Handelszonen:Bushs neue Freunde

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Amerika hat lange vergeblich auf Wirtschaftsimpulse aus Europa gewartet — nun werden Freihandelszonen mit anderen Ländern geplant.

Marc Hujer

(SZ vom 25.6.2003) — Europa ist für Amerika längst nicht mehr das Land der neuen Handelsmöglichkeiten. Die meisten Kämpfe um Investitionen und Freihandel sind gefochten, und das, was übrig bleibt, genießt den sicheren Schutz der Lobbyisten.

Hinzu kommt aber auch, dass es seit einigen Jahren um das Wirtschaftswachstum in Europa nicht sonderlich gut bestellt ist, und wie sehr das Amerika verärgert, lässt sich an den regelmäßigen Verlautbarungen zu den Treffen der G7-Industriestaaten ablesen.

Immer wieder drängte die US-Regierung auf mehr Wachstum in Europa, und jetzt, da mit George W. Bush ein Präsident im Amt ist, der nicht unbedingt als ausgesprochener Europafreund gilt, ist der Ton schärfer geworden.

In Washington zeigt man inzwischen auch, dass es im Zweifel andere Partner als die Europäer gibt. Natürlich wird immer wieder die Bedeutung des transatlantischen Handels und der gemeinsamen Wirtschaftsverflechtungen betont, nicht zuletzt auch von Bushs Handelsbeauftragtem Robert Zoellick, den mit EU-Handelskommissar Pascal Lamy eine lange Freundschaft verbindet.

Eine Studie der Johns Hopkins Universität kommt zu dem Schluss, dass das gegenseitige Wirtschaftsinteresse beider Seiten "dramatisch" zugenommen habe, und die aktuellen Zahlen sprechen für sich: Drei Viertel aller Auslandsinvestitionen in Amerika kommen inzwischen aus Europa, etwa sieben Millionen Amerikaner werden direkt oder indirekt von europäischen Firmen beschäftigt, und umgekehrt verdanken etwa sechs Millionen Europäer ihren Arbeitsplatz amerikanischen Investoren.

Konflikte haben zugenommen

Und doch haben die Konflikte zwischen beiden Blöcken vom Streit um amerikanische Stahlzölle zum aktuellen "Frankenfood"-Konflikt zugenommen.

Gleichzeitig versucht die amerikanische Regierung, die Europäer mit rivalisierenden Handelsverträgen unter Druck zu setzen. Seit August vergangenen Jahres hat Bush dazu die parlamentarische Unterstützung, nachdem der Kongress ihm die so genannte Trade Promotion Authority zugesprochen hat, die Erlaubnis, eigenständig Handelsverträge zu vereinbaren.

Diese Erlaubnis hatte sein Vorgänger Bill Clinton in seiner Amtszeit verwirkt. Anfang diesen Monats unterzeichnete Bush die beiden ersten Verträge, einen mit Singapur und einen anderen mit Chile. Es sollen noch weitere bilaterale Handelsverträge mit Australien, Marokko, Südafrika, Botswana und Namibia folgen.

Der US-Handelsbeauftragte Zoellick arbeitet außerdem auf ein zentralamerikanisches Freihandelsabkommen mit Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua hin und nicht zu vergessen die Free Trade Area of the Americas (FTTA), die größte Freihandelszone der Welt, die die gesamte amerikanische Hemisphäre umschließen soll.

Konkurrenz zum transatlantischen Handel

Die neue amerikanische Freihandelspolitik stößt in Europa verständlicherweise auf Vorbehalte, denn jede neue amerikanische Freihandelszone, wie auch die neuerdings geplante im Nahen Osten, steht zumindest indirekt in Konkurrenz zum transatlantischen Handel.

Und natürlich passiert es auch nicht grundlos, wenn Finanzminister John Snow in den vergangenen Wochen die Wachstumskräfte in Lateinamerika betonte. Erst in der vergangenen Woche, am Rande des Staatsbesuches von Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva in Washington, gründeten Snow und sein brasilianischer Kollege Antonio Palocci die so genannte Group of Growth.

Angesichts der Wachstumsschwäche in der Group of Seven, in der die Europäer vertreten sind, klingt der Name wie eine Provokation. Der neue Ton ist ein Resultat veränderter ökonomischer Zwänge. Nach dem Ende des Internetbooms leidet Amerika unter Überkapazitäten. Die Wirtschaft hat Fabriken gebaut, für deren Produkte es keine Nachfrage mehr gibt.

Amerika hatte auf Hilfe aus dem Ausland gehofft, und da Japan tief in der Krise steckt, wurde Europa als naheliegendste Rettung gesehen. Amerika verlangte deshalb von Europa schnelle Reformen, um für Wachstum zu sorgen: Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und mutigere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank.

Die jüngsten Unfreundlichkeiten gegenüber Europa, zuletzt die Klage wegen des Importverbots von genmanipulierten Lebensmitteln, sind auch eine Reaktion auf die wachsende Frustration der Amerikaner mit den miserablen Wirtschaftsaussichten in Europa. Auf Europa wird Amerika nicht verzichten können, aber Wettbewerb, sagt sich die Regierung, belebt das Geschäft.

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