"Helfen Sie mir":Die Rettung vor dem Bankberater

Lesezeit: 3 min

Zwischen Wiso und Börsen-TV: Wie das Fernsehen mit dem Thema Wirtschaft umgeht. Wie das Fernsehen mit dem Thema Wirtschaft umgeht.

Thomas Nötting

Michael Opoczynski erhält viel Post von Zuschauern. Häufig enden die Briefe an den Redaktionsleiter des ZDF-Magazins Wiso mit einer Bitte. "Helfen Sie mir", schrieb einmal ein verzweifelter Anleger.

So läuft Wirtschaft im Fernsehen: ein Buttertest bei Wiso. Hier schnuppert Schauspielerin Stephanie Japp gerade an dem Streichfett. Das Ergebnis des Wiso-Buttertests wird am 10. April 2006 in der Wiso-Sendung im ZDF verkündet. (Foto: Foto: dpa)

"Mein Bankberater hat mir zum Kauf von riskanten Titeln geraten." Auch komplette Steuererklärungsunterlagen mit der Bitte um Bearbeitung erreichten die Redakteure am Mainzer Lerchenberg schon.

"Rettungsanker"

"Die Welt für den Verbraucher ist komplizierter geworden", erklärt Opoczynski. "Für viele Menschen sind wir ein Rettungsanker".

Seit 22 Jahren gibt es das Wirtschaftsmagazin im Zweiten. Es ist die reichweitenstärkste Sendung zu ökonomischen Themen im deutschen Fernsehen. Seit fünf Jahren erzielt sie konstante Marktanteile um elf Prozent beim Gesamtpublikum und zwischen fünf und sechs Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen.

Eine Ausnahme. In der Regel sind monothematische Wirtschaftssendungen im TV auf dem Rückzug. Insbesondere bei privaten Sendern fristet das Thema ein Nischendasein.

Beispiel Bizz: Das Magazin startete 2000 als TV-Ableger des gleichnamigen New-Economy-Titels aus dem Hause Gruner + Jahr auf ProSieben.

Die TV-Variante überlebte ihr Printvorbild um mehrere Jahre, indem sie eine Metarmorphose vom jungen Wirtschaftsmagazin zur männeraffinen Lifestyle-Sendung durchlief. Das vorläufige Ende: ProSiebens neuer Chef Andreas Bartl will das Format zum Schwesterkanal Kabel eins abschieben.

Noch Ende der neunziger Jahre stand Wirtschaft bei den TV-Machern höher im Kurs. Als der Gang aufs Börsenparkett zum Volkssport wurde, ließ sich mit Berichten und Magazinen rund ums Geld selbst gut verdienen.

Analog zum steigenden Dax ging auch die Erfolgskurve des Nachrichtensenders n-tv nach oben. "Alle Dotcoms, die Börsengänge planten, wollten unbedingt dort präsent sein", erinnert sich Christian Wulff, Leiter TV der Hamburger Agentur Pilot Media. "Der Sender war ausgebucht. Selbst wenn man wollte, hätte man dort keine Kampagne mehr platzieren können."

Keine Quote mit Kursen

Um an diesem Kuchen zu partizipieren, startete die ProSiebenSat.1-Gruppe im Januar 2000 den Konkurrenzkanal N24. Doch schon wenige Monate später platzte die New-Economy-Blase und damit das ursprüngliche Geschäftsmodell.

Die potenzielle Werbekundschaft starb den Dotcom-Tod. "Das Interesse hat sich damals von der Börse wegbewegt", konstatiert Torsten Rossmann, seit rund zwei Jahren Geschäftsführer des Senders. "Im Programm haben wir dem Rechnung getragen und das Thema nicht mehr so in den Vordergrund gestellt." Der ehemals Letzte im Kampf der Kleinstsender ist inzwischen Erster:

N24 liegt bei den Marktanteilen heute klar vor dem Konkurrenten und hat bei den Werbeeinnahmen kräftig aufgeholt.

Der frühe Schock erweist sich im Nachhinein als heilsam: Während n-tv länger an Konzepten aus den Boom-Zeiten festhielt, rüstete sich N24 schneller für die Zeit nach dem Crash. Die Erfolgsfaktoren: konsequente Integration als Nachrichtendienstleister in die Senderfamilie und Erweiterung des Programms auf Dokumentationen, Reportagen und Magazine.

Das Beispiel zeigt: Mit Kursen und Anlagetipps allein lässt sich in Deutschland keine Quote machen. Die spitze Zielgruppe der Spezialisten taugt als Geschäftsgrundlage nur bei internationaler Ausrichtung, wie dies die Wirtschaftssender CNBC und Bloomberg praktizieren.

Wirtschaft findet bei N24 vormittags im Nachrichtenblock statt. Ab der Primetime dominieren Reportagen und Magazine. Bei n-tv setzt man weiter stärker auf Wirtschaftsprofis.

In den relevanten Vormittagsschienen, führt man dort ins Feld, liege man zumindest in der Zielgruppe 14 plus vorn. In Köln ist man stolz auf die "einzigartige Position auf dem deutschen TV-Markt", so Senderchef Johannes Züll. "Nur wir betreiben in diesem Umfang Wirtschaftsberichterstattung."

Die Konkurrenz aus Berlin, meint Sendersprecher Philip Hiersemenzel, würde ihre Quotenerfolge vor allem mit populären Dokumentationen erwirtschaften.

Ein Argument, dem N24-Geschäftsführer Rossmann widerspricht: "Das ist Unsinn und wird auch nicht dadurch richtiger, dass n-tv das gerne behauptet."

Trend zur Breitenwirkung

Dokumentationen hätten 2005 tagsüber lediglich 29 Prozent zum Gesamtmarktanteil beigetragen. Die N24-Programmstruktur richte "sich nach den Anforderungen der Zuschauer", betont Rossmann. "Unser Erfolg basiert darauf, dass wir ihnen das bieten, was sie zu bestimmten Zeiten jeweils interessiert."

Mediaplaner Wulff bucht bei beiden Sendern: "Bei Zielgruppen, die über 49 hinausgehen, ist n-tv oft die bessere Wahl. N24, wenn man jünger unterwegs ist."

Der Trend zur Breitenwirkung ist im Wirtschafts-TV überall zu sehen. Immer mehr bekannte Gesichter tauchen bei Nachrichten- und Wirtschaftskanälen auf: CNBC Europe verpflichtete unlängst ARD-Talkerin Sabine Christiansen. N24 setzt mit Michel Friedman, Dieter Kronzucker und zuletzt Arabella Kiesbauer auf die Promi-Schiene, n-tv schickt Ex-RTL-Nachrichtenmann Heiner Bremer ins Rennen.

Möglicherweise aber steigen künftig wieder die Aktien für harte Wirtschaftsthemen im TV. N24-Chef Rossmann lässt momentan wieder "Formate entwickeln, die das Thema Börse und Aktie aufgreifen". Im zweiten Quartal sollen sie starten.

© Quelle: werben & verkaufen - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: