Hartz IV:"Das ist ein Strafzoll"

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Rutscht ein Jobsuchender in das neue Arbeitslosengeld II, muss die Bundesagentur für Arbeit mehrere tausend Euro an den Bund zahlen. Das will sie künftig vermeiden.

Von Jonas Viering

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) wäre auch bereit, auf ihren Zuschuss von der Bundesregierung zu verzichten, wenn der so genannte Aussteuerungsbetrag wegfiele.

"Das ist ein Strafzoll", sagte Finanzvorstand Raimund Becker über den Aussteuerungsbetrag. Für jeden Fall, in dem jemand nach höchstens zwölf Monaten vom beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I ins steuerfinanzierte Arbeitslosengeld II wechselt, muss die BA 10.000 Euro zahlen.

"Stiege 2005 die Zahl der Übertritte vom einen System in das andere, so würde der Aussteuerungsbetrag für uns ein Haushaltsrisiko bedeuten", warnt Becker.

Ein solcher Anstieg ist wahrscheinlich, weil die Zahl der Ablehnungen beim Arbeitslosengeld II deutlich niedriger ausgefallen ist als erwartet.

Betrug am Beitragszahler

Der Bundeszuschuss soll 2005 vier Milliarden Euro betragen, der Aussteuerungsbetrag bislang 6,7 Milliarden Euro. Fiele beides weg, wäre der Saldo für die BA positiv. Die Chancen, dies zu verwirklichen, sind angesichts des knappen Bundeshaushalts gering. Beckers Vorstoß ist deshalb nur Teil einer Attacke gegen den Aussteuerungsbetrag.

Die Spitzen des Verwaltungsrats der Behörde haben Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement und Bundesfinanzminister Hans Eichel in einem Brief aufgefordert, wenigstens die der BA entstandenen Kosten beim Aussteuerungsbetrag anzurechnen, sagte Peter Clever, Vertreter der Arbeitgeber in dem Gremium, der Süddeutschen Zeitung.

"Es muss Schluss sein mit der systemwidrigen Heranziehung der Beitragszahler für Aufgaben der Sozialfürsorge. Das treibt nur die Lohnnebenkosten", sagte Clever.

Wenn die Arbeitsagentur Geld für die Weiterbildung eines Arbeitslosen ausgegeben hat und dieser kurz darauf ins Arbeitslosengeld II rutscht, solle deshalb die Abgabe entsprechend gemindert werden. Vergangene Woche aber habe Clement diesem Ansinnen eine "recht schroffe Absage" erteilt, so Clever. "Wir geben uns damit aber nicht zufrieden." Bei dem Thema herrscht zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften Einigkeit.

Vorerst will die BA selbst nach Bildungsmaßnahmen für eine raschere Integration in den Arbeitsmarkt sorgen. "Mehr Druck" auf die Bildungsträger solle es geben, innerhalb von vier Wochen die Geförderten in einen Job zu kriegen, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt.

Die BA-Chefs räumten ein, dass der Aussteuerungsbetrag den Anreiz zur Vermittlung erhöhen könne. Alt warnte aber vor einer Verzerrung: "Das eine System, die BA, investiert in die Menschen - das andere System, die Träger des Arbeitslosengeldes II, profitiert."

Der so genannte Aussteuerungsbetrag sei gleich doppelt Betrug am Beitragszahler, heißt es im Verwaltungsrat. Nicht nur finanzierten damit die Beitragszahler einen Zuschuss zum Bundeshaushalt. Die Abgabe habe auch "widersinnige Auswirkungen auf die Steuerungslogik der BA", sagte Clever.

Zwei Milliarden Euro gespart

Die Arbeitsagenturen würden künftig vermeiden, sinnvolle Fortbildungen für schlecht qualifizierte Arbeitslosen zu finanzieren, wenn danach absehbar nicht sofort eine Vermittlung gelänge und deshalb der teure Aussteuerungsbetrag fällig werde.

Die BA will die Reihen der Empfänger des Arbeitslosengeldes II in diesem Jahr noch einmal durchkämmen und so die Zahl der Leistungsempfänger senken. "Wir werden verstärkt gucken, ob die Menschen tatsächlich erwerbsfähig sind", kündigte Alt an.

Nur wer mindestens drei Stunden täglich arbeiten kann, hat Anspruch auf das Arbeitslosengeld II. Anderenfalls gibt es nach wie vor kommunal finanzierte Sozialhilfe.

Im vergangenen Jahr hat die BA im Vergleich zu 2003 mehr als zwei Milliarden Euro eingespart und von den 5,2 Milliarden Bundeszuschuss nur 4,2 Milliarden in Anspruch genommen. Dies gelang, obwohl die Beitragseinnahmen unter den Erwartungen blieben.

Gespart wurde vor allem bei der Weiterbildung, außerdem stieg die Zahl der Integrationen in Arbeit durch Vermittlung, Selbstständigkeit oder Eigenbemühung der Jobsuchenden.

Allerdings sind nun viele Einsparpotenziale ausgereizt, räumte Finanzvorstand Becker ein. Er verwies außerdem darauf, dass die Zahl der beitragspflichtigen Erwerbstätigen 2004 um 453000 sank. "Wenn dieser Trend sich fortsetzt, bekommen wir ein Problem", erklärte Becker.

© SZ vom 26.01.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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