Handelskonzern wandelt sich zum Touristik-Anbieter:Karstadt geht auf Reisen

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KarstadtQuelle wandelt sich immer mehr zu einem Touristik-Unternehmen. Durch den Kauf des führenden britischen Anbieters Mytravel rückt der Handelskonzern an den Marktführer TUI heran.

Meite Thiede und Stefan Weber

Mit dem Zusammenschluss von Thomas Cook und Mytravel erhält TUI einen starken Wettbewerber. ,,Künftig ist der Abstand zwischen TUI und dem Branchenzweiten nicht mehr so dramatisch groß. Das fördert den Wettbewerb und nützt auch dem Verbraucher'', sagte Thomas Middelhoff, Vorstandschef von Karstadt-Quelle.

Reisemarkt: Eine umkämpfte Branche.Für die Marktanteile der Reiseveranstalter auf die Lupe klicken. (Foto: Grafik: SZ)

Gemessen am Umsatz besetzt TUI mit 14,1 Milliarden Euro die Spitzenposition unter den Touristikunternehmen in Europa. Thomas Cook und Mytravel erwirtschafteten im vergangenen Geschäftsjahr einen Erlös von zusammen zwölf Milliarden Euro.

Mit großem Abstand folgen Rewe (4,2 Milliarden Euro) und das britische Unternehmen First Choice (3,8 Milliarden Euro). Zu Mytravel gehören in Großbritannien 500 Reisebüros und eine eigene Fluggesellschaft.

60 Prozent kommen aus dem Reisegeschäft

Aus dem Handelskonzern KarstadtQuelle wird damit binnen weniger Monate ein Unternehmen, das sich vorrangig auf die Touristik konzentriert. Von 21 Milliarden Euro Jahresumsatz stammen künftig fast 60 Prozent aus dem Reisegeschäft.

,,Das sind dramatische Verschiebungen, die aber in ihrer Konsequenz positiv sind'', sagte Konzernchef Thomas Middelhoff.

An der Börse sorgte die Nachricht vom Zusammengehen der beiden Schwergewichte in der europäischen Touristikwirtschaft am Montag für einen kräftigen Kursanstieg.

Die Aktien von Karstadt-Quelle verteuerten sich zeitweise um mehr als vier Prozent und notierten so hoch wie zuletzt vor knapp fünf Jahren. Mytravel verzeichnete ein Kursplus von mehr als 30 Prozent. Die TUI-Aktie verlor ein Prozent, lag damit aber in etwa im Trend der Dax-Werte.

Einsparpotenzial

Thomas Cook will durch die Fusion insgesamt 75 Millionen Pfund (113 Millionen Euro) einsparen, und zwar im Wesentlichen innerhalb der nächsten zwei Jahre. Wie dies geschehen soll, erklärte das Unternehmen nicht.

Nach Angaben des Thomas Cook-Chefs Manny Fontenla-Novoa werden Arbeitsplätze in Großbritannien, nicht aber in der deutschen Zentrale in Oberursel gestrichen.

An dem britischen Reiseunternehmen First Choice hat Thomas Cook jetzt vorerst kein Interesse mehr, sagte Fontenla-Novoa in einer Telefonkonferenz. Die Zusammenführung der beiden Unternehmen habe jetzt Vorrang. Sowohl Thomas Cook als auch Mytravel galten in den vergangenen Wochen als Interessenten für das Pauschalreisegeschäft des Wettbewerbers. Weiterer Bewerber ist die Fluggesellschaft Virgin Air.

Thomas Cook und Mytravel bringen ihr Geschäft in eine neugegründete Gesellschaft ein, die den Namen Thomas Cook Group tragen und an der Börse in London notiert sein wird.

Karstadt besetzt Schlüsselpositionen

Karstadt-Quelle wird an diesem Unternehmen mit 52 Prozent beteiligt sein. Mytravel ist Eigentümer der übrigen 48 Prozent. Der Essener Handels- und Touristikkonzern besetzt auch die Schlüsselpositionen im Management. Middelhoff übernimmt den Vorsitz im Aufsichtsrat.

Cook-Chef Manny Fontenla-Novoa steht an der Spitze der neuen Gesellschaft. Der Finanzchef von Thomas Cook, Ludger Heuberg, übernimmt bei der neuen Gesellschaft die gleiche Aufgabe.

Karstadt-Quelle nimmt für das Zusammengehen mit Mytravel kein Geld in die Hand. ,,Wir zahlen ausschließlich mit Aktien. Deshalb bleiben wir schuldenfrei und behalten genügend Spielraum für weitere Akquisitionen'', sagte Middelhoff.

Rendite vorrangig

Der Chef des Konzerns schließt weitere Übernahmen in der Touristik nicht aus. Auf diese Weise könne Thomas Cook TUI möglicherweise irgendwann als Marktführer ablösen. Dies sei jedoch nicht erklärtes Ziel des Managements. ,,Viel lieber wollen wir führend sein bei der Rendite'', sagte Middelhoff

Auf den deutschen Markt wird die Fusion nach Einschätzung von Branchenkennern keine Auswirkungen haben. Der britische und der deutsche Reisemarkt funktionierten völlig unterschiedlich und hätten keinerlei Einfluss aufeinander, heißt es.

Preiskampf kündigt sich an

In Großbritannien allerdings könnte der zu TUI gehörende Branchenprimus Thomson Travel jetzt unter Druck geraten. Möglicherweise stehe ein Preiskampf bevor, wird unter Experten spekuliert.

Mytravel gilt als besonders aggressiver Anbieter, unter dessen ,,ruinös'' genannten Preisen die ganze Branche leidet. Mit der Fusion, so wird spekuliert, habe Thomas Cook einen unbequemen Wettbewerber ,,unschädlich'' gemacht.

© SZ vom 13.02.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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