Handwerk und mehr:Heimspiel

Das Vermittlungsportal Aroundhome will den deutschen Markt für die Handwerkersuche aufmischen und Service rund ums Haus bieten. Das Geschäftsmodell ist nicht ohne Risiko.

Von Jan Willeken, Berlin

Aus ihren Mienen spricht Erschöpfung, Ratlosigkeit, Resignation. Eine ältere Frau im Sessel, ein Paar im Auto und ein Zimmermann in Zunftkleidung horchen in ihre Telefone. Die aber bleiben stumm. Wer also kann helfen, fragt der Werbespot, bei nicht alltäglichen Fragen rund ums Haus? Aroundhome ist die Antwort, zumindest, wenn es nach Robin Behlau geht. Er ist der Chef des Vermittlungsportals, das den deutschen Markt für die Handwerkersuche umkrempeln will. Er hat es auf den gesamten Markt rund ums Haus, Produkte und Dienstleistungen abgesehen. Von den 65 Milliarden Euro, die die Deutschen dafür jedes Jahr ausgeben, vermittelt Aroundhome eine Milliarde, sagt Behlau: "Und wenn wir jetzt 1,5 Prozent Marktanteil haben, warum sollen wir dann nicht auf 15 Prozent kommen?"

Seine Vorbilder sind milliardenschwere US-amerikanische Portale. Auf Seiten wie Houzz oder Home Advisor ist alles vertreten, was irgendwie mit dem Eigenheim zusammenhängt. Der Markt ist heiß umkämpft, die Portale wachsen. Die Gruppe ANGI Homeservices hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von einer Milliarde Euro erzielt. In Deutschland haben sich die Anbieter bisher auf die Vermittlung von Handwerksleistungen beschränkt. "Möglicherweise ist das Handwerk hier etwas langsamer, da es dank der hervorragenden Auftragslage keinen Effizienzdruck verspürt", sagt Claudia Frese, die Vorstandsvorsitzende von My Hammer. Beim größten deutschen Handwerkerportal, das ebenfalls zur ANGI gehört, lag der Umsatz 2018 bei 13,5 Millionen Euro, das ist ein Fünftel mehr als im Vorjahr; als Gewinn blieben unterm Strich 2,1 Millionen Euro. Das Portal sei in erster Linie ein Online-Marktplatz, sagt Frese. Dabei gehe es um "Renovierung, Sanierung und Verschönerung, in der Regel mit deutlich niedrigeren Warenkörben" von wenigen Hundert bis zu 20 000 Euro.

Mehr als die Hälfte der 500 Mitarbeiter sind Kundenberater

Anders bei Aroundhome: "Wir machen Sachen, die teuer und komplex sind", sagt Behlau. Also Dinge, die man vielleicht nur einmal im Leben kauft - keine 1000-Euro-Aufträge. Hier kann die Firma besonders punkten mit dem Service der persönlichen Beratung am Telefon. Mehr als die Hälfte der 500 Mitarbeiter von Aroundhome sind Kundenberater. Bislang liege der Fokus also stärker auf größeren Projekten wie Küchen, dem Verkauf der eigenen Immobilie oder Solaranlagen.

Eigentlich wäre Willi Harhammer also der perfekte Partner für Aroundhome. Und das, obwohl der Inhaber einer Firma für Solar- und Energietechnik bei Nürnberg eigentlich nicht besonders viel von Online-Portalen zur Kundensuche hält. My Hammer hatte er schon ausprobiert, dann aber gemerkt, dass er genug Kunden aus eigener Kraft generiert. Als er Anfang des Jahres einen TV-Spot von Aroundhome sah, rief er dort trotzdem an: "Ich habe dann einen super Verkäufer am Telefon gehabt, der hat mir das Thema sehr gut verkauft", sagt Harhammer. Er entschied sich, Aroundhome eine Chance zu geben. Der Chef kaufte also drei Kundenkontakte pro Woche für jeweils 50 Euro - und wurde enttäuscht. Viele Kunden fragten gar nicht aus echtem Interesse an, sagt Harhammer, sondern eher aus einer Laune oder "einem Viertel Weinglas heraus". Auf zehn Kontakte komme nur etwa einer, der für ihn qualifziert sei. "Wenn das super Aufträge wären nach einer guten Vorauswahl, dann wäre mir das die 50 Euro wert." Direkt nach den ersten Kontakten hat Harhammer den Vertrag wieder gekündigt, er läuft jetzt aus. Bislang ist kein einziger Auftrag zustande gekommen.

Dennoch rät er Handwerkern nicht pauschal von Aroundhome ab: "Für manche ist das natürlich ein guter Zugang zum Internet, ähnlich wie My Hammer", sagt Harhammer. "Für Elektriker, Heizungsbauer, Gärtner, also Kollegen mit niedrigeren Auftragssummen" - eine Solaranlage kostet 10 000 bis 20 000 Euro. Zudem ist Willi Harhammers Betrieb mit 30 Mitarbeitern recht groß, die Hälfte seiner Kunden bekommt er ohnehin schon übers Internet.

