Heimlich Daten heruntergeladen:SAP hat bei Oracle gewildert

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Europas führender Softwarekonzern hat sich illegal beim Erzrivalen Oracle Softwareprodukte verschafft. Das Unternehmen sieht darin aber keine Industriespionage, sondern nur einen "unangemessenen Zugriff".

Im Streit mit dem Erzrivalen Oracle um angebliche Industriespionage hat der Softwarekonzern SAP Verfehlungen eingeräumt.

Die US-Tochterfirma TomorrowNow habe in einigen Fällen "unangemessen" auf Daten von Oracle zugegriffen, sagte SAP-Chef Henning Kagermann am Dienstag. Die Daten seien allerdings nicht an SAP geflossen, sondern in den separaten Systemen der Tochter geblieben.

"Sie haben die Firewall zu SAP nicht passiert." Oracle, der weltgrößte Anbieter von Datenbanken-Software, hatte SAP in einer mehr als 50-seitigen Klageschrift in Kalifornien des Diebstahls geistigen Eigentums in großem Stil bezichtigt.

Die Klage bildet den Höhepunkt eines oft mit harten Bandagen ausgefochtenen Kampfes um Marktanteile. Nun stimmte SAP versöhnliche Töne an: So hält die badische Softwareschmiede in dem Streit auch eine außergerichtliche Einigung für möglich.

Anleger verkaufen die SAP-Aktie

"Wir sind offen für alle Optionen", sagte Kagermann. Allerdings sei vor der gerichtlichen Anhörung im September in San Francisco nur wenig Neues zu erwarten. Ob der Konzern bereits Rückstellungen für den Prozess gebildet hat, will SAP erst mit den Quartalszahlen am 19. Juli bekannt geben.

Branchenexperten rechnen allerdings nicht mit Milliarden-Strafen für SAP. "Abgesehen von der PR und den potenziellen Auswirkungen auf Kunden ist das keine große Sache", sagte Analyst Stefan Kuppen von JP Morgan.

Die Anleger gingen trotzdem auf Nummer sicher und trennten sich von ihren SAP-Papieren: Die Aktie notierte ein Prozent im Minus, während der Dax ein Prozent im Plus lag.

"Jeder einzige unangebrachte Download ist unannehmbar", sagte Kagermann. "Wir bedauern sehr, dass das passiert ist." SAP habe die Managementstrukturen von TomorrowNow geändert, um eine korrekte Unternehmensführung sicher zu stellen.

Kagermann installiert Mark White, den Leiter des operativen Geschäfts von SAP in den USA, an der Spitze von TomorrowNow.

Oracle erklärte, der Konzern habe den Prozess angestrengt, um das Ausmaß der illegalen Datentransfers und deren Verwendung durch SAP herauszufinden. Es sei ein Erfolg, dass SAP illegale Downloads zugegeben habe.

Beide Unternehmen wollen mit dem US-Justizministerium zusammenarbeiten. Die Ermittlungen der Behörde gelten als Indiz dafür, dass es neben der Zivilklage auch zu einem Strafprozess kommen könnte.

Trotz der juristischen Auseinandersetzung will SAP weiter Kunden von Oracle abwerben. Ein vor allem von TomorrowNow angebotenes Programm werde nicht gestoppt, sagte Kagermann.

TomorrowNow bietet Dienstleistungen für Kunden an, die Software von Firmen wie PeopleSoft, JD Edwards und Siebel nutzen.

Diese Anbieter waren Teil der 20 Milliarden Dollar teuren Einkaufstour von Oracle in den vergangenen Jahren. Für seine Services besorgte sich TomorrowNow mit Hilfe der Passwörter seiner Kunden wiederholt Daten aus Oracle-Rechnern. In den meisten Fällen sei dies rechtmäßig gewesen, erklärte SAP.

"SAP scheint praktisch jede Datei in jeder Bibliothek heruntergeladen zu haben", beklagt dagegen Oracle. Der SAP-Vorstand habe den Daten-Diebstahl durch die Tochter TomorrowNow angestoßen und gebilligt, beschuldigte Oracle das Management der Walldorfer.

Dadurch sei Oracle ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstanden, da auch Kunden zu SAP abgewandert seien.

SAP ist mit Abstand der weltweit größte Anbieter von Unternehmens-Software. Oracle hat sich jedoch mit Erlösen aus dem angestammten Datenbank-Geschäft in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Akquisitionen in die SAP-Domäne eingekauft.

SAP hält wenig von großen Übernahmen und will seinen Marktanteil vorrangig mit selbstentwickelten Programmen ausbauen.

© sueddeutsche.de/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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