Helmut Schreiner:"Ich liebe Geld, und das Geld liebt mich"

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Der Mittelständler über seinen Baueifer, kluge Investitionen und den Unterschied zwischen Machern und Leadern. Bald kommt der zweite Gedichtband des Unternehmers heraus.

Interview von Elisabeth Dostert

Helmut Schreiner, 76, hat es wieder getan. Er baut. Mitte April war Richtfest. Ende des Jahres soll das 8000 Quadratmeter große Gebäude in Oberschleißheim eröffnet werden, Platz für 230 Mitarbeiter. Schreiner hat aus der kleinen Firma seiner Eltern, einer Druckerei für Etiketten, einen Hightech-Konzern gemacht. Zum Produktsortiment der Gruppe gehören Vignetten, Sticker für kontaktloses Zahlen, selbstklebende Bänder, um Infusionsflaschen aufzuhängen. Das operative Geschäft führt seit 2012 sein Sohn Roland. Helmut Schreiner sitzt im Beirat. Er schreibt auch Gedichte - über die Erbschaftsteuer, zum Beispiel, oder Flucht. Die Botschaft ist: "Wir schaffen das."

Zudem ist er Ehrenprofessor an der International University of Business and Law in Kherson in der Ukraine.

SZ: Herr Professor Schreiner, wie viel haben Sie in den vergangenen Jahren gebaut ?

Helmut Schreiner: Wir haben etwa 47 000 Quadratmeter Betriebsfläche geschaffen. In den Gründungsjahren hatten wir immer viel zu wenig Platz. Meine Eltern Margarete und Theodor Schreiner haben die Firma 1951 in der Garage gegründet. Dann kam der Hühnerkeller dazu. Da konnten wir endlich ein Fotolabor einrichten. Dann haben wir auf Ölheizung umgestellt und konnten den Kohlekeller als Papierlager nutzen.

Wie alt waren Sie da?

Ich war 13 Jahre alt und ging bei meinen Eltern in die Lehre.

Sie klingen so, als sei Platzangst der Grund für Ihren Baueifer!

Platzangst würde ich das nicht nennen. Aber ich habe erlebt, dass Wachstum Platz braucht. Und umgekehrt regt Platz zu Wachstum an. Aus dem Einfamilienhaus zogen wir dann in ein altes Wirtshaus um, da hatten wir vielleicht 200 Quadratmeter. Als wir dann 1970 hier im Münchner Stadtteil Fasanerie unser erstes eigenes Betriebsgebäude bauten, hatten wir wieder doppelt so viel Platz. Mitte der 80er-Jahre ist die Firma dann raus nach Oberschleißheim gezogen. Da habe ich dann auf 6000 Quadratmeter Grund gebaut. Ich habe alle fünf Jahre den Umsatz verdoppelt. Die Fläche ist parallel mitgewachsen.

Wie viel haben Sie in den vergangenen 20 Jahren für Immobilien ausgegeben?

Einen dreistelligen Millionenbetrag. Wir haben den Gewinn immer weitestgehend in der Firma gelassen, da war genug Substanz für die Immobilienfinanzierung da.

War es leicht, eine Bank zu finden?

Für uns schon, wir hatten ja die nötige Ertragskraft. 70 Prozent der Immobilien gehören uns, ein Drittel ist noch mit Hypotheken belastet.

Arbeiten Sie nur mit einer Bank?

Wir haben immer schön gewechselt. Ich möchte nie für einen anderen ein Klumpenrisiko sein. Ich will das Risiko selber tragen.

Eigentlich gibt es derzeit doch kaum eine bessere Geldanlage als Immobilien!

Sie wissen doch, was alle Immobilienexperten raten. Die Lage muss stimmen, das gilt auch für Gewerbeflächen. Unsere Immobilien müssen auch fremdvermietbar sein. Als Unternehmer leben sie gefährlich. Es können Märkte wegbrechen, es verändert sich Grundsätzliches. Sie können nie erwarten, dass alles so bleibt und es immer aufwärtsgeht. Ich bin ein Freund des hausväterlichen Wirtschaftens.

Was unterscheidet denn den Hausvater von der schwäbischen Hausfrau?

Ich versuche vorauszudenken, positiv realistisch zu sein, aber nicht euphorisch, und unabhängig zu bleiben. Der Hausvater ist ehrlich und arbeitet nachhaltig.

Gehören die Immobilien der Schreiner Group oder der Familie Schreiner privat?

Sie sind wertvoller Teil der Firma. Ich habe das nie verstanden, dass große Konzerne ihre Zentralen verkaufen und dann wieder mieten und sich dann noch wohler fühlen.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Das machen nicht wenige Unternehmen?

Ja, aber nicht die Mittelständler. Der mittelständische Unternehmer weiß ganz genau, dass er im Ernstfall nur Geld geliehen bekommt, vor allem in schlechten Zeiten, wenn er Sicherheit geben kann. Diesem Zweck dienen die Immobilien.

