Höhere Lebensmittelpreise: Die Pro-Position:"Weniger in besserer Qualität... gesünder"

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Sind unsere Lebensmittelpreise zu niedrig? Ja, meint Tobias Reichert von der Entwicklungsorganisation "Germanwatch": Nur so kann die subventionierte Hyper-Landwirtschaft gebremst werden.

Die aktuellen Meldungen über den erwarteten drastischen Anstieg der Verbraucherpreise für Milchprodukte um bis zu 50% sind noch kein Grund zur Besorgnis.

Verbraucherschützer Reichert: "Teuer erkaufte Niedrigpreise." (Foto: Foto: Germanwatch)

Die seit Mitte des letzten Jahrhunderts und besonders Ende der 1980-er Jahren sinkenden Lebensmittelpreise in Deutschland, der EU und weltweit wurden teuer erkauft.

Zum einen werden landwirtschaftliche Betriebe immer größer und immer stärker spezialisiert. So gibt es heute zum Beispiel nur noch ein Zehntel der Milchviehbetriebe, die noch 1960 bestanden, und ihre Zahl sinkt weiter. Beschäftigung und Vielfalt im ländlichen Raum gehen damit drastisch zurück.

Züchtung von Hochleistungskühen

Die Züchtung von Hochleistungskühen, die bis zu 10.000 Liter Milch pro Jahr geben, hat mehr Krankheiten, eine kürzere Lebenserwartung der Tiere und das Verschwinden alter Nutztierrassen zur Folge.

Inzwischen bekommen die Tiere vor allem importiertes Kraftfutter. Durch den Anbau von Futtermitteln wie Soja werden die Kleinbauern Brasiliens von ihrem Land vertrieben, gleichzeitig wird die Abholzung des Regenwaldes dadurch gefördert.

Die EU-Landwirte erhalten über 40 Milliarden Euro pro Jahr - doch das Geld kommt vor allem Großbetriebe zugute, die sich nur an die kleinsten gesetzlich vorgeschriebenen Umweltstandards halten müssen.

Die höheren Preise müssen bei den Bauern ankommen

Höhere Lebensmittelpreise bieten eine Chance, die Einkommen für die Landwirte und die Wirtschaft im ländlichen Raum zu verbessern, und gleichzeitig umwelt- und tiergerechtere Formen der Landwirtschaft zu praktizieren.

Doch dafür müssen die höheren Verbraucherpreise tatsächlich bei den Bauern ankommen und nicht überwiegend bei Handel und Verarbeitung "hängen bleiben", wie es auch bei den gestiegenen Milchpreisen der Fall ist.

Für die Erzeugerpreise für Milch wird derzeit ein Anstieg von etwa 10 -15% auf gut 30 Cent pro Liter Milch erwartet. Das wäre immer noch deutlich weniger als die 40 Cent, die der Bundesverband deutscher Milchviehhalter fordert, damit Milchbauern dauerhaft rentabel arbeiten können. Die EU-Agrarpolitik muss deshalb deutlicher auf umweltschonende Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Tierschutz ausgerichtet werden.

Verbraucher werden künftig für Milchprodukte und Fleisch etwas mehr zahlen müssen. Doch wenn sie davon weniger in besserer Qualität kaufen, ernähren sie sich gesünder und bekommen lebenswerte ländliche Räume und eine sauberere Umwelt dazu.

© Tobias Reichert ist Volkswirt und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen des Welthandels, der Europäischen Agrarpolitik und ihren Auswirkungen auf Entwicklungsländer. Seit April diesen Jahres ist er Referent für Welthandel und Ernährung für die Entwicklungs- und Umweltinitiative Germanwatch. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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