Höhere Lebenserwartung:Privatrenten werden gekürzt

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Die Deutsche Aktuarsvereinigung hat für Inhaber privater Rentenversicherungen die Lebenserwartung neu berechnet. Die Branche muss deshalb die Prämien für Neuverträge und die Rückstellungen erhöhen. Gleichzeitig warnen Verbraucherschützer vor veralteten Verträgen.

Von Hans-Willy Bein, Andreas Kunze und Martin Reim

Der DAV stellte die so genannten Sterbetafeln am Mittwoch auf einer Pressekonferenz vor. Sie zeigen die Lebenserwartungen von Versicherungskunden pro Altersstufe.

Auch die Rürup-Rente wird von den höheren Prämien betroffen sein. Foto: ddp (Foto: N/A)

Gesetzliche Rentenversicherung nicht betroffen

Die Daten sind für alle privaten Rentenversicherungen relevant, also für traditionelle Verträge ebenso wie für Riester-Policen. Auch die kapitalgedeckte Leibrenten-Versicherung, auch Rürup-Rente genannt, wird davon betroffen sein.

Sie wurde jüngst gesetzlich beschlossen und soll ab Anfang 2005 steuerlich massiv gefördert werden. Den Spitznamen hat sie von ihrem Erfinder, dem Regierungsberater Bert Rürup.

Sie gelten nicht für die gesetzliche Rentenversicherung und auch nicht für die private Krankenversicherung. Diese beiden Sparten verwenden eigene Sterbetafeln.

Von 2005 an gültig

Ergebnis der DAV-Kalkulation: Die Versicherungskunden haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als noch vor zehn Jahren, als die letzte Sterbetafel eingeführt wurde.

Konnten 65 Jahre alte Männer damals damit rechnen, im Schnitt 86 Jahre alt zu werden, so hat sich dieser Wert heute auf 89 Jahre verlängert.

Bei Frauen im gleichen Alter nahm die Lebenserwartung von 90 auf 92 Jahre zu. Die Aktuarvereinigung empfiehlt der Versicherungswirtschaft, die geänderten Rechnungsgrundlagen im Neugeschäft von Anfang 2005 an zugrunde zu legen.

Die Versicherungsunternehmen sind zwar nicht gezwungen, diesen Empfehlungen zu folgen, doch geschieht dies in aller Regel. Im Schnitt dürften die Beiträge für sofort beginnende Rentenversicherungen um höchstens zehn Prozent steigen, sagte DAV-Chef Kurt Wolfsdorf.

Höhere Rückstellungen der Versicherungen

Die Beiträge für aufgeschobene Rentenversicherungen könnten bei Frauen um bis zu 12 Prozent und bei Männern um bis zu 20 Prozent höher ausfallen.

Die höhere Lebenserwartung erfordert nach Einschätzung der Mathematiker bei den Versicherungsunternehmen eine Auffüllung der Reserven für die Rentenbestände.

Gerechnet wird mit einem höheren Reservebedarf für 2004 von rund 2,5 Prozent und in den kommenden Jahren von gut 0,1 Prozent der Deckungsrückstellungen pro Jahr. Für die gesamte Branche entspricht das einem Volumen von vier Milliarden Euro.

Einige Unternehmen hätten im Vorgriff auf neue Sterbetafeln aber bereits begonnen, ihre Reserven aufzufüllen, hieß es.

Für bereits bestehende Verträge ändert sich die Prämienhöhe durch die Einführung der neuen Sterbetafeln nicht. Allerdings wird nach den Worten Wolfsdorfs die Überschussbeteiligung schmaler und damit die gesamte monatliche Rente niedriger ausfallen.

Experten raten deshalb all jenen zur Vorsicht, die in diesem Jahr noch eine Privatrente abschließen wollen. Sie sollten sich erkundigen, ob bereits die aktuelle Lebenserwartung berücksichtigt wurde.

Denn rechnet die Gesellschaft noch mit alten Zahlen, droht bereits von 2005 an eine schmerzhafte Rentenkürzung. Der Versicherungsmathematiker und Sachverständige Peter A. Schramm warnt deshalb: "Nur die garantierte Rente ist wirklich verlässlich, der Überschussanteil kann bis auf Null gesetzt werden."

Mitte der 90er Jahre fühlten sich zahlreiche Kunden wegen des unerwarteten Austausches der Sterbetafel getäuscht. Obwohl die Versicherer wussten, dass sie die Rechnungsgrundlagen aktualisieren werden müssen, bekamen Kunden noch alte Tarife verkauft.

Kurze Zeit nach Vertragsschluss sanken die Auszahlungen dann teilweise drastisch. Das ließen sich Kunden nicht gefallen und erstritten daraufhin Schadenersatz.

In einem Fall wurde ein Lebensversicherer sogar verurteilt, die prognostizierte Rente tatsächlich zu zahlen.

Sollten jetzt noch neue Privatrenten auf Basis der überholten Sterbetafel von 1994 ohne ausdrücklichen Warnhinweis verkauft werden, könnten Kunden den Vermittler oder Lebensversicherer dafür haftbar machen.

© SZ vom 17. Juni 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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