Aber die Bilanz sieht schöner aus, wenn keine Immobilienkredite drin stehen?

Der Mittelständler muss niemandem gefallen, der muss seine Sache in Ordnung halten. Ich brauche nicht den Beifall von Analysten, wohl aber vom Kunden.

Gab es Momente, in denen Ihnen die Kreditlasten Angst gemacht haben?

Nie. Ich habe das große Glück, dass meine Frau und ich nicht von Angst geprägt sind. Wir sind immer Risiken eingegangen, und wir haben nie Angst gehabt, dafür mehr die Chancen gesehen.

Woher kommt das?

Ich kenne heute den Zusammenhang von Selbstvertrauen und Gottvertrauen. Ich hatte auch Leidenszeiten. Ich habe die Firma Anfang der 70er-Jahre von meinen Eltern in Leibrente übernommen. Ich hatte einen hohen Betrag zu zahlen, den musste ich erst einmal verdienen. Ich konnte nicht anders, als nach vorne zu schauen.

Warum haben Ihre Eltern dem einzigen Sohn die Firma nicht einfach geschenkt?

Meine Eltern brauchten eine finanzielle Absicherung fürs Alter. Für mich war das die Chance, selbst etwas aufzubauen. Ich bin ihnen dankbar. Nach und nach habe ich dann erkannt, was ich bei meinen Eltern alles gelernt habe, mit Fleiß und Erfindungsreichtum aus Nichts etwas zu machen, nachhaltig zu wirtschaften, den Wert der Familie. Nach dem Tod meines Vaters habe ich mich 20 Jahre um meine Mutter gekümmert. Das war wunderbar, wenn ich abends zu ihr fuhr und ihr erzählt habe, wie der Tag gelaufen ist, was im Geschäft lief. Meine Mutter hat sich mit mir gefreut.

Was bedeutet Ihnen persönlich Geld?

Ich liebe Geld. Für mich ist Geld eine übersetzte Leistung. Geld ist ein Stück Freiheit, Dinge zu tun. Nicht für mich persönlich, sondern für die Firma, eine neue Maschine zu kaufen, ein neues Werk zu bauen oder eine Niederlassung zu gründen.

Haben Sie keine persönlichen Träume?

Ich will gesund bleiben, das ist mein größter Wunsch. Ich habe ein schönes Zuhause und eine schöne Firma. Ich bin im Leben reich beschenkt worden, reicher als ich je gedacht hätte. Als mein Vater nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Gefangenschaft kam, hatten wir buchstäblich nichts. Ich kannte meinen Vater nicht einmal. Ich kannte Krieg, Flucht und Zerstörung. Meine Eltern haben sich dann mit Siegelmarken und Etiketten selbständig gemacht. Dazu gehörte unheimlich viel Mut. Das aus diesen Anfängen so eine Firma entstanden ist, das ist doch wie ein Wunder.

Aber doch nicht nur?

Nein, dazu gehörte auch viel, viel, viel Fleiß.

Wie viel ist Wunder und wie viel ist Fleiß?

Das geht Hand in Hand. So lange die Dinge, die werden, mit Dankbarkeit gesehen werden, so lange bleibt einem das Glück auch hold.

Wie reagieren Ihre Studenten an der Universität Graz, wenn Sie als Gastdozent ihnen mit solchen Sätzen daherkommen?

Super. Das sind Master-Studenten. Wir diskutieren über Themen wie Leadership. Was ist ein Macher und was ist ein Leader? Wann wird aus einem Macher ein Leader?

Und, die Antwort?

Ein Leader kann Sinn geben, eine Vision entwickeln, die sich nicht allein am Profit orientiert. Ein Leader macht aus Geführten Gefährten.

Wie ist denn aus dem Macher Schreiner ein Leader geworden?

Das hat eine Zeit lang gedauert. Ich hatte gute Vorbilder, Albert Schweitzer, zum Beispiel. Der hat mich Verantwortung und Respekt vor dem Leben gelehrt. Mit den Jahren haben wir einen Werte-Kodex für Schreiner entwickelt. Unsere Werte sind Qualität, Leistungskraft, Innovation und Freude. Freude als Unternehmenswert haben die wenigsten verstanden. Freude ist eine unglaubliche Energiequelle. Jeder braucht Freude.

Roland, Ulrike und Helmut Schreiner beim Richtfest. 2014 setzte die Gruppe mit 855 Mitarbeitern knapp 150 Millionen Euro um. (Foto: Bernhard Assfalg)

Nicht jeder wird jeden Tag Freude haben. Was machen Sie mit anhaltend freudlosen Mitarbeitern?

Ein Leader hat nicht das Recht, anderen vorzuschreiben, wie sie denken und leben sollen. Auch Freude nicht. Ich kann den anderen nur meine Werte vorleben. Ich bin auch ein wenig Philosoph und schreibe gerne Gedichte. Ich bringe gerade meinen zweiten Band mit 50 neuen Gedichten heraus.

