Haushaltsdebatte:"Sie haben sich in die Büsche geworfen"

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Gerhard Schröder hat im Bundestag die umstrittene Reform Hartz IV als als sozial ausgeglichen verteidigt. Der Opposition warf der Kanzler vor, sich vor dem Unmut der Bevölkerung weggeduckt zu haben.

Schröder wies alle Forderungen nach Korrekturen an Hartz IV erneut zurück, kündigte zugleich aber eine spätere Überprüfung möglicher Fehlentwicklungen an.

Gerhard Schröder im Bundestag. (Foto: Foto: dpa)

"Wenn wir jetzt nicht handelten, dann würde es zu spät sein", sagte Schröder am Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Ziel der Arbeitsmarktreform sei es, die stetig wachsende Langzeitarbeitslosigkeit stärker zu bekämpfen.

Später solle aber korrigierend eingegriffen werden, wenn Wirkungen erzielt würden, die mit dem Gesetz nicht beabsichtigt seien. Dies lasse sich aber erst nach Inkrafttreten von Hartz IV feststellen.

"Großer Ermessensspielraum"

Konkret nannte Schröder die Frage der Zumutbarkeit angebotener Jobs. Da sich dies nur sehr schwer abstrakt definieren lasse, sei hier den Fallmanagern der Arbeitsagenturen ein großer Ermessensspielraum eingeräumt worden.

"Ich gehe davon aus, dass damit verantwortlich umgegangen wird", sagte der Kanzler. Er verteidigte auch die Grenzen für Zuverdienstmöglichkeiten von Empfängern des neuen Arbeitslosengeldes II sowie die Höhe der Freibeträge für die Anrechnung von Vermögen.

Als steuerfinanzierte Leistung werde das Arbeitslosengeld II "aufgebracht auch aus den Steuermitteln der Verkäuferin". Auch dies sei eine Gerechtigkeitsfrage.

Scharfe Angriffe

Scharfe Angriffe richtete der Kanzler erneut an die Adresse von Union. Die Opposition habe sich "in die Büsche geworfen", als die notwendigen Reformen wie die Einführung der Praxisgebühr zu Jahresbeginn zu massivem Unmut in der Bevölkerung geführt hatte.

Wenn jetzt CDU-Ministerpräsidenten die Freigrenzen für das Vermögen als zu niedrig kritisierten, werde das der Lage nicht gerecht: "Die gleichen Ministerpräsidenten haben dafür gesorgt, dass nicht weniger, sondern mehr Schärfe ins System gekommen ist", sagte Schröder mit Blick auf von der Union durchgesetzte Forderungen im Vermittlungsverfahren zu Hartz IV.

Genauso sei es bei den Zuverdienstmöglichkeiten. "Diejenigen, die weniger gefordert haben, laufen jetzt herum und sagen, wir hätten mehr an Zuverdienst schaffen sollen."

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle warf der rot-grünen Koalition vor, keine verlässliche Politik zu machen. "Sie haben keine Linie in den wesentlichen Bereichen", sagte Westerwelle am Mittwoch in der Generaldebatte über den Haushaltsentwurf 2005 im Bundestag. "Sie verwalten die Krisen, aber Sie gestalten nicht die Zukunft - und das merken die Menschen."

Westerwelle zitierte Bundeskanzler Gerhard Schröder mit den Worten: "Diese Regierung handelt vielversprechend." Der FDP-Chef meinte dazu: "Sie versprechen viel, und Sie halten wenig - deshalb laufen Ihnen die Menschen davon."

Stimmungsmache

Auch würden die Reformen aus den Reihen von Rot-Grün zerredet und zur Stimmungsmache missbraucht. Immer wieder gebe es Widerstand aus der Bevölkerung, weil Rot-Grün keine verlässliche Politik mache.

Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Katrin Göring-Eckardt, verteidigte den Reformkurs der Bundesregierung gegen Kritik aus der Opposition. Rot-Grün habe beispielsweise für Stabilität bei der Rente gesorgt und die Gesundheitsreform auf den Weg gebracht.

"Wir sind auf dem halben Weg, aber wir werden da nicht stehen bleiben", sagte Göring-Eckardt am Mittwoch in der Generaldebatte über den Etatentwurf 2005 im Bundestag.

Die rot-grüne Koalition werde gerade bei der Krankenversicherung die Reformen mit dem Konzept der Bürgerversicherung vorantreiben, sagte die Fraktionschefin.

Mögliche Härten

Sie appellierte an alle Abgeordneten, bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreform Hartz IV auf mögliche Härten zu achten. Keinesfalls dürften aber Ängste geschürt werden, die dann ausgenutzt würden, wie beispielsweise von der PDS: "Das ist Populismus, wie er nicht geht."

Göring-Eckardt warf der Union vor, für Verschärfungen der Regelungen für Arbeitslose verantwortlich zu sein, aber nicht dazu zu stehen. Und statt von einer neuen Spaltung zwischen Ost und West zu reden, müsse man gemeinsam auf das stolz sein, was man erreicht habe.

"Ich möchte, dass das Fördern Wirklichkeit wird." Niemand dürfe sich einfach zurücklehnen, sondern müsse bei der Umsetzung der Reformen helfen. Den Ärmsten im Lande werde es künftig besser gehen, wenn die Chancen von Hartz IV genutzt würden, sagte Göring-Eckardt.

CDU-Chefin Angela Merkel sprach in der Zwischenbilanz rot-grüner Politik von einem Debakel. Es reiche nicht, wenn die Konjunktur allein über die Exporte anziehe. Die Binnennachfrage müsse gestärkt werden. Die Menschen seien aber verunsichert. Der Mangel an Glaubwürdigkeit sei das Dilemma rot-grüner Politik.

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