Heftige Turbulenzen am Devisenmarkt:Euro erstmals über 1,30 Dollar

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Der Euro hat am Mittwoch erstmals seit seiner Einführung vor knapp sechs Jahren die Marke von 1,30 Dollar übersprungen. Anschließend sackte der Kurs ab. Dazu trug eine überraschende Verbesserung der US-Handelsbilanz bei.

Von Martin Hesse und Andreas Oldag

Trotz eines unerwarteten Rückgangs des Defizits in der amerikanischen Handelsbilanz setzte der Euro zunächst seinen Höhenflug fort. Mit 1,3005 Dollar notierte die Gemeinschaftswährung zeitweise so hoch wie noch nie zuvor seit der Einführung an den Finanzmärkten zum 1. Januar 1999.

Hektik am Devisenmarkt: Händler an der Chicago Mercantile Exchange. (Foto: Foto: AP)

Allerdings schwankte der Kurs im Tagesverlauf heftig und gab nach dem Rekordhoch bis 16.45 Uhr wieder auf 1,2870/75 Dollar nach. "Die Zahlen zur US-Handelsbilanz haben eigentlich gegen einen Euro-Anstieg gesprochen", sagte Volkswirt Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank.

"Der Markt wollte die 1,30-Dollar-Marke aber fallen sehen." Nach Erreichen der Marke strichen Anleger jedoch Gewinne ein.

Strukturelle Probleme der US-Wirtschaft

Das Defizit in der US-Handelsbilanz war im September mit 51,56 Milliarden Dollar niedriger als von Analysten erwartet ausgefallen. Devisenexperten erklärten jedoch, auch der Rückgang des Fehlbetrages ändere nichts an den strukturellen Problemen der US-Wirtschaft.

So erwarten viele Investoren nach der Wiederwahl von George Bush eine Ausweitung des Defizits in der Leistungsbilanz. Um den Fehlbetrag zu finanzieren, brauchten die USA einen niedrigen Dollarkurs.

Mit Spannung blickten die Investoren vor diesem Hintergrund auf die erste Zinsentscheidung der amerikanischen Notenbank nach den Wahlen.

Der kräftige Stellenzuwachs in den USA im Oktober hat nach Einschätzung von Ökonomen Zweifel an einer Zinspause der US-Notenbank zerstreut. Die Risiken zwischen Konjunktur und Inflation beurteilen die Währungshüter ähnlich wie nach ihrer Sitzung im September als ausgeglichen.

Signale für das neue Jahr

Nun wird sich die Diskussion darum drehen, welche Signale die Fed für die Entwicklung bis zum neuen Jahr geben wird. Nach Einschätzung der Mehrheit der US-Ökonomen wird der Offenmarktausschuss, der am 14. Dezember zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommt, die Zinsen nochmals leicht anheben.

Wie aus Fed-Kreisen verlautet, wäre ein abermaliger Zinsschritt zudem ein Signal, den Dollar gegenüber dem Euro nicht weiter fallen zu lassen. Eine Leitzinserhöhung macht den Dollar für Anleger attraktiver.

Spielraum für eine Zinspause könnte Greenspan gewinnen, wenn der Ölpreis weiter sinkt. Anlass zu dieser Hoffnung gab am Mittwoch die Internationale Energieagentur (IEA).

Allmählich wieder Öl-Vorräte

Nach Einschätzung der IEA hat die Ölpreis-Hausse ihren Höhepunkt erreicht. Als Grund nannte die Agentur die wieder steigenden weltweiten Ölvorräte sowie die wachstumsdämpfenden Auswirkungen der hohen Energiekosten. Erstmals seit einem Jahr bildeten sich nun allmählich wieder Vorräte.

Auch die Nachfrage nach Rohöl schwäche sich etwas ab. Am Mittwoch kostete in London ein Barrel der Sorte Brent 43,52 Dollar. US-Öl verbilligte sich ebenfalls weiter auf 47,15 Dollar.

Trotz dieser leichten Entspannung rechnet die Europäische Zentralbank (EZB) nach den Worten ihres Chefvolkswirts Otmar Issing nicht mit einem baldigen Absinken der Inflationsrate im Euro-Raum unter die Marke von zwei Prozent.

Die Sorgen der EZB

Zum Euro-Kurs wollte sich Issing nicht äußern. Doch macht sich die EZB offenbar zunehmend Sorgen um die Schwankungsanfälligkeit der Währung.

Der niederländische Notenbankchef Nout Wellink nannte die Volatilität des Euro "weitaus besorgniserregender" als den hohen Wechselkurs. Die Euro-Aufwertung sei zuletzt ziemlich schnell erfolgt, sagte Wellink. Diese Entwicklung dürfe sich so nicht fortsetzten. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte am Montag von einer "brutalen" Aufwertung gesprochen.

© SZ vom 11.11.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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