Hausarzt-Modell:Nach der Euphorie kam die Ernüchterung

Lesezeit: 3 min

In der Schweiz wird das Hausarzt-Modell bereits seit Jahren praktiziert. Als wirkliches Sparmodell für die Kassen hat es sich jedoch nicht erwiesen. Und wer lässt sich schon gern den Arzt vorschreiben.

Von Sabine Liebscher

Es gibt sie erst seit wenigen Monaten. Und doch kann schon wieder Schluss sein mit der Praxisgebühr.

In der Schweiz lässt der erhoffte Erfolg der Hausarzt-Modelle auf sich warten. (Foto: Foto: dpa)

Zumindest dann, wenn man sich für ein Hausarzt-Modell der Krankenkasse entscheidet. Denn Patienten können sich die Gebühr sparen, wenn sie im Krankheitsfall zuerst ihren Hausarzt aufsuchen.

Was immer also mit der Praxisgebühr bezweckt gewesen sein mag — der Gedanke liegt nahe, dass sie schon allein deshalb eingeführt wurde, um mit der möglichen Befreiung die Versicherten für neue Ideen zu gewinnen.

Denn Bundesregierung und Krankenkassen versprechen sich vom Hausarzt-Modell mittelfristig deutliche Kosteneinsparungen.

Seit neun Jahren in der Schweiz

Unser Nachbarland Schweiz hat bereits 1996 begonnen, den Hausarzt zu einem Gesundheitsmanager aufzuwerten.

Und auch hier wurden und werden Versicherte mit Rabatten gelockt. Nachlässe zwischen zehn und zwanzig Prozent werden auf die Prämie gewährt. Bei durchschnittlich umgerechnet 1.650 Euro Versicherungs-prämie pro Jahr wären das bis zu 330 Euro.

Dagegen wirkt es etwas armselig, dass in Deutschland mit bis zu 40 Euro (erlassene Praxisgebühr) geworben wird. Zumal diese Ersparnis nur für diejenigen spürbar wird, die tatsächlich regelmäßig zu Arzt gehen.

Zwei Modelle

In der Schweiz gibt es zwei unterschiedliche Varianten: das klassische Hausarzt-Modell und die so genannten Gesundheitszentren.

Im klassischen Modell sind die behandelnden Ärzte in einem Netzwerk organisiert, haben jedoch kein gemeinsames Budget. Stattdessen können sie jede ihrer Leistungen einzeln über die Krankenkasse abrechnen.

Damit bestehen für diese Ärzte keine finanziellen Anreize, besonders effizient zu arbeiten. Experten bestätigen, dass bei diesem Modell maximal fünf Prozent, manchmal aber auch nichts gespart wird.

Doch die Mehrzahl der Schweizer Versicherten, die sich überhaupt für ein Hausarzt-Modell entscheiden, wählen dieses klassische Variante.

Deutlich weniger Schweizer lassen sich in den Gesundheitszentren behandeln. Dabei bieten gerade diese Zentren das eigentliche Sparpotential für die Hausarzt-Modelle. Experten sprechen von bis zu zwanzig Prozent Kosteneinsparungen.

Denn hier wirtschaften die Ärzte mit ihrem eigenen Budget. Dieses wird mit der Krankenkasse jedes Jahr neu verhandelt und von ihr zur Verfügung gestellt. Die Kasse ist dabei gewöhnlich an Gewinnen und Verlusten beteiligt.

Denkbar ist freilich, dass bei diesem Modell Leistungen verweigert werden, um das eingesparte Geld zu behalten. Hier müssen die Ärzte also auf das blinde Vertrauen der Patienten setzen.

Die verschiedenen Hausarzt-Modelle in der Schweiz existieren zwar bereits seit mehr als neun Jahren. Doch ist noch immer viel Über-zeugungsarbeit nötig, damit das Krankenversicherungssystem wie erhofft davon profitieren kann.

Gerade einmal acht Prozent der 7,3 Millionen versicherten Schweizer nehmen an diesen Modellen teil.

Und so kam nach der anfänglichen Euphorie seitens der Krankenkassen die Ernüchterung. Und die dauert bis heute an.

Auf freie Arztwahl nicht verzichten

Die Modelle sind für Versicherte einfach nicht attraktiv genug und die Prämienrabatte einfach zu gering, als dass Patienten ihr Ärzte-Wahlrecht dafür aufgeben würden.

"Gesunde Versicherte" haben damit kein Problem, denn sie sind fast nie beim Arzt. Erwiesenermaßen sind in der Schweiz vor allem solche Versicherte zu den Hausarzt-Modellen gewechselt.

Sie profitieren von niedrigeren Beiträgen, ohne positive Kosteneffekte bei den Kassen zu erzielen. Wohl deshalb wird das Modell in Expertenkreisen auch als reines Prämiensparmodell bezeichnet.

Es fehlen die "kranken Versicherten", bei denen die Kassen tatsächlich sparen könnten. Wie heißt es so schön: Wo kein Strom fließt, kann man auch keinen Strom sparen.

Tatsächliche Effizienz schwer nachweisbar

Es ist ohnehin kaum messbar, ob niedrigere Kosten in diesen Modellen überhaupt auf eine effizientere medizinische Behandlung oder nur auf "gesunde Mitglieder" zurückzuführen sei.

Schweizer Ärzte und Krankenversicherer stehen nach wie vor hinter der Idee des Hausarzt-Modells. Es müssen jedoch deutlich bessere Anreize für die Versicherten gesetzt werden. Nur so kann das "Ärzte-Hopping", bei dem Patienten in Eigentherapie von Arzt zu Arzt zu ziehen, ein Ende haben. Nur so kann der Behandlungsprozess effizienter werden. Und nur so können Krankenkassen langfristig sparen.

Im Prinzip ist der Traum von einem persönlichen Hausarzt, der auf jedes Leiden eine Antwort hat, ein schöner Traum. Ein Arzt, der jedes Wehwehchen richtig deutet, der nicht zu voreilig handelt, aber auch nicht verharmlost. Ein Arzt, der den Patienten sein Leben lang begleitet, der seine komplette Krankheitsgeschichte kennt. Doch dieser Traum ist leider fern jeder Realität.

Hausarzt auf Vorschrift

Deshalb dürfte das Hausarzt-Modell auch in Deutschland auf seine Grenzen stoßen. Der Gedanke, dass sich Patienten auf nur einen einzigen Arzt, der nicht einmal selbst gewählt, sondern von der Kasse vorgeschrieben wird, verlassen müssen, wirkt beunruhigend.

Hinzu kommt die durchaus übliche Praxis, sich gerade bei ernsteren Beschwerden die Meinung eines zweiten Fachmannes einholen zu wollen. Doch was, wenn der Hausarzt keine Überweisung ausstellt und auf die eigene Behandlung setzen will?

Aus dem "Arzt meines Vertrauens" kann schnell der "Arzt meiner Kasse" werden. Das Vertrauen in das Gesundheitssystem würde schwinden. Immer mehr Versicherte könnten einen Arztbesuch meiden und sich in Eigentherapie versuchen. Dann wiederum könnten die Kassen sparen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: