Horst Brandstätter ist tot:Der Spieler

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Horst Brandstätter - bunte Plastikfiguren bestimmten sein Leben. (Foto: oh)

Playmobil-Unternehmer Horst Brandstätter ist nach schwerer Krankheit gestorben - seine Welt waren bunte Plastikfiguren, die zunächst niemand haben wollte.

Von Uwe Ritzer

Den Winter hatte er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit nicht in Florida verbracht, was von seinem Umfeld als Alarmsignal gewertet wurde. Normalerweise nämlich konnte geschehen, was wollte: Horst Brandstätter kehrte dem deutschen Herbst den Rücken, um nach vielen Wochen des Golfspielens auf Jupiter Island erst im Frühjahr nach Franken zurückzukehren. Tiger Woods war in dem exklusiven US-Inseldorf sein Nachbar, wobei sich Brandstätter über die aus seiner Sicht grässlich-neumodische Architektur von Woods Haus hübsch aufregen konnte. Mit seiner eigenen Firma in Zirndorf bei Nürnberg hielt Brandstätter während der Zeit in den USA immer per Fax Kontakt.

Horst Brandstätter war ein schrulliger Mensch, ein Haudegen, ein eigenwilliger Patriarch und Lebemann, der Entscheidungen aus dem Bauch heraus traf. Wie jene, den im Bewerbungsgespräch unscheinbaren, wortkargen, ja verschlossenen Hans Beck als Mustermacher einzustellen.

Brandstätter erteilte ihm den Auftrag, ein kleines Systemspielzeug aus dem damals neumodischen Kunststoff zu entwickeln. Beck kreierte fingerlange Spielfiguren - einen Ritter, einen Bauarbeiter und einen Indianer.

Das war mitten in der Ölkrise und besagter Beck rettete mit seiner Erfindung 1974 nicht nur seinen Arbeitgeber. Er katapultierte damit auch seinen Chef Horst Brandstätter zu einem der erfolgreichsten Spielwarenunternehmer. Denn die Figürchen mit dem lustigen Vollmondgesicht und den beweglichen Gliedmaßen wurden unter dem Namen Playmobil ein Welterfolg.

Mehr als 2,8 Milliarden von ihnen bevölkern inzwischen den Erdball. Anfangs wollte sie keiner haben; auf der Nürnberger Spielwarenmesse wurde Brandstätter dafür belächelt. Bis ein holländischer Großhändler zugriff.

Heute zählt die Firma Geobra Brandstätter fast 4200 Mitarbeiter und ist mit einem Umsatz von knapp 600 Millionen Euro nach Simba-Dickie Deutschlands zweitgrößter Spielwarenhersteller. Anders als die meisten in der Branche produziert die Firma nicht in Asien, sondern vor allem in Deutschland und auf Malta. Das gilt auch für die Lechuza-Pflanzkübel, die Brandstätter erst vor wenigen Jahren auf den Markt brachte.

So hemdsärmelig und unkonventionell der schlaksig-hochgewachsene Brandstätter gern auftrat - geschäftlich ging er zielstrebig voran. Nach dem Tod seines Vaters und diversen Rauswürfen aus Internaten lernte er Formenbauer und trat mit 19 Jahren in das eigene Familienunternehmen ein. Das stellte bis dahin hauptsächlich Blechspielzeug her und wurde von zwei Onkeln, nun ja, ziemlich konservativ geführt. "Am aktivsten war ich, wenn sie Mittagsschlaf hielten", sagte Brandstätter einmal. "Da habe ich ihre Schreibtische durchforstet und dadurch viel erfahren und gelernt."

Als er 21 und damit volljährig wird, steigt er mit allen Rechten in die Geschäftsführung ein. Wenige Jahre später sind keine Verwandten mehr in der Firma. "Die spielte ich an die Wand." Seither herrschte Brandstätter allein über die Firma, die es ohne die Playmobil-Figuren längst nicht mehr gäbe. "Ihr Erfolg hat uns vor der Pleite gerettet", sagte er. Und machten "den HoB", wie Freunde ihn nannten, zum Milliardär.

In seinem Zirndorfer Büro hing ein Spruch an der Wand: "Der liebe Gott hat den Menschen die Nüsse gegeben, damit die Intelligenten und Fleißigen sie knacken." Wehmut kam auf, wenn er Besuchern das weiße Schiffsmodell erklärte, die maßstabsgetreue Nachbildung seiner 30 Meter-Yacht MSY Playmobil, die er selbst entworfen hatte und mit der er bevorzugt vor Malta in See stach.

Aus Altersgründen hat er die Yacht vor einigen Jahren verkauft. Im Unternehmen blieb er jedoch präsent, auch wenn er das operative Geschäft weitgehend familienfremden Managern überließ. Seine beiden Söhne ließ er frühzeitig wissen, dass er sie nicht für geeignete Nachfolger hält. Seit April gehört die Firma einer Stiftung.

Horst Brandstätter wusste da bereits von seiner schweren Krankheit. Am 3. Juni ist er gestorben, wenige Tage vor seinem 82. Geburtstag.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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