Herbstgutachten:Wachstumsdelle statt starker Aufschwung

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Das Herbstgutachten der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute fällt ernüchternd aus: Die Hoffnung auf eine kräftige Konjunkturerholung im kommenden Jahr schwindet.

Die deutsche Wirtschaft wird im kommenden Jahr an Schwung verlieren. In ihrem am Dienstag veröffentlichten Herbstgutachten geht die überwiegende Mehrheit der sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute davon aus, dass die Wirtschaftsleistung 2005 nur noch um 1,5 Prozent zulegen wird, nachdem das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr noch um 1,8 Prozent wachsen soll.

Container am Burchardkai des Hamburger Hafens: Der Export wird die Konjunktur nach Einschätzung der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute im kommenden Jahr nicht mehr so stark stützen wie im laufenden Jahr. (Foto: Foto: ddp)

Abweichende Einschätzung

Eine abweichende Einschätzung vertritt lediglich das Deutsche Institut für Wirtschaftfsforschung (DIW), das für 2005 von einem Wachstum von zwei Prozent ausgeht.

Für Deutschland werde 2005 "konjunkturell kein schlechtes Jahr", betonten die Institute. "Die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft wird jedoch nicht überwunden."

Impulse seien bisher ausschließlich aus dem Ausland gekommen. "Sie haben noch nicht auf die Nachfrage im Inland übergegriffen, und die binnenwirtschaftliche Schwäche hält nunmehr ungewöhnlich lange an."

Nun sei zu erwarten, dass die vom Export getragenen Impulse "schwächer werden, da der globale Aufschwung insbesondere in seinen Kraftzentren USA und China an Tempo verliert".

Noch keine Besserung am Arbeitsmarkt

Am Arbeitsmarkt habe die konjunkturelle Erholung bisher nicht zu einer Besserung der Lage geführt, heißt es in dem Gutachten weiter.

Zwar habe die Zahl der Beschäftigten seit Jahresbeginn langsam zugenommen; dies sei aber vor allem Folge neuer Instrumente der Arbeitsmarktpolitik wie Minijobs und Ich-AGs. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei dagegen weiter gesunken, und die Arbeitslosigkeit "spürbar gestiegen".

Mit fortschreitender Belebung der Konjunktur würden sich allmählich die Beschäftigungsperspektiven zwar aufhellen, prognostizieren die Experten. Angesichts des von der Mehrheit der Institute erwarteten moderaten Wachstumstempos sei "eine rasche und durchgreifende Besserung der Lage am Arbeitsmarkt im Prognosezeitraum allerdings wenig wahrscheinlich".

Ein schlüssiges Konzept für eine wachstumsfördernde Politik sei von der Bundesregierung bislang nicht vorgelegt worden, monierten die Wirtschaftsforscher.

Grundsätzlich habe die Regierung mit der Agenda 2010 zwar "Weichen in die richtige Richtung gestellt". Es bleibe aber der Eindruck, dass es sich vor allem um Einzelmaßnahmen handele.

Die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik habe zudem "zu einer überraschend starken" Inanspruchnahme eines Teils der neu eingeführten Instrumente wie Mini­Jobs und Ich-AGs geführt.

Gefahr der anhaltenden Subventionierung

Wichtig sei aber vor allem, den ersten Arbeitsmarkt wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. "Geschieht dies nicht, ist die Gefahr groß, dass der Staat in wachsenden Segmenten des Arbeitsmarktes Arbeitsplätze auf Dauer subventioniert." Die Gewerkschaften forderten die Institute auf, mittelfristig relativ niedrige Lohnforderungen zu stellen.

In der Finanzpolitik habe Deutschland unterdessen "erneut wichtige Ziele verfehlt", hieß es weiter. 2004 werde das Haushaltsdefizit voraussichtlich bei 3,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegen. Und auch im kommenden Jahr werde Deutschland mit 3,5 Prozent erneut die Drei-Prozent-Vorgabe des europäischen Stabilitätspaktes im vierten Jahr in Folge überschreiten.

Die Mehrheit der Institute (RWI Essen, HWWA Hamburg, IfW Kiel und ifo München) plädiert dafür, die Konsolidierung im kommenden Jahr zu verstärken, ein Sparprogramm aufzulegen und auf jeden Fall das Defizit auf drei Prozent zu begrenzen.

"Besonderes Risiko"

Für die Weltwirtschaft insgesamt stellten die hohen Ölpreise "ein besonderes Risiko" dar, erklärten die Institute. Sie bremsten das globale Wachstum.

Die Weltwirtschaft wird den Instituten zufolge 2005 voraussichtlich mit einer Rate von 3,2 Prozent wachsen, nach einem sehr kräftigen Anstieg um 3,9 Prozent in diesem Jahr.

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