Was sind das für Gedichte?

Ein Morgengedicht, zum Beispiel: Mit Schlaf und Traum die Nacht gelebt, der Morgen nun nach oben strebt. Es ruft die Ordnung und die Pflicht, schenk ihr ein freundliches Gesicht. Begreif den Tag als ein Geschenk. Sei konzentriert, nicht abgelenkt. Geh Deinen Weg und denk daran, am Abend zählt, was Du getan.

Verkaufen Sie die Gedichtbände?

Nein, ich verschenke sie. Das ist Teil meines Lebens, Menschen glücklich zu machen.

Was gönnt sich der Privatmann Schreiner? Ich investiere in Immobilien, aber auch das tue ich verantwortungsvoll. Mein Sohn hat meine Nachfolge angetreten. Ich habe auch eine Tochter. Aus Gründen der Fairness muss ich auch sie bedenken. Früher habe ich viel in Immobilien investiert. Auch da gilt der Spruch: Im Einkauf liegt der Gewinn. Ich würde heute keine überteuerte Wohnung kaufen. Ich müsste doch dann dem Mieter einen Preis abverlangen, der nicht mehr fair ist.

Was heißt das? Würden Sie heute keine Wohnung mehr in München kaufen?

Wenn der Preis nicht stimmt, nein.

Haben Sie denn den Eindruck, dass die Preise noch stimmen?

Offenbar ist die Nachfrage immer noch da, sonst würde ja kein Bauträger bauen. So lange jemand die Wohnung selbst nutzt und seine Freude daran hat, weil er in einer schönen Gegend wohnt und von der Dachterrasse einen tollen Ausblick hat, ist der Kauf in Ordnung.

Sie kaufen nicht mehr?

Doch, neulich habe ich eine Wohnung gekauft. Es ging nicht anders. Ein aus Afrika stammender Mitarbeiter suchte für sich und seine Freundin eine Wohnung. Glauben Sie, dass ein Schwarzer in München eine Wohnung findet? Wir haben gesucht und gesucht. Am Ende habe ich dann eine Wohnung gekauft und sie an ihn vermietet. Aber wenn ich selbst schon versorgt bin, und ich kaufe mit geliehenem Geld etwas, um es zu vermieten, da wäre ich sehr vorsichtig. Ich bin kein Zocker. Was glauben Sie, wie glücklich ich bin, dass ich in all den Jahren den Verführungen einer steuersparenden Geldanlage nicht erlegen bin.

War die Verführung denn so groß?

Massiv. Das ging schon nach dem Fall der Mauer los mit Investitionen in Ostdeutschland.

Was haben Sie den Verführern gesagt?

Ich will daran kein Geld verdienen. Das mache ich nicht. Mir wurden enorme Summen an DDR-Mark angeboten, die ich dann zu einem lukrativen Kurs in D-Mark hätte umtauschen können.

Wenn man in diesen Tagen die Enthüllungen der Panama Papers liest, wirken Menschen wie Sie wie Außenseiter.

Das stimmt nicht. Wir sind die Mehrheit. Es gibt viele, die machen nur nicht so viel Aufhebens um ihre Person und von denen redet keiner. Das ist ja auch peinlich, wenn man sich vorne hinstellt und so tut, als sei man der Allerbeste.

Sie glauben , dass die Menschen, die in Briefkastenfirmen ihr Vermögen verstecken , in der Minderheit sind?

Natürlich sind die in der Minderheit. Man darf auch nicht alle Briefkastenfirmen verteufeln. Es gibt doch versteuertes Geld, das jemand ganz bewusst über eine Briefkastenfirma investiert, etwa in Schifffonds. Da wird das eben so gehandhabt. Wenn die Einnahmen der Briefkastenfirma dann versteuert werden, ist doch alles in Ordnung. Da sollte man schon genau hinschauen, bevor man urteilt. Und eines sollte man nicht vergessen: Der Staat schafft die Rahmenbedingungen, auch die Schlupflöcher. Auf der anderen Seite werden in Deutschland keine Fabriken mehr gebaut, weil die Abschreibungsbedingungen so viel schlechter sind als in anderen Staaten. Wir haben hier hohe Standards und hohe Kosten.

Sie könnten auch woanders bauen als in Oberschleißheim!

Könnte ich, tun wir auch. Wir haben ein Werk in den USA. Aber das Herz der Schreiner Group schlägt hier. Der Mittelstand ist heimatverbunden. Geld ist nicht alles.

Investieren Sie in Schifffonds und Aktien?

In Aktien schon, aber ich entscheide, in welche Papiere ich investiere. Ich schau mir die Firmen genau an, die Geschäftsführung, die Produkte, die Märkte. Und ich weiß, wann es an der Zeit ist, Gewinne mitzunehmen. Ich habe eine ausgeprägte Witterung für gute Geschäfte. Ich liebe Geld und das Geld liebt mich.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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