Hartz-IV-Empfänger:Arbeitsagentur: "Über zehn Prozent betrügen"

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Jeder zehnte Empfänger von Arbeitslosengeld II trickst, schätzt die Bundesagentur für Arbeit. Die Daten stammen aus einer umstrittenen Telefonumfrage. Das Erwerbslosen Forum Deutschland reagiert auf die Vorwürfe empört und fordert eindeutige Beweise.

Die Debatte über Missbrauch beim Bezug von Arbeitslosengeld II hält an. Der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Peter Clever, geht nach eigenen Angaben von einer Missbrauchsquote "von sicherlich über zehn Prozent" aus.

Demgegenüber wandte sich das Erwerbslosen Forum Deutschland gegen eine Diskriminierung der Hartz-IV-Empfänger und forderte Clever zu Beweisen für seine Behauptung auf.

Clever bezog sich auf das "niederschmetternde Ergebnis" einer Telefonaktion bei 390.000 Arbeitslosengeld-II-Empfängern. 170.000 seien kein einziges Mal erreichbar gewesen, obwohl jeweils zehn Anrufe an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Zeiten gemacht worden seien. 43.000 Befragte, die erreicht wurden, hätten die Teilnahme an der freiwilligen Befragung abgelehnt. Und bei sieben Prozent der Verbliebenen habe sich herausgestellt, dass sie gar nicht arbeitslos seien.

Diese seien zum Teil in "betrügerischer Absicht" gemeldet gewesen, zum Teil hätten sie vergessen, eine Änderung wie etwa den Erhalt einer Lehrstelle zu melden. "Aber bei zirka 32.000 Personen spricht man von einer Grauzone", fügte Clever hinzu. Hier müsse noch weiter geforscht werden, erst recht bei den 170.000, die gar nicht erreicht worden seien.

Das Erwerbslosen-Forum Deutschland reagierte empört auf die Aussagen Clevers und erklärte, es erwarte sofort eindeutige Beweise für seine "ungeheuerlichen Behauptungen". Mit den Beschuldigungen suche die Bundesagentur nur Sündenböcke für ihre hausgemachten Probleme, nachdem zuvor schon das Bundeswirtschaftsministerium Arbeitslose pauschal stigmatisiert und als Parasiten bezeichnet habe.

Umstrittenen Callcenter-Aktion

"Das sind schon wirklich abenteuerliche Konstruktionen, welche die Bundesagentur aus ihrer eher zweifelhaften Telefonaktion zieht. Sie muss sich fragen lassen, wie sie es denn mit seriöser Datenerhebung hält", sagte der Pressesprecher der Organisation, Martin Behrsing, in Bonn. Es müsse sich niemand von den sehr bedenklichen Anrufaktionen der von der Bundesagentur beauftragten Callcenter belästigen lassen.

Selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte habe diese Aktion als sehr bedenklich bezeichnet. Unangekündigte Hausbesuche seien nicht erlaubt, weil die Wohnung durch das Grundgesetz geschützt sei. "Wir stellen immer wieder fest, dass die Sozialgerichte den angeblichen Leistungsmissbrauch sofort kippen, wenn auf die eher zweifelhaften Erkenntnisse der Sozialdetektive zurückgegriffen wird", kritisierte Behrsing.

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