Harry Potter:Die Last eines Zauberlehrlings

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Bald ist er da, der fünfte Band. Schwerer, dicker und wortreicher als seine Vorgänger kommt er daher und wird so manchen Postmann auf der britischen Insel zur Auslieferung am Samstag ins Schwitzen bringen - Harry Potter and the Order of the Phoenix.

Stefan Klein

(SZ vom 18.6.2003) — Was muss die Frau auch immer so verdammt viel schreiben? Kann sie sich nicht kürzer fassen und zur Abwechslung mal auf das Wesentliche beschränken? Nein, kann sie offenbar nicht, und ausbaden müssen die Schreibwut der Dame J.K. Rowling nun die Postler von der Royal Mail.

Maximal 16 Kilo darf so ein Zusteller von Amts wegen tragen, aber wenn ein Buch ein Kilogramm wiegt und eine halbe Million davon am kommenden Samstag auszuliefern sind, dann kann man sich leicht vorstellen, dass es auf die herkömmliche Weise nicht gehen wird.

Also denn: Für den fünften Harry-Potter-Band "Harry Potter und der Orden des Phönix" werden am Samstag zusätzliche Lieferwagen auf die Straße kommen, aber auch dann bleibt immer noch ein Problem. Das Buch nämlich ist nicht nur schwer, sondern auch so dick, dass es nicht durch die britischen Briefkastenschlitze passt.

Da muss dann einer, wenn er unbedingt gleich am Samstag anfangen will zu lesen, aufs Shopping verzichten und daheim bleiben — damit er das Buch persönlich in Empfang nehmen kann.

Drei Jahre Wartezeit

So ist das, wenn Frau Rowling ein Buch schreibt, und weil sie sich diesmal länger Zeit gelassen hat, ist das Werk mit 255.000 Worten ein gutes Stück umfangreicher ausgefallen als das letzte. So viel hat selbst das Neue Testament nicht zu bieten, und dass die Abenteuer des mittlerweile nicht mehr ganz so kleinen Zauberlehrlings noch ein bisschen spannender sind als die Wasser-Nummer eines gewissen Jesus auf dem See Genezareth versteht sich von selber.

Ein Phänomen wird man das schon nennen dürfen: Ein von der Stütze lebendes allein erziehendes Aschenputtel hat eine Buchidee, setzt sie um und ist bald darauf reicher als die Queen. Die bisher erschienenen vier Harry-Potter-Bücher sind weltweit fast 200 Millionen Mal verkauft worden, die Verfilmung der beiden ersten war ein Riesenerfolg.

Nur "Titanic" haben noch mehr gesehen als "Harry Potter und der Stein der Weisen". Dazu die gnadenlose Kommerzialisierung, und schon wird Frau Rowling auf fast 400 Millionen Euro taxiert.

Das Schreiben ist durch den märchenhaften Reichtum aber offenbar nicht leichter geworden. Früher hat die Autorin die begierige Potter-Gemeinde pünktlich jedes Jahr mit einem Buch bedient — diesmal dauerte es drei Jahre. Schreibblockade? Millionärsblues? Egal, der fünfte Band ist lieferfertig, 768 Seiten sind bereit, sich verschlingen zu lassen.

Mitternachts-Treffen in der Buchhandlung

In der Nacht zum Samstag wird der Verlag "Bloomsbury" die Tore seiner angeblich schwer bewachten Druckereien öffnen, über zwei Millionen Bücher werden landesweit in die Buchhandlungen gefahren werden, und viele von denen werden schon um Mitternacht öffnen. Es könnte der beste Bestseller aller Zeiten werden.

Eigentlich sehr schön, dass es das noch gibt: So viel Aufregung um ein Kinderbuch, und was die Post beschweren mag, kann den kleinen und großen Lesern gar nicht umfangreich genug sein. Fast ein Wunder, dass es gelungen ist, den Inhalt bis zum Schluss geheim zu... doch welche Meldung kommt da?

Tausende Exemplare des neuen Harry-Potter-Buches aus einem Lager in Nordengland gestohlen. Die Täter, nehmen wir an, haben es vor Spannung nicht mehr ausgehalten — und werden, so man sie fasst, wohl mit mildernden Umständen rechnen können.

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