von Herrschaftswissen. Sun war damit - auch real - der große Opponent von Microsoft, dem Monopolisten auf dem PC-Markt, der seine Betriebsysteme und Office-Anwendungen in jeden Alltagsrechner nietete.

Während Microsoft die Angestellten, jeden für sich, in Excel-Tabellen zwängte, eröffnete Sun der Welt die Java-Plattform, eine Palette von Software-Produkten, mit denen so völlig unterschiedliche Bereiche wie Workstations und Handys plötzlich miteinander sprechen konnten.

Duke, das winkende Maskottchen von Java, begrüßte die unterschiedlichsten Architekturen der Welt gemeinsam im Web, von Linux über MacOs zu Windows. Alle verstehen sie Java, und zahlreiche Anwendungen, die in Browsern laufen, sind so genannte Java-Applets.

Sun verfolgte tatsächlich eine ganz andere Strategie als Microsoft, Tatsächlich gerieten die beiden Firmen in spektakulären Gerichtsprozessen auch mehrfach direkt aneinander: Sun, mit dem 1998 an AOL verkauften Netscape in der "A Sun Netscape Alliance" und als Sponsor der Weiterentwicklung des gleichnamigen Browsers verbandelt, spielte eine Rolle im so genannten Antitrust-Prozess, in dem Microsoft Monopolstreben vorgeworfen wurde, weil es Betriebssystem und den MS-Browser Internet Explorer eng miteinander verwob.

Sun argumentierte 1997, dass Microsoft die Spezifikationen von Java nicht völlig erfülle, also sein eigenes Ding drehe, um den weltweiten Erfolg von Java zu unterminieren und wieder nur spezifizierte Lösungen anzubieten. Während Microsoft so etwa seine höchstspezifische Office-Software immer schon lizensierte, kaufte Sun 1999 die (deutsche) Firma "Star Divison" mit ihrem Produkt "Star Office", das sie unter dem Namen OpenOffice an die Open-Source Community weitergab. For Free!

Sun profitierte von der freien Entwicklerszene, weil es deren Arbeit für das eigene Star Office mitverwandte. OpenOffice ist heute eines der wenigen satisfaktionsfähigen Konkurrenten des MS-Produktes, kann dessen Files lesen und verarbeiten und - vor allem - es ist für alle bedeutenden Betriebssysteme verfügbar und wird beständig weiter entwickelt. Was man von den MS-Produkten allenfalls sagen, aber als Nutzer nur als Veränderung in homöopathischen Dosen mitbekommen kann.

Sich selbst angedient

Während also Sun so etwas wie das hoch entwickelte, ja, visionäre Herz und Hirn der ersten Internet-Ära beschrieb, stand der bekanntere Konkurrent aus Redmond für Brot und Butter des Digitalen: Hier filigranes zukunftsorientiertes Denken, dort Blue Screen of Death in der Arbeitszelle.

Allein, die besten Jahre von Sun, die Aufbruchsjahre der Computertechnik, sind lange vorüber. Boom-Zeit waren die 90er. Sun, so munkelt jetzt das Wall Street Journal, habe sich angeblich selbst zum Verkauf angedient. Der IBM-Rivale Hewlett-Packard habe ein Angebot abgelehnt. Allerdings kann auch das Geschäft mit IBM noch in letzter Minute platzen.

Die Unternehmen kommentierten die Informationen gegenüber der Zeitung bislang nicht.

Im vergangenen Jahr hat die Sun-Aktie mehr als 70 Prozent eingebüßt und kostete zuletzt in New York knapp fünf Dollar. Das Rekordhoch erreichte das Papier inmitten des Internet-Booms bei fast 260 Dollar, als Suns Soft- und Hardware auch die Rechenanforderungen einer damals noch florierenden Finanzindustrie befriedigte.

Nun, so wird spekuliert, werde IBM 6,5 Milliarden Dollar für das Unternehmen bezahlen, eigentlich für einen Traum.

Doch sogleich wacht man daraus auf: Der reale Wert des Unternehmens, raunt es, liege doch nur noch bei der Hälfte. Früher war eben alles besser.

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