Hiltl:Fanpost für eine Hose

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Wie sich der Oberpfälzer Hosenspezialist trotz eines widrigen Branchenumfelds Marktanteile sichert.

Von Elisabeth Dostert

Franz Josef Wolf schwärmt für Hosen. "Es gibt nichts Schöneres", sagt er und streicht über seine "Lieblingshose", das Modell Satoria: italienischer Wollstoff, mit Hemdenstoff gefüttert, angeschnittene Zunge, Hand verstürzte Taschen und ein elastisches Band, damit auch "der Bund bei Männern mit 26- und 27-Figuren nicht rollt".

Zwischen 260 und 290 Euro koste das Modell im Einzelhandel, sagt Wolf und schwelgt weiter in Details. 430 Meter Nähgarn werden in jeder Hose vernäht. Vier bis fünf Stiche pro Zentimeter, "der Sicherheit wegen", üblich seien drei.

Die "Konstruktion" jeder Hose sei gleich, betont er. Wolf leitet als Geschäftsführer den Verkauf des Bekleidungsunternehmens Fritz Hiltl Hosenfabrik GmbH & Co in Sulzbach-Rosenberg am Ostrand der Oberpfälzer Alb. Fanpost kommt manchmal auch. Etwas anderes als Herrenhosen produziert das Unternehmen nicht.

"Wir haben über die Jahrzehnte an Details festgehalten, die andere unter dem Preisdruck in der Textilwirtschaft längst wegrationalisiert haben." Wolf greift nach einer anderen Hose und kippt ein Glas Wasser darüber aus. Es perlt ab, die letzten Tropfen tupft Wolf weg, ohne Flecken zu hinterlassen. Er lächelt triumphierend. "Das funktioniert auch mit Kaffee oder Cola", schwört er.

In den Wasser und Schmutz abweisenden Stoff sind die jüngsten Erkenntnisse der Nanotechnologie verarbeitet. Und dann zeigt Wolf noch ein Modell. "Das preiswerteste liebe ich nicht so." Es sei hochgradig quersubventioniert. ¸¸Aber wir brauchen die Einstiegspreislage von knapp 100 Euro Endverbraucherpreis", sagt er.

Seit 50 Jahren profitabel

Ein Bekleidungshersteller habe drei Möglichkeiten, doziert der Verkaufschef. Entweder er bringt ein Produkt von passabler Qualität mit hohen Marketinganstrengungen auf den Markt oder verkauft minderwertige Ware über Masse und Kalkulation.

"Wir als mittelständischer Hersteller können nur mit Qualität, Flexibilität, Kontinuität und Innovationen bestehen." Die Finanzkraft für Marketingausgaben in Höhe von mehreren Millionen Euro hat Hiltl nicht, brauchte sie aber bislang auch nicht.

Entgegen dem rückläufigen Trend in der Bekleidungsindustrie konnte Hiltl den Umsatz 2002 um ein Prozent auf 22 Millionen Euro steigern, sagt Günter Pilhofer, der für die Finanzen zuständige Geschäftsführer. Auch in diesem Geschäftsjahr gehe es aufwärts. Verluste habe Hiltl in der fast 50-jährigen Firmengeschichte nie geschrieben.

95 Prozent der 500.000 Hosen, die jährlich produziert werden, werden unter dem eigenen Namen verkauft.

In den vom Branchendienst Markt Intern erhobenen Umfragen des Fachhandels landet das Unternehmen regelmäßig auf Platz eins. "Wir wollen nicht die Größten, sondern die Besten sein", sei schon die Philosophie von Fritz Hiltl gewesen, der das Unternehmen 1955 mit seiner Frau Hedwig gründete.

Drei Jahre später zeigt der aus Schlesien stammende Schneidermeister seine erste Kollektion auf der Herrenmodewoche in Köln. In den Folgejahren errichtete er zwei Werke in Sulzbach-Rosenberg und kaufte eines im benachbarten Hirschau zu.

Seit seinem Tod im März 1994 wacht seine Frau über das Lebenswerk. Die 77-Jährige fühlt sich dem Standort Sulzbach-Rosenberg verpflichtet und will ihre Anteile in eine Stiftung einbringen. Zu den Hochzeiten in den 80er Jahren beschäftigte die Firma in ihren drei deutschen Werken 600 Personen.

Heute sind es noch knapp 200, Hirschau wurde aufgegeben. "Auch wir spüren den Druck aus dem Einzelhandel", sagt Pilhofer. Die Verkaufspreise seien in den vergangenen Jahren "praktisch stabil geblieben", während die Kosten anzogen. Der Handel diktiere den Herstellern seine Preisvorstellungen. "Wir waren gezwungen, uns nach Alternativen umzusehen", sagt Pilhofer.

Anfang der 90er Jahre verlagerte Hiltl einen Teil der Produktion zu Lohnunternehmern in Ungarn. 1999 wurde die Fertigung dort wieder aufgegeben. In der Bekleidungsindustrie sei Ungarn bereits ein Hochpreisland, sagt Wolf.

Der damalige Partner saß in Györ, wo sich auch die Autoindustrie ansiedelte. Die könne höhere Löhne, bessere Arbeitszeiten und Sozialleistungen bieten ¸¸Wo sich die Autoindustrie niederlässt, hat ein Textilhersteller keine Chance mehr", sagt Wolf: ¸¸Wenn in den Betrieben nicht mehr Ungarn beschäftigt sind, sondern Leiharbeiter aus Rumänien, muss man die Zeichen der Zeit erkennen."

Seit 1999 lässt Hiltl in Rumänien produzieren, seit vergangenem Jahr auch in Bulgarien. 80 Prozent des Produktionsvolumens stamme mittlerweile aus dem Ausland. "Wenn wir nur noch dort lohnfertigen lassen, verlieren wir als Firma Hiltl unsere Daseinsberechtigung. Wir brauchen einen eigenen Standort für die Weiterentwicklung der Hose", so Pilhofer.

Die Endkontrolle erfolgt ausschließlich in Sulzbach-Rosenberg. Lieferungen für den amerikanischen Markt werden komplett dort hergestellt. In den USA zähle "Made in Germany" noch. Das Ausland steuere mittlerweile ein Viertel zum Umsatz bei.

Kurzfristige Aufträge werden ebenfalls am Firmensitz abgearbeitet. "Wenn ein Paradekunde wie Hirmer oder Peek & Cloppenburg anruft und kurzfristig mal 500 Hosen braucht, dann powern wir durch", sagt Wolf. Die Mischfinanzierung sichere die Existenz der Firma. "Ohne die Auslandsfertigung gäbe es Hiltl nicht mehr", sagt Pilhofer.

Die größte Kunst sei es, die Qualität gegen den Preisdruck zu halten. "Es gibt Handelsgruppen, mit denen arbeiten wir nicht zusammen", sagt Wolf. Hiltl brauche die besten Herrenausstatter und Fachhändler sowie ausgewählte Filialisten.

Der für Wolf und Pilhofer in der Qualität begründete Preisunterschied ist erklärungsbedürftig. Das schafft auch nicht jeder Verkäufer. Sorgen machen Wolf Fachhändler und Herrenausstatter, die noch 70 Prozent zu den Erlösen beisteuern, deren Zahl aber rückläufig sei aufgrund von Insolvenzen, Nachfolgeproblemen oder auslaufenden Mietverträgen.

Hiltl brauche berechenbare Partner. "Mit Karstadt, Kaufhof oder Leffers geht der Preiskrieg erst richtig los", so Wolf. "Irgend einer von den großen Warenhauskonzernen macht immer Rabatte."

© SZ vom 22.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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