"Betriebe, die jetzt schon gut aufgestellt sind im Marketing, brauchen Aroundhome in der Regel nicht", erklärt Volker Geyer, Malermeister und Experte für Internet-Marketing. Aber "Vermittlungsportale wie Aroundhome sind gut geeignet für Handwerksbetriebe, die klein sind und die sich mit Marketing nicht beschäftigen", sagt Geyer. Er sei überrascht, dass nicht schon früher ein Unternehmen wie Aroundhome entstanden ist, das Konzept der persönlichen Beratung sei überzeugend. Umso mehr könnte es zum Problem werden, dass Aroundhome bei seinem wachsenden Portfolio seine Fachfirmen nicht mehr alle persönlich trifft. "Wenn man nur nach Zahlen, Daten, Fakten auswählt, hat man kein Gespür, kein Gefühl dafür, was sich dahinter verbirgt, ob der Kunde zu mir und meinem Konzept passt", warnt Geyer. "Die Frage ist für mich, ob Aroundhome ohne persönlichen Kontakt zu den Betrieben feststellen kann, welcher Betrieb individuell am besten zum Kunden passt." Das dürfte in Zukunft sogar noch schwieriger werden.

"Wir geben jetzt ein paar Jahre lang viel Geld aus, wir stellen die Marke neu auf."

Um dem eigenen Anspruch "Partner rund ums Haus" gerecht zu werden, will Aroundhome mittelfristig auch kleinere Gewerke wie Maler oder Gärtner aufnehmen. "Wir geben jetzt ein paar Jahre lang viel Geld aus, wir stellen die Marke neu auf", sagt Behlau. Gegründet hat er das Unternehmen schon 2008 als Beko Käuferportal GmbH, nun hat er es als letzten Schritt der Neuausrichtung in Be Around GmbH umbenannt. Nachdem es in der Vergangenheit auch schon Gewinne einfahren konnte, steht für 2017 ein Verlust von 6,4 Millionen Euro zu Buche. Das sei eine bewusste Entscheidung für Investitionen, sagt Behlau: "Wir könnten auch jetzt schon profitabel sein. Aber wir wollen lieber ein bisschen schneller wachsen." 2020 will das Portal schwarze Zahlen schreiben.

Illu

Illustration: Stefan Dimitrov

Das Geld steckt Aroundhome in das Anwerben neuer Mitarbeiter und in TV-Werbung, das Unternehmen wächst: 2017 stieg der Umsatz um knapp 30 Prozent auf 62,7 Millionen Euro. Das muss es auch, denn mit Sorge blickt Behlau auf Google und Amazon, die in den USA in den Markt drängen. Aroundhome müsse es schaffen, seine Plattform "tief in der Wertschöpfungskette aller Fachfirmen und Handwerker zu integrieren", sagt er. Wie er das schaffen will? "Wir sind das Tor zum Internet für diese Fachpartner. Online-Marketing ist komplex und superschwer alleine hinzubekommen." Fachkräftemangel und lange Wartezeiten erzeugten oft ein verzerrtes Bild der Lage, sagt Behlau.

Es gebe durchaus viele Betriebe, die wachsen und von den "explodierenden" Preisen im Handwerk profitieren wollten. Aroundhome könne Handwerkern dabei helfen, aus verschiedenen Angeboten die lukrativsten auszuwählen. Und schließlich wüssten seine Partner auch, dass wieder Zeiten kommen werden, in denen es nicht so gut läuft: "Die Handwerker sind nicht bekloppt", sagt Behlau. "Viele leiten ihr Geschäft in zweiter oder dritter Generation, und das ist nicht der erste Bauboom, den die erleben."

Digitalisierung in der Handwerksausbildung

Das Handwerk bemüht sich immer mehr, die Ausbildung digitaler zu gestalten. Der Bund und der Zentralverband des Deutschen Handwerks fördern solche Initiativen. Veränderung ist nicht nur nötig, weil die Arbeit künftig digitaler sein wird, sondern auch, um dem Fachkräftemangel beizukommen. In einer Studie von 2017 gaben 21 Prozent der Handwerksbetriebe an, mehr Mitarbeiter mit Digitalkompetenz zu brauchen.

Die Ausbildungsumfrage 2018 des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) untersucht Unternehmen verschiedener, auch handwerklicher Branchen. Für 72 Prozent aller Betriebe werden IT-Kenntnisse von Jugendlichen in Zukunft ein wichtiges Einstellungsstellungskriterium sein. Die Offenheit von Digital Natives könne zwar frischen Wind bedeuten. Aber die Medienkompetenz sei zu Beginn der Ausbildung eher durchwachsen: Im Bereich Datenschutz etwa haben mehr als 50 Prozent der Azubis nicht die nötigen Kenntnisse. Mit Blick auf die Modernisierung der Berufsschulen fordern DIHK und Handwerksverband, den Digitalpakt der Bundesregierung in den Ländern zügig umzusetzen.

Durch Simulatoren können Auszubildende günstiger und sicherer Erfahrungen sammeln, bevor sie die Handgriffe in der Realität umsetzen. Die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Nord nutzt zur Ausbildung Augmented Reality. In der Hand hält man also einen Schweißbrenner, der sich anfühlt und bedienen lässt wie ein echter - aber Lichtbogen und Schweißnaht entstehen nur virtuell vor den Augen des Lernenden.

Gleichzeitig lässt die Digitalisierung auch neue Ausbildungsberufe entstehen. Der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke entwickelt aktuell den "Elektroniker für Gebäudesystemintegration". Der beschäftigt sich unter anderem mit Smart Living - also der digital vernetzten Wohnung -, E-Mobilität und der Automatisierung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: