Haushaltsloch:Brüssel will deutsches Defizitverfahren verschärfen

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Im laufenden Wahlkampf ist Finanzminister Eichel bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Manchester unter Druck geraten: Die EU-Kommission will das auf Eis liegende deutsche Defizit-Strafverfahren im November wieder aufnehmen. Damit drohen Sanktionen.

Der österreichische Finanzminister Bundesfinanzminister hatte moniert, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel die Entwicklung des bereits über dem EU-Grenzwert liegenden deutschen Defizits zu positiv einschätze.

Hans Eichel wird schon wieder mit dem Defizitverfahren konfrontiert. (Foto: Foto: AP)

Grasser sagte nach dem Treffen mit den anderen Finanzministern der Euro-Zone am Freitag in Manchester, der von Eichel prognostizierte Defizitwert von 3,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für dieses Jahr sei wahrscheinlich nicht zu halten. "Wir erwarten ein Defizit von 3,9 bis vier Prozent in Deutschland", sagte Grasser unter Hinweis auf Berechnungen der EU-Kommission.

Grasser forderte dann die EU-Kommission auf, klare Maßnahmen gegen Deutschland zu ergreifen. Die Kommission will nach der Wahl über die Entwicklung beraten.

Erklärung zum Ölpreis

Die Euro-Finanzminister berieten zudem über die Folgen hoher Ölpreise für die europäische Wirtschaft. Im Laufe der zweitägigen Konferenz solle dazu eine Erklärung veröffentlicht werden, hieß es dazu von EU-Diplomaten.

Die Erklärung soll von den Ressortchefs aller 25 EU-Staaten unterschrieben werden, die am Nachmittag zusammenkommen wollten. Die Minister dürften unter anderem dazu aufrufen, die Nachfrage nach Öl durchschaubarer zu machen, um spekulative Preissteigerungen zu bremsen.

Wie schon bei früheren Höhenflügen der Ölpreise reagieren die EU-Staaten nicht einheitlich auf diese Entwicklung. So erwägt Frankreichs Ressortchef Thierry Breton für sein Land eine Sondersteuer auf die Extragewinne der Ölkonzerne.

Gordon Brown warnt

Der Gastgeber der Konferenz, der britische Schatzkanzler Gordon Brown, warnte in einem Gastbeitrag für die Financial Times vor einer ölpreisbedingten Stagnation der europäischen Wirtschaft. "Das Wachstum in Europa wird in diesem Jahr gerade einmal 1,2 Prozent erreichen, und die Arbeitslosigkeit in der EU dürfte sich 10 Prozent nähern - damit wären 20 Millionen Menschen ohne Job."

Bisher hatte die EU-Kommission das Wachstum im Euro-Gebiet für das laufende Jahr mit 1,6 Prozent veranschlagt.

Während des Treffens geriet der Italien bereits umstrittene Zentralbankchef Antonio Fazio nun auch seitens der europäischen Nachbarländer unter Druck: Der österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser rief Antonio Fazio am Freitag am Rande des Treffens indirekt zum Rücktritt auf. "Jeder Zentralbankchef und jeder Finanzminister muss sich fragen, ob Fazio glaubwürdig ist", sagte Grasser.

Die Frage sei, ob sein Festhalten am Amt im Interesse der italienischen Zentralbank sei. "Wenn er sich selbst diese Frage stellt, sollte er auch eine klare Antwort finden."

Fazio nicht erschienen

Fazio war zu dem Treffen anders als die anderen Notenbankgouverneure nicht erschienen. Zuvor hatte der italienische Finanzminister Domenico Siniscalco Fazio zum Rücktritt aufgefordert und sich geweigert, zusammen mit dem Zentralbankchef an dem Treffen teilzunehmen.

Der 69-jährige Fazio steht wegen mutmaßlicher Parteinahme während der Übernahmeschlacht um zwei italienische Banken in der Kritik. Er soll bei dem Bieterwettstreit zugunsten italienischer Institute interveniert haben, obwohl ausländische Konkurrenten bessere Angebote vorlegten. Damit hätte er gegen das Unparteilichkeitsgebot der Zentralbank verstoßen.

Die italienische Regierung kann Fazio nach bisher geltenden Regeln nicht entlassen, da er auf Lebenszeit ernannt ist. Regierungschef Silvio Berlusconi, der Fazio ebenfalls zum Rücktritt aufgefordert hatte, bekräftigte am Freitag in Rom, dass seiner Regierung die Handhabe fehle. "Nur die Europäische Zentralbank kann einschreiten", sagte er.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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