Haushaltsdebatte:"Eichel kämpft seinen letzten Kampf"

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Die Opposition hat mit heftiger Kritik auf die Vorstellung des Bundeshaushalts 2004 reagiert. Eigentlich müsse man den Rücktritt von Finanzminister Eichel verlangen, erklärte der Unionsfraktionsvize Friedrich Merz. Zuvor hatte Eichel selbst den Etatentwurf als "Haushalt mit den größten Risiken" bezeichnet.

Bundesfinanzminister Hans Eichel sei auf der ganzen Linie gescheitert, erklärte Merz.

In der Haushaltsdebatte des Bundestages sagte er, Eichel kämpfe seinen letzten Kampf und stehe mit dem Rücken zur Wand. Der SPD-Politiker sei politisch, fachlich und persönlich gescheitert.

Zuvor hatte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) an die Opposition und die Bundesländer appelliert, sich den rot-grünen Finanz- und Sozialreformen nicht in den Weg zu stellen.

Hinterlassenschaft der schwarz-gelben Bundesregierung

Jetzt müsse der Reformstau aufgelöst werden, den die alte schwarz-gelbe Bundesregierung 1998 hinterlassen habe, sagte Eichel bei Einbringung des Bundeshaushalts 2004 in den Bundestag.

Zu seinem Etatentwurf sagte Eichel: "Das ist in der Tat der Haushalt mit den größten Risiken." Als Gründe nannte er die anhaltende Wachstumsschwäche, die auf ein Drittel des Etats angestiegenen Zuschüsse des Bundes an die Rentenversicherung, die Unionsmehrheit im Bundesrat sowie finanzielle Risiken aus der Osterweiterung der Europäischen Union. Hierzu kündigte er harte Verhandlungen in der EU an.

"Es gibt keine Haushaltskonsolidierung ohne nachhaltiges Wachstum", sagte Eichel. "Wir werden nicht noch dem Konjunkturabschwung hinterhersparen", rechtfertigte er eine vorübergehend höhere Neuverschuldung.

Aus der Position der Stärke heraus gebe es gleichwohl gute Chancen, aus dieser Lage heraus zu kommen. Eichel nannte eine verbesserte Stimmung bei den Unternehmen. Allmählich "überwiegen die Chancen leicht die Risiken". Der Finanzminister kündigte in seiner Rede für den Spätherbst auch einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr an.

Forderung nach einem Nachtragshaushalt

Merz erklärte, angesichts der katastrophalen Haushaltslage hätte der Finanzminister zur ersten Lesung des Bundeshaushalts 2004 einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr vorlegen müssen.

Da Eichel bereits die zu erwartende Überschreitung der Defizitgrenze an die EU-Kommission gemeldet habe, müsse er auch wissen, wie sich der Haushalt entwickele und die drohenden finanziellen Belastungen durch die Sozialversicherungen, ein drohendes Liquiditätsproblem der Rentenversicherung und das "unkalkulierbare Zinsrisiko" bei den Wertpapieren des Bundes benennen.

Merz erneuerte sein Angebot an die Regierung, gemeinsam die Finanzen der Gemeinden zu sanieren. Was Eichel bislang vorgelegt habe, sei "Fusch und Flickwerk". Gemeinsam könnten Koalition und Opposition jedoch den Gemeinden helfen, indem die Gewerbesteuerumlage gesenkt und der Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer angehoben werde.

"Ausgangslage für einen Staatsbankrott"

Der Finanzexperte der Union, Dietrich Austermann, erklärte, die rot-grüne Regierung steuere "in eine immer höhere Neuverschuldung" hinein, "die sich als Ausgangslage für einen Staatsbankrott" darstelle.

Der FDP-Wirtschaftsexperte Günter Rexrodt bezeichnete den Haushaltsentwurf als ein "Zahleninferno". Die schlechten Zahlen beim Bruttoinlandsprodukt, bei den Arbeitslosen und der Verschuldung seien "das traurige Ergebnis" von Eichels Finanzpolitik.

Die Grünen-Haushaltsexpertin Antje Hermenau hielt dagegen, mit dem Haushalt 2004 werde erstmals seit Jahren ein "Strukturhaushalt" kommen, durch den Bund und Länder es schafften, "Defizite strukturell abzubauen". Deutschland dürfe nicht länger von seiner Substanz leben, sondern müsse "Strukturprobleme" beseitigen. Die Opposition hinke "programmatisch" hinterher.

Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß forderte die Union auf, eigene Antworten und Maßnahmen vorzulegen. Im ARD-Morgenmagazin sagte er, Eichels Entwurf sei "die einzig realistische Antwort auf die schwierige Wirtschaftslage